Nun hatte die neu gegründete evang. Kirchengemeinde in Harkau mit Pfarrer Nagy auch seinen eigenen Pfarrer. Wie wir gesehen haben, hatte er tüchtig mitgeholfen, um die kaiserliche Genehmigung zur Neugründung der Kirchengemeinde zu erhalten, den Harkauern endlich auch dadurch aus der Verlegenheit geholfen, daß er - wohlhabend und in guter Stellung - sogar ihr Pfarrer wurde. Pfarrer Georg Nagy ist 1735 in Güns geboren. Sein Vater war Bürger und Schuhmacher in Güns, stammte aber aus dem niederen Adel. Seine Mutter, eine Günser Bürgerstochter, hieß Rosina geb. Hömer. Als Junge besuchte er die evang. Schule im Articular-Ort Nemescs wo er Ungarisch und Latein lernte. Von 1749 bis 1760 besuchte er die evang. Lateinschule in Odenburg, und von 1760-1763 studierte er mit einem Stipendium an der Universität Jena, wo er Freundschaft schloß mit dem berühmten Pädagogen und Philantropinisten Christian Salzmann. Ab 1763 unterrichtete er am evang. Gymnasium in Ödenburg, wo er 1766 zum "Subrector" (=Komektor) ernannt wurde. Er unterrichtete für die damalige Zeit sehr modern und legte auch Gewicht auf die praktische Ausbildung. 1770 heiratete er die sehr wohlhabende Ruster Bürgerstochter Anna Maria Zweymann, so daß er zwei Häuser in Ödenburg besaß und noch Geld ausgeliehen hatte an die Bierbrauerei in Preßburg, und doch nahm er die Harkauer Pfarrstelle an, wo er "unter einem Häuslein mit Stroh gedeckt hausen mußte" (Payr.)
 
Pfarrer Nagy war sicher einer der tüchtigsten Pfarrer in Harkau, aber auch ein frommer, treuer Pfarrer und Seelsorger. Einen Pfarrer, den er gerne als seinen Nachfolger gesehen hätte, ermahnte er vor dessen Probepredigt in Harkau, "er möge bibeltreu predigen, denn seine Harkauer hielten nichts von der neuen Richtung des Rationalismus". Nach Harkau brachte er nicht nur einen Lehrer, Johann Schopf, sondern er war auch besorgt um die Ausbildung evangelischer Lehrer. Darum gründete er in dem relativ kleinen Dorf, im Marktflecken Harkau, eine "Präparandie". Auch gab er ein Buch heraus, indem er sich mit der Methode des richtigen Deutschunterrichts für ungarische Schüler auseinandersetzt. Schon 1788 wurde er wegen seiner großartigen Verdienste auf dem praktischen Sektor der Pädagogik des Deutschunterrichts als Schulrat nach Güns berufen. Van Swieten, Hofrat in Wien, der ihm sogar einen seiner Schützlinge, einen serbischen Schüler zwecks Deutschlernens nach Harkau geschickt hatte, machte ihm sogar ein Angebot für eine Stelle in Wien. Jedoch Pfarrer Nagy wollte die Stelle in seiner Vaterstadt Güns annehmen und lehnte bei Van Swieten ab. Auch seine Harkauer Pfarrstelle gab er deswegen 1789 auf. Seine Abschiedspredigt hielt er in Harkau am 13. September 1789. Nach dem Tode Kaiser Josef lI. wurde die Günser Stelle auch nicht mehr besetzt, so daß Pfarrer Nagy ganz ohne Stelle blieb. Nachdem er wohlhabend geheiratet hatte, gründete er in Ödenburg die erste Zuckerfabrik Ungarns. Er starb 77-jährig in Ödenburg, am 19. Mai 1812. Als er Harkau 1789 verließ, bedauerten dies die Harkauer sehr. Sein Freund und "Kampfgenosse" Matthias Eckl schrieb zu seiner Verabschiedung ein Gedicht (siehe: bei "Persönlichkeiten", Matthias Eckl!).
 
Als Nachfolger von Nagy wählten die Harkauer aus vier Kandidaten Johann Gottfried Walther; den sie schon 1783 gerne als ihren Pfarrer gehabt hätten, der aber kurz vorher die Stelle in Oberschützen angenommen hatte. Der jetzige Superintendent des Burgenlandes, Gustav Reingraben, schreibt über Walthers Tätigkeit in Oberschützen: "Walther hat sich in seiner theologischen Anschauung als milder Rationalist erzeigt. Jedenfalls gelang es ihm, die Gemeinde ordentlich zu sammeln... ?" In diesem Sinne hat er wohl auch in Harkau gewirkt. Pfarrer J. G. Walther, der 1742 in Medern geboren ist, starb schon 1796 in Harkau. Sein Nachfolger wurde Samuel Schiller; ein gebürtiger Ödenburger. Vor seiner Berufung nach Harkau war er "2 Jahre in Wien Hofmeister bei Herrn Michael von Thoman und während dieser Zeit auch vier Monate Salvikarius der Evang. Gemeinde dasselbst... ?", wie er selbst schreibt. Er begann nämlich 1800 die Aufzeichnungen über die Gemeinde Harkau zu sammeln und in einem Buch niederzuschreiben. Für die Zeit vor seines Dienstantritts benutzt er die Chronik des Matthias Eckl, der besonders die Zeit um 1783 (Genehmigung der evang. Kirchengemeinde) ausführlich schildert. Er notierte auch die wichtigsten Ereignisse im Dorf.
 
Am 17. Januar 1840 wurde er auf seinem Spaziergang auf der Kreutzer Straße von betrunkenen Deutschkreutzer Bauern mit ihrem Pferdefuhrwerk überfahren. Er starb neun Tage später an seinen Verletzungen. Sein Grabstein steht heute noch auf dem Harkauer Friedhof und trägt die Aufschrift "Ruhestätte des Samuel v. Schiller, evang. Predigers durch 44 Jahre in Harkau, geh. den 21. April 1767, gestorben den 27. Januar 1840 im 73-sten Lebensjahre. Ruhe seiner Asche!" Auf Sandstein eine weiße Marmortafel mit goldenen Buchstaben. Schillers Nachfolger wurde Gottlieb Kraus, ein gebürtiger Ödenburger. Vorher war er Pfarrer in Pöttelsdorf. Er wirkte von 1840 bis 1861 in Harkau. Auch er war einige Jahre Senior Dekan des Ober-Ödenburger evang. Kirchenbezirks. Unter seiner Amtszeit wurde in der Kirche ein neuer Altar mit Kanzel aufgestellt. Leider starb er schon 1861 - 49jährig an Lungenleiden.
 
Auch er liegt im Harkauer Friehof begraben, wie sein Vorgänger, Pfarrer Schiller. Nach dem Tode von Senior Kraus berief die Kirchengemeinde Ernst Petz, der noch an der Universität Halle studierte, zu ihrem Pfarrer. Die Harkauer kannten ihn schon von Vorträgen und Predigten, die er als Sohn des Ödenburger Pfarrers Leopold Petz als Student in seinen Ferien gehalten hatte. Aus diesem Grunde fuhren am 23. August 1861 der Gemeinde-Richter Johann Latzko, Michael Prujmann als Kirchenvater und Tobias Prujmann als Conventsmitglied nach Raab zum evang. Bischof Haubner mit dem Bittgesuch, Ernst Petz - der noch an der Universität in Halle studiert, aber bereit ist, die Pfarrstelle anzunehmen - als Pfarrer für Harkau zu ernennen.
 
Jedoch der Bischof konnte ihnen ihren Wunsch nicht erfüllen, da Ernst Petz noch "minderjährig" war. Er sollte darum bis 1. Januar 1863 eine Kaplan- (Viktar-) Zeit absolvieren, u. zw. acht Monate bei seinem Bruder in Mezöbereny und acht Monate beim Bischof in Preßburg. Während dieser Zeit versah der Ödenburger Pfarrer und Prof. des Gymnasiums Petrik in Vertretung die Harkauer Pfarrei. Er hielt sämtliche Predigten, Taufen, Copulationen und Beerdigungen "den Harkauern und Ernst Petz zu liebe". Allerdings konnten sich die Harkauer "trotz Schikanen" durchsetzen. Sie bekamen endlich ihren begehrten Pfarrer schon nach viermonatiger Vikarszeit in Preßburg. (Vielleicht aber auch weil er die Tochter des Preßburger Bischofs Geduly I heiratete!?). Petz wurde am 12. Oktober 1862 ordiniert und in Anwesenheit mehrerer Pfarrer in Harkau eingeführt. Pfarrer Ernst Petz war ein sehr tüchtiger Pfarrer. Es hatte sich für die Harkauer gelohnt, über ein Jahr auf ihn zu warten. Gleich im ersten Jahr seines Wirkens in Harkau gründete er 1862 den Harkauer Männergesangsverein "Concordia", dessen erster Vorsitzender, Präses er auch war. Ebenso gründete er den ersten Harkauer Leseverein. Von ihm entdeckten wir ein Bild in der Kirche. In Harkau wurde auch sein Sohn Gideon (und seine Tochter) getauft. (Siehe Harkauer Persönlichkeiten!) Leider starb Ernst Petz viel zu früh, am 12. November 1866, 28 Jahre alt Sein Grabstein steht heute noch auf dem Harkauer Friedhof.
 
Zum Nachfolger von Ernst Petz wurde Heinrich Renner gewählt Sein Vater war Pfarrer in Prinkafeld. Vorher war er "Kaplan" (=Vikar) in Ödenburg. Seine Frau, Amalie, geh. Töppler, eine reiche Bürgerstochter, Schwester des langjährigen Ödenburger Bürgermeisters, war die Stifterin der Concordia-Fahne und die erste "Fahnen-Mutter" des Vereins. Pfarrer Renner war ein sehr guter Redner. Auch er wurde -laut Michael Reitters Chronik - am 29. November 1880 zum Senior/Dekan des Ober-Ödenburger Kirchenbezirks ernannt. Laut einer Aufzeichnung aus dem Jahre 1880 gehörten folgende Kirchengemeinden zu diesem Seniorrat (in Klammem die Zahl der evang. Gemeindeglieder): Agendorf (1201), Wandorf (1113), Loipersbach (558), Brennburg (19), Stoob (847), Kobersdorf (mit Weppersdorf als Filiale 1763), Lutzmannsburg (850), Mörbisch (848), Pöttelsdorf(731), Harkau (1036), Wolfs (611). Pfarrer Renner war sogar Landtagsabgeordneter im ungarischen Parlament, wahrscheinlich bei der "Liberalen Partei". Leider konnte ich nicht feststellen, in welchen Jahren er Abgeordneter war. Auf seine Initiative wurde 1896 - unnötigerweise - das "Milleneumsdenkmal" aufgestellt, das heute noch auf einem Platz zwischen den beiden Kirchen steht Er starb am 15. Juli 1902 als Pensionär in Ödenburg, nachdem er 35 Jahre als Pfarrer in Harkau gewirkt hatte.
 
Nach Pfarrer Renners Pensionierung im Jahre 1902 wurde Paul Geistlinger; gebürtig aus Kaltenstein/Heideboden, zum Harkauer Pfarrer gewählt Die geistige Erneuerung der Gemeinde lag ihm sehr am Herzen. Diese Erneuerung versuchte er besonders über die Mütter zu erreichen. Darum gründete er den "Harkauer Frauen- und Jungfrauen-Verein", der bis zur Vertreibung bestand, aber leider in den letzten Jahrzehnten nicht besonders aktiv war. (Siehe Vereine!) Pfarrer Geistlinger verließ Harkau im Jahre 1912, nach 10-jähriger tatkräftiger und treuer Arbeit, "im Weinberg des Herrn" und wurde in Oberwart, später in Rechnitz (Burgenland) Pfarrer.
 
Zu seinem Nachfolger wählten die Harkauer Michael Ferdinand Bothar; er stammte von Ödenburg, wo sein Vater Professor am Evang. Gymnasium war. Nach seinem Theologie-Studium in Ödenburg studierte er auch einige Semester an deutschen Universitäten in Rostock oder Greifswald, woher auch seine Frau stammte. Auch er war ein sehr treuer Seelsorger und "teilte in der schlechten Zeit des Krieges seine letzte Zigarette" mit seinen Bauern, wie mir Michael Wilfing dies wiederholt erzählte. Da er sich nach dem Ersten Weltkrieg besonders für den Anschluß Ödenburgs und Umgebung an Österreich einsetzte, wurde er von den ungarischen Freischärlern, "Hejas Banda" verfolgt, ja von ihr in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Nachdem er gewarnt worden war, konnte er sich vor seinen Verfolgern verstecken und anschließend nach Österreich flüchten. Nachdem Harkau nach der Volksabstimmung bei Ungarn blieb, mußte er seine Harkauer Pfarrei anfangs des Jahres 1922 verlassen. In Stadt Schlaining, Burgenland war er dann bis zu seiner Pensionierung Pfarrer.
 
Pfarrer Robert Danielisz kam im April 1922 als Nachfolger von Pfarrer Bothar nach Harkau. Er ist 1894 in Großschlagendorf, in der Zips, am Fuße der Hohen Tatra geboren. Sein Studium absolvierte er in Eperjes und an der Theologie in Budapest. Seine erste Pfarrstelle war in Kobersdorf. Da er nach der Abtrennung des Burgenlandes lieber bei Ungarn bleiben wollte, bewarb er sich um die frei gewordene Harkauer Stelle. 1927 verheiratete er sich mit Eta, geb. Bartholdy, die auch aus der Zips stammte. Trotzdem Pfarrer Danielisz - wie er mir oft erzählte - 1946 nicht ausgewiesen wurde, er hätte also in Ungarn bleiben können, nahm er das schwere Los der Heimatlosigkeit auf sich und ging mit seiner vertriebenen Harkauer Gemeinde in den Westen. In der Bundesrepublik bewarb er sich nicht mehr um eine Pfarrstelle, sondern wirkte bis zu seiner Pensionierung als Klinikpfarrer in Marburg. Außerdem hielt er über 20 Jahre lang jährlich je einen Gottesdienst für seine ehemaligen Harkauer Gemeindeglieder in der Zerstreuung, und zwar in Wetter, meist am "Kirchweihsonntag" und in Sinsheim. Nach dem Tode von Pfarrer Schermann hielt er auch für die ausgewiesenen und zerstreuten Wolfser Landsleute jährlich einen Gottesdienst in Uffenheim/Bayern. Der Höhepunkt und Abschluß seines Wirkens in der neuen Heimat ist sicher in dem großen, feierlichen Gottesdienst zu sehen, den er mit seiner aus nah und fern zusammengeströmten Harkauer Gemeinde am 13. August 1972, am "Kirchweihsonntag" in der Kirche zu Wetter gehalten hat. In diesem Gottesdienst - der von Charlotte Kammer auf Tonband aufgenommen wurde - wurde ein dreifaches Jubiläum der Harkauer gefeiert: Das 185-jährige Gedenken der Erbauung der Heimatkirche, das 110-jährige Bestehen des Harkauer Männergesangvereins "Concordia" und das 50-jährige Wirken Pfarrer Oanielisz in Harkau (von 1922-46) und für die Harkauer "in der Zerstreuung" (1946-72). Es war auch das letzte Mitwirken der Concordia in einem Gottesdienst. Pfarrer Danie1isz hielt danach keinen Gottesdienst mehr für seine zerstreuten Pfarrkinder. Er starb am 22. Oktober 1972 in Marburg.

In der Bundesrepublik halten die Harkauer auch weiterhin an ihrem evang. Glauben, an den Glauben der Väter fest. Wie mir bekannt, verließen nur drei Harkauer wegen ihrer andersgläubigen Ehefrauen den Glauben ihrer Väter, einige traten zu Sekten über. Alle anderen Landsleute halten und hielten sich an das, was sie bei der Konfirmation auf die Frage 159 gelernt haben: "Wie sollen wir uns gegen Andersgläubige, wie gegen unsere eigene Kirche verhalten? Antwort: In Liebe und Duldung gegen Andersgläubige sollen wir, wie unsere frommen Voreltern, festhalten an der lautem evangelischen Lehre, an der Glaubens- und Gewissensfreiheit und an der Liebe und Treue zu unserer Kirche?' Auch wollen wir noch den Vers von J. Diez beherzigen, den wir ebenfalls bei der Konfirmation gelernt haben."
 
"Halte, was du hast! Halte treu an Gotteswort, Das Seelen selig macht; Ist's doch im Weltgetrieb' ein sichrer Hort, Ein Licht in dunkler Nacht Das Wort, für das die Väter litten, Das Erbe, das sie dir erstritten - ... " Halte, was du hast!
  Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)