Nachdem Harkau aufgehört hatte "Stadtdorf" zu sein, die Bauern keine "Untertanen" sondern ihre "eigenen Herren" geworden waren, behielt jeder Harkauer das Feld, das er vorher auch besessen hatte. Ob es größere oder kleinere Äcker waren, innerhalb der Gemarkung hatte sich diesbezüglich nichts geändert. So hatte z. B. jeder Bauer einen "Hannifacker" (Hanfacker); denn jeder Bauer hatte Hanf anbauen müssen, um "das Gespunst" (das Gesponnene) abliefern zu können.
Nun wissen wir aber, daß dieses Gewann sehr klein war. Folglich waren die einzelnen Parzellen sehr schmal, spöttisch sagte man: "Nur hosenriemenbreit". Wegen der vielen Furchen und des immerwährenden Hanfanbaus (in der Dreifelderwirtschaft stand sonst kein Gewann für Hanfanbau zur Verfügung, also konnte auch kein Fruchtwechsel stattfinden!), gab es auf diesen Äckerchen sehr schlechte Ernteerträge. So ähnlich, wenn auch nicht so gravierend, war es auch auf anderen kleinen Gewannen. Darum wurde nicht nur von der Behörde sondern von vielen Bauern selbst eine "Commassierung" (Flurbereinigng) gewünscht. Hauptsache für eine Flurbereinigung dürfte jedoch gewesen sein, daß die Bauern die Aufteilung der ,;Hutweiden" wünschten. Bisher wurde das Vieh auf die gemeinschaftlichen Weiden getrieben. Um die Viehzucht, die Milchproduktion zu steigern, wechselten sie zur Stallfütterung über. Dazu benötigten sie jedoch mehr Futter. Darum wollten sie die Weideflächen aufteilen, sie "umbrechen", umpflügen, um auf diesen Feldern Viehfutter: Klee, Luzerne, Futterrüben und Mais anbauen zu können. In Harkau wurde die Flurbereinigung im Jahre 1884 durchgeführt. Samuel Eckel (Schiega) konnte mir 94jährig aus Sarnau noch das Jahr mitteilen, "denn - so schrieb er - ich war damals drei Jahre alt. Der die Commassierung durchführende Ingenieur wohnte bei meinen Eltern. Hier und da gab er mir einen Kreuzer. Und wenn er mich fragte, was ich mir dafür kaufen wolle, so antwortete ich: eine Wiese".
Durch die in Harkau übliche Realteilung war vorher schon ein stark zersplittertes Flurgebilde entstanden (übrigens bis 1946 schon wieder!). Durch die "Commassierung" sollten 1884 die vielen, meist sehr kleinen Äcker zusammengelegt werden. Alle Äcker der Gemarkung wurden in drei Güteklassen eingeteilt. Die besten Felder wurden als Güteklasse eins bezeichnet, die dritte Klasse bestand aus weniger fruchtbaren Feldern. Die gemeinschaftlichen Hutweiden wurden aufgeteilt. Jeder Bauer erhielt so viele "Hutweiden-Äcker" Geder (jeder ein 1/2 Katastraljoch groß), wieviel "Waldanteile" in seinem Besitz waren. - Wie sich später herausstellte, war der Boden auf den früheren Weideflächen sehr ertragreich. - Nach der Umlegung erhielt jeder Bauer von jeder Güteklasse so viel Feld, wie er vorher auch hatte, nur waren seine Felder nicht so zerstreut in der Gemarkung und vor allem, jeder hatte größere Äcker, so daß sich eigentlich, scheinbar kein Bauer benachteiligt fühlen konnte. Aber nur scheinbar! Dazu muß ich ein - zwei Beispiele von meinen Vorfahren anführen. Als Junge fragte ich schon sehr viel über Harkau, seine Geschichte, die Felder, wenn ich mit meinem Vater auf das Feld fuhr. So fragte ich ihn einmal, wieso unsere (und die seiner Geschwister) Disteläcker nicht auch von einem Feldweg bis zum anderen reichen, sondern auf der einen Seite sehr breit sind, aber in einem Spitz enden. Mein Vater erzählte mir folgende wahre Geschichte: "Unser Distelacker ist ein sehr fruchtbarer Boden, Güteklasse 1. Nur die Bearbeitung, das Pflügen und Säen ist sehr umständlich, weil er eben in einem Spitz endet. Der Ingenieur, der die Flurbereinigung durchführte, hatte Streit mit meinem Großvater, mit deinem Urgroßvater, der wie du weißt, auch Andreas Schindler hieß. Er war erst 1863 nach Harkau gezogen und kaufte sich hier eine "Viertelwirtschaft". Trotzdem er also ein "Zugezogener" war, schenkten ihm die Harkauer solch großes Vertrauen, daß er zum "Kassierer" der Gemeinde Harkau gewählt wurde; und als solcher verwaltete er das Geld der Gemeinde. Sparsam, wie er privat war, verwaltete er auch das Geld der Gemeinde. Als der Ingenieur immer mehr Diäten verrechnen wollte, versagte ihm mein Großvater mehr Geld, als vereinbart war. Das führte natürlich zu Differenzen und Zwistigkeiten. Dafür rächte sich der Ingenieur. Mein Großvater mußte zwar genau so viele Joch Feld von jeder Güteklasse bekommen, wie er abgegeben hatte, aber über die Form des Grundstückes gab es keine besonderen Vorschriften. Alles lag im Ermessen des Ingenieurs." Ebenso erzählte mir mein Vater, warum mein Urgroßvater den ersten "Thaissingacker" längs der Straße zugeteilt bekam. "Eben dieser Ingenieur teilte deinem Urgroßvater den "Thaissingacker" längs der Kreutzer Straße zu, um sich an ihm zu rächen. Entlang der Straße sind die vielen Maulbeerbäume gepflanzt; ihr Wurzelwerk treiben sie in den Acker und ihre mächtigen Kronen werfen ihren Schatten auf die Früchte des Ackers, womit sie das Wachstum der Früchte sehr stark beeinträchtigen. So kann es einem gehen, wie deinem Urgroßvater, wenn man sich besonders für die Gemeinschaft einsetzt. Trotzdem rate ich dir - so schloß mein Vater seine Erzählung "Setze dich für die Belange der Gemeinschaft jederzeit ein, egal wo du einmal stehen mußt!" An diese Ermahnung meines Vaters habe ich mich stets gehalten.
Von den bereits oben erwähnten Hanfäckern, die kaum einen Ertrag gebracht hatten, kann ich noch berichten, daß bei der Flurbereinigung - aus verständlichen Gründen! - kein Bauer in diesem Gewann einen Acker haben wollte, die noch dazu in die Güteklasse eins eingereiht wurde. Da wurde dem reichsten Bauern ein großer Acker in diesem Gewann zugeteilt, u. zwar mit der Begründung: Der hat ja genug Feld, bei dem kommt es auf einen Acker nicht an. Die Hanfäcker waren nach der Umlegung sehr fruchtbare Äcker und ihr Wert erhöhte sich noch dadurch, daß sie ganz nahe beim Dorf, gleich hinter den Gärten der unteren Hofstatt lagen. Wir waren froh, daß wir von mütterlicher Seite einen geerbt hatten.
An und für sich war die Durchführung der "Commassierung" (= Flurbereinigng) schon eine wichtige und richtige Maßnahme, die dem Wohle der Bauern diente, denn es wurden u. a. auch neue, gerade Feldwege angelegt, die Gewanne regelmäßig geformt, die Wasserläufe reguliert. die Bäche, wo möglich, begradigt, die Gräben vertieft, so daß später die Eigentümer durch Anlegen von Drainage ihre oft nassen Ackerenden, wie z. B. die Kreuzäcker, trockenlegen konnten. Bei wenigen, dafür aber größeren Äckern, konnte auch rationell gearbeitet werden, wenn auch die großen landwirtschaftlichen Maschinen, wie sie jetzt in Deutschland, in Ungarn auch auf den LPG in Harkau - eingesetzt werden, damals noch nicht existierten. Leider war der ung. Staat auch nicht so großzügig wie die Bundesrepublik Deutschland es heute ist, die einen Großteil der Flurbereinigungskosten übernimmt, weil sie weiß, der Bauernstand muß verschiedene Weise gestützt werden, damit er erhalten bleibt, und daß die Flurbereinigung richtig durchgeführt, auch dem Wohle der Gesamtwirtschaft des Volkes dient.

Quelle: "Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)