Die erste uns bekannte Kirche in Harkau, die den Aposteln Petrus und Paulus geweiht bon 1309 urkundlich erwähnt wird und der Raaber Kanonikus Dominicus im 15. Jahrhundert berichtet, daß die Harkauer Pfarrkirche eine der besten in den Gemeinden der ganzen Diözese sei, wird auf dem Turm der Kirche auch sicher eine Glocke gehangen haben, nach Kirchenrecht von 1169 Kirchen und öffentliche Kapellen Glocken haben sollen, um zum Gottesdienst oder Gebet zu laden. Leider haben wir über diese Glocke(n) keinerlei Aussagen. Wie bereits erwähnt, wurde die jetzige röm. kath. Kirche in Harkau im Jahre 1658 umgebaut, erweitert, ja der Turm ganz neu erbaut. Er erhielt damals die Form, die er noch inne hat. Auf dem neu erbauten Turm wurden wenigstens zwei, wenn nicht drei Glocken aufgehängt. Seit dem Ersten Weltkrieg hängt nur noch eine Glocke auf dem Turm, mit der heute noch täglich geläutet wird. Da im Jahre 1658 die ganze Gemeinde evangelisch war, trägt die bis heute erhaltene Glocke die Aufschrift: "Eigentum der Evangelischen Kirchengemeinde Harkau." (ob die Glocke noch eine weitere Aufschrift hat, ist nicht feststellbar, da man den Turm kaum besteigen kann.) Diese Glocke ist eine relativ kleine Glocke mit einem hohen Ton.
 
Als die Evang. Kirchengemeinde Harkau im Jahre 1783 neu gegründet wurde, durfte sie aufgrund des Toleranzediktes nur ein Bethaus erstellen, ohne Kirchturm, ohne Glocken, ohne Eingang von der Straße. Die Evangelischen läuteten auch weiterhin mit den Glocken, die auf Turm der röm. kath. Kirche hingen. Es müssen mehrere Glocken gewesen sein, denn Oskar Renner berichtet, daß sie wegen der Baufälligkeit des Turmes ab 1883 nur mehr mit der zweiten Glocke läuten durften. (Siehe Artikel von O. Renner über den Bau des Kirchturms evang. Kirche in meinem Buch über die Geschichte der Harkauer Concordia!) wahrscheinlich durfte die röm. kath. Kirchengemeinde im Ersten Weltkrieg auch nur eine Glocke behalten und mußte die andere(n) abliefern. Da die Kirchengemeinde aber so klein war, konnte sie nach dem Ersten Weltkrieg keine weitere Glocke anschaffen, so daß die Kirchengemeinde auch heute noch nur mit dieser "kleinen Glocke" täglich läutet. Nachdem die evang. Kirchengemeinde 99 Jahre nach dem Kirchbau, im Jahre 1886 einen Turm zur Kirche baute, schaffte sie auch drei Glocken für die Gemeinde an. Leider wurden die 2 größeren Glocken während des Ersten Weltkrieges vom Turm geholt und für Kriegszwecke umgegossen. Die kleinste, der beim Turmbau angeschafften drei Glocken, blieb erhalten und hängt auch heute noch auf dem Turm. Aus ihrer Inschrift erfahren wir, daß alle drei Glocken von der Glockengießerei Seltenhofer in Ödenburg gegossen wurden und in der Budapester Ausstellung im Jahre 1885 gezeigt wurden. Diese noch vorhandene kleinere Glocke folgende Aufschrift (gemäß Verordnung von 1831! in ungarischer Sprache!), zu deutsch: wurde gegossen auf Kosten der Schüler der evang. Schule in Harkau zur Budapester Ausstellung im Jahre 1885 - Franz Josef (Ungarns Apostolischen) König, Ton e, gegossen von Seltenhofer und Co. in Ödenburg - Lasset die Kindlein zu mir kommen, Mark. 10,14. Leider wissen wir die Tonlage der beiden größeren Glocken, die 1917 der Kriegsrüstung zum Opfer fielen, nicht. Angeblich soll der Richter oder ein anderer Harkauer 1917 gesagt haben: "Opfern wir unser Teuerstes, unsere Söhne, für das Vaterland, so können wir auch die Glocken fern, für die wir nach dem Krieg wieder neue anschaffen können!" 1922 wurden wieder zwei neue Glocken bei der Firma Seltenhofer in Ödenburg für die Harkauer Kirchengemeinde gegossen. Wie uns die Bilder zeigen, wurden sie im Herbst 1922 oder Frühjahr 1923 nach Harkau gebracht. Die große Glocke wiegt 1200 kg, hat den Ton F und trägt die Aufschrift (deutsch!): "Ein feste Burg ist unser Gott!" Die mittlere Glocke wog 800 kg, hatte den Ton a und trug die Aufschrift (in deutsch!): "Wachet und betet!" Diese mittlere Glocke mußte im 2. Weltkrieg der Rüstung geopfert werden, so daß seither nur noch zwei Glocken auf dem evang. Kirchturm hängen.

Wann wurde geläutet? Das Läuten war auch in Harkau des Kirchendieners, des Mesners Dienst. Die Glocken wurden, ja werden heute noch mit der Hand geläutet. Eine elektrische Läuteeinrichtung gab es damals noch nicht, bzw. die Anschaffung einer solchen konnten sich die Harkauer damals nicht leisten. Es wäre sicher ein sehr dankbares Unterfangen, wenn die Harkauer in der Bundesrepublik und in den USA dafür sorgten, daß die "Heimatglocken (in Harkau) nicht ganz verstummen"! Da der Mesner nicht drei Glocken allein läuten konnte, waren die Schüler der letzten Klasse behilflich, ja sie durften im Auftrage des Mesners an den vorgeschriebenen Gelegenheiten und Zeiten auch allein, ohne Mesner, läuten. Sie bekamen sogar "das Läutegeld", das bei einer Beerdigung bezahlt wurde. Ihrem ursprünglichen Auftrag gemäß riefen die Glocken zum Gottesdienst. Da in Harkau an Sonn- und Feiertagen der Gottesdienst um 9 Uhr begann, wurde auch in Harkau nach evang. Sitten eine Stunde vorher, also um 8 Uhr mit der großen Glocke "das Erste" geläutet. Um halb neun Uhr wurde mit der mittleren Glocke "das Zweite" und um 9 Uhr mit allen drei Glocken "zusammengeläutet". Das Zusammenläuten dauerte - wenigstens in letzter Zeit - nicht all zu lange, so daß die etwas weiter unten im Dorf Wohnenden schon vor Beginn des Zusammenläutens zum Kirchgang aufbrechen mußten, um beim Beginn des Gottesdienstes in der Kirche zu sein, um das Präludium, das Vorspiel des Kantors, noch genießen zu können. Zur nachmittäglichen "Christenlehre" an jedem Sonntag wurde um 13 Uhr zusammengeläutet. Natürlich wurde auch zu anderen Gottesdiensten dreimal geläutet, etwa zur "Christvesper" am Heiligen Abend oder zum Altjahrsabend am Silvester. Wochentags wurde auch im Tagesrhythmus geläutet. Wahrscheinlich stammte der Brauch noch aus der Zeit, als es noch nicht in jedem Haus eine Uhr gab und als die evang. Kirchturmuhr noch nicht die Zeit anzeigte, also vor 1886, und als die Turmuhr noch nicht die Stunden, Viertel-, Halbe- und Dreiviertelstunde schlug. Außerdem sollte ja die rein bäuerliche Bevölkerung auf dem Felde und in den Weinbergen wissen, "wieviel es geschlagen" hat. Jahrein, jahraus wurde um 12 Uhr mittags mit der großen Glocke geläutet. Auch mit der Glocke der kath. Kirche wurde um 12 Uhr geläutet.
 
Wahrscheinlich geht das "Mittagläuten" neben der "Nützlichkeit" auch noch auf die Anordnung des Papstes zurück, der - laut ung. Geschichtsdarstellung - nach dem Sieg Johann Hunyadis über die Türken, im Jahre 1444 das Mittagsläuten in der ganzen Christenheit anordnete. Ebenso wurde jahrein, jahraus jeden Freitag und Samstag um 3 Uhr(15 Uhr) mit der großen Glocke geläutet; freitags zur Erinnerung an den Kreuzestod Jesu Christi und samstags sicher wegen der Beendigung der Wochenarbeitszeit. Abends, kurz vor Einbruch der Dunkelheit wurde auch mit der großen Glocke geläutet. Es war das Gebetsläuten. In alten Zeiten sollen die Männer beim "Gebetsläuten", auch wenn sie sich gerade auf der Straße befanden, stehen geblieben sein, das Haupt entblößt und ein kurzes Gebet gesprochen haben. Die Kinder mußten beim "Gebetsläuten" schleunigst nach Hause gehen, denn nachher durfte kein Kind mehr auf der Straße gesehen werden. Im Winter wurde - vom Michaelistag (29. September) bis Georgitag (24. April) morgens um 7 Uhr und im Sommer, vom Georgi- bis Michaelistag, um 6 Uhr mit der mittleren Glocke geläutet, Ebenso wurde im Sommer um 11 Uhr mit der mittleren Glocke geläutet. Wahrscheinlich stammte diese Sitte auch aus der Zeit der Fronarbeit, als zur Viehfütterung eine Stunde Mittagspause genehmigt war. Geläutet wurde auch bei Sterbefällen und bei Beerdigungen. Starb ein Gemeindeglied, so wurde das baldmöglichst dem Pfarrer gemeldet. Der veranlaßte, daß am Vormittag um 10 Uhr eine Viertelstunde "ausgeläutet" wurde. War ein Erwachsener, d. h. ein bereits konfirmiertes Gemeindeglied gestorben, so wurde mit allen drei Glocken geläutet, starb aber ein Kind, so wurde nur mit der mittleren und kleinen Glocke geläutet, "die große Glocke blieb immer stumm?" Bei den Beerdigungen - sie wurden fast immer um 13 Uhr vom Trauerhaus aus abgehalten - ging ein Zug vom Pfarrhaus zum Trauerhaus. An der Spitze des Zuges trug ein Schüler ein Kreuz. Manchmal war es mit einem Trauerflor behangen. Ihm folgte die Schuljugend, zuerst die Buben, dann die Mädchen, vorne die kleinen, am Ende die größten. Dann folgte der Pfarrer mit dem Lehrer, Mesner und dem "Leichansager". Während des ganzen Weges wurde mit der kleinen Glocke geläutet. Nach Gesang und Predigt im Hof des Trauerhauses wurde der Sarg mit dem Toten von vier oder acht "Trägern" im Trauerzug in den Friedhof getragen. Im Trauerzug gingen vorne wieder die Schulkinder, Pfarrer, Lehrer, Mesner und Leichansager, dann die Träger mit dem Sarg, anschließend die nächsten Verwandten, dann die Trauergemeinde. Auf dem Wege wurden auch Sterbechoräle von den Schülern und der Trauergemeinde gesungen. Die passenden Choräle wurden vom Lehrer ausgesucht und angestimmt. Während des Zuges wurde bei erwachsenen Verstorbenen mit allen drei Glocken, bei Kindern nur mit zwei Glocken geläutet, bis der Sarg am Grab abgestellt wurde. Geläutet wurde auch beim Ausbruch eines Feuers, da aber so, daß nicht die Glocke durch das Seil in Schwingungen gebracht, sondern der Klöppel mit der Hand nur an einer Seite der Glocke angeschlagen wurde.
 
Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)