fig 05Ein Reicher ist gegangen ….

Reich nicht an materiellen Gütern, doch reich an Freunden und deren Achtung und Liebe  - so empfinde ich das Leben von Böhm András. Ich lernte András kennen, als es noch den Stacheldraht-Verhau zwischen unseren Ländern gab. Damals unterhielten wir uns oft darüber, wie es sein würde, wäre diese unselige Grenze nicht. Wir würden uns oft besuchen können, er würde zu unseren Veranstaltungen kommen, er hörte oft die Musik bis zu seinem Haus, wenn bei uns Zeltfeste abgehalten wurden.

Dann kam der EU-Beitritt 2004, da hatte er eine schwere Operation hinter sich. Aber die Freude über diesen Beitritt Ungarns zur EU ließ ihn alles vergessen. Und wieder träumten wir von einem Grenzübertritt an jeder Stelle – ohne Kontrolle. Dann kam 2006, kurz darauf erfüllten sich unsere Träume: wir konnten überall und jederzeit die Grenze passieren – ohne Kontrollen.

Warum ich das so ausführlich schreibe: es war die Zeit, in der mir András eine neue Welt erschloß! Ich lernte die Menschen in Ungarn besser kennen, er führte mich in Institutionen und Vereinen ein. Er war sozusagen mein Wegbegleiter in seiner Heimat. Nach einigen Jahren waren wir wie Brüder, wir verstanden uns und halfen uns, wo es nur ging. Ich lernte András zu achten und bewunderte seine Energie, wenn es um Agendorf und die Belange der Deutschen Minderheit ging.

Die Kirche war ihm ein Anliegen, für die Beschaffung der Geldmittel für die Renovierung brachte er viel Energie auf, es gelang ihm auch, die ehemaligen Agendorfer, die nun in Deutschland lebten, für so manche Spende zu gewinnen.

fig 01Volkstanz und die Musikkapelle waren ihm ein Anliegen, der Gesangverein "Morgenröte" wurde von ihm geführt, sein Wort hatte Gewicht – so sah ich ihn.

Als er im Jänner dieses Jahres statt auf dem Binkerlball im Krankenhaus war, wurde mir bewußt, wie sehr vieles von seiner Gegenwart abhängt. Für mich wurde mit einam Mal klar: András ist Agendorf, diese Gemeinde hat ein Gesicht – seines! Die vielen Menschen, mit denen ich nun befreundet bin und die ich so schätze, sie werden mir helfen, in Agendorf auch weiterhin „zu Hause“ zu sein.

fig 03Das sind meine Gedanken, wenn ich an András denke – Freundschaft, Liebe zu Menschen, die einer anderen Nation angehören – und meine Hochachtung vor seinem Glauben an ein friedliches Zusammenleben aller, die hier die Grenze bevölkern.

Er ist nun zu Gott heimgegangen, er wird dort eine neue Wohnung beziehen. Er hat seinen Frieden gefunden, sein Andenken wird uns stets wichtig sein. Leb wohl, András!

 

Andreas Böhm

fig 02Wurde im April 1943 in Agendorf/Agfalva unweit von Ödenburg/Sopron geboren.

1946 teilte auch die Familie seiner Eltern das Schicksal der Ungarndeutschen: 7 Geschwister der Mutter wurden samt ihren Familien aus der Heimat vertrieben, 2 Familien, die für die Ungarn wichtigen und daher „nützlichen" Bergmannsfamilien, durften bleiben.

Die in der Gemeinde verbliebenen Deutschen lebten nicht zerstreut, sondern „am Beri", der heutigen Berggasse. Andreas Böhm wuchs in diesem schützenden Kreis seiner Familie, der Alters- und Schicksalsgenossen auf und hörte so die alten Geschichten und die Geschichte seiner Vorfahren. Er nahm alles in sich auf, was ihm zu Ohren kam: Ernstes und Heiteres, Erzähltes und Gesungenes, Märchen, Sagen, Bräuche und Lieder. Er lebte außer in der Schule, wo ja in ungarischer Sprache unterrichtet wurde, in einer noch durch und durch deutschstämmigen und -sprachigen Welt.

1957 kam er in die Ödenburger Eisengießerei und lernte Modellbau. Die alten Meister im Betrieb, die aus Agendorf, Wandorf oder Ödenburg kamen, redeten untereinander immer deutsch. Er blieb der Gießerei 36 Jahre bis zu seiner Frühpensionierung treu.

Diesem Charakterzug, der für Andreas Böhm so typischen Treue ist es einerseits, andererseits der lebendigen deutschen Umwelt, die jeden Tag Neues bot, zu verdanken, dass er sich dem Ungarndeutschtum immer mehr und immer bewußter zugewandt hatte. 1963 wählte man ihn zum Delegierten in den Landesrat des Verbandes der Ungarndeutschen.  In den 80er Jahren zweimal zum Vizepräsidenten dieser Vereinigung gewählt, gehörte er ihr bis zu deren Auflösung im Jahre 1995 an.

Großen Anteil hatte er an der Errichtung von zweisprachigen Ortstafeln (deutsch/ungarisch) in den von Ungarndeutschen bewohnten Gemeinden.

1990 wurde er zum Vorsitzenden der Deutschen Selbstverwaltung (Agendorf) gewählt  Mit großem Engagement begann Andreas Böhm nun seine Tätigkeit. Das Kindergartenmodell „Eine Person - eine Sprache" wurde als Pilotprojekt im Agendorfer Kindergarten eingeführt, die deutsche Kindergärtnerin wurde von Andreas Böhm aus Deutschland organisiert. Die Auslandskontakte zu Gemeinden, Vereinen usw. entstanden vorwiegend mit seiner Hilfe.

Andras Böhm hat großen Anteil am Kulturleben von Agendorf. So sammelte er Agendorfer Liedgut, war 10 Jahre lang Organisator und Sekretär der Agendorfer Blaskapelle. 1993 erfolgte durch ihn die Neugründung des Gesangsverein „Morgenröte", dessen Vorsitzender er bis zu seinem Tode war.

1994 begann er mit der Verfassung der zweisprachigen Chronik von Agendorf: - dem „Agendorfer Mosaik", welche 1996 erschien.

Aber nicht nur in Agendorf setzte er sich ein, auch auf  Komitatsebene war er aktiv.

Abschließend sein Credo zu Agendorf: „Ich bin stolz auf meine Gemeinde und dass ich der hier beheimateten deutschen Nationalität angehöre. Meine Arbeit wurde stets von einer tiefer Ehrfurcht vor meiner Heimat und deren Volk, den ungarländischen Deutschen geleitet."

(Ausführlicher in einem Beitrag in der Pforte Nummer 7: Die Deutsche Selbstverwaltung in Agendorf“)

 

Euer trauernder Reporter