Die türkischen Heere unter Kara Mustapha zogen auch diesmal wieder zwischen Donau und Neusiedler See nach Westen und belagerten die Kaiserstadt Wien. Ödenburg und Harkau lagen zwar nicht an der großen Heerstraße, aber von durchziehenden Truppenteilen und plündernden Haufen hatten sie auch noch genug zu leiden. Ödenburg hatte dem Grafen Thököly, dem Führer der ungarischen. Aufständischen huldigen müssen. Am 12. Juli des Jahres 1683 hißte die Stadt die weiße Fahne und am 16. Juli mußte sie schon Thököly "aufschwören". Dadurch wurde die Stadt selbst vor Plünderung und Zerstörung bewahrt, denn sie erhielt auch "Kurutzen" als Besatzung.
Aber schon am 22. Juli erhielt Ödenburg aus dem Lager vor Wien - vom Verbündeten Thökölys - den Befehl, mit 50 sechspannigen Ochsenfuhren Mehl und Schmalz in das Lager zur Verpflegung der Belagerer zu schicken. Die gesammelten 450 Metzen an Mehl und außerdem noch sehr viel Schmalz, später auch noch Heu und von jeder Familie ein Paar Hendel, mußten die Untertanen der Stadtdörfer mit ihren Ochsengespannen ins türkische Lager bringen. Ob und wie viele mit ihren Ochsengespannen wieder in ihre Dörfer zurückkehren konnten, geht aus den Chroniken nicht hervor. Zur Versorgung des großen Belagerungsheeres kamen auch Kamelkarawanen nach Ödenburg und kauften alle Lebensmittel auf, was wieder zu einer großen Teuerung und Lebensmittelknappheit führte. Nachdem die vor dem Potschi-Tor Ödenburgs kampierenden Kurutzen und Türken auf den Gütern Eszterhazys nichts mehr zum Plündern vorfanden, fielen sie auch über die Dörfer her. Nicht nur Kroisbach, das Eigentum des Raaber Bischofs war, der sich aber samt dem Klerus und den Jesuiten schon in die Steiermark geflüchtet hatte, sondern auch Agendorf, Loipersbach und ein Großteil von Wandorf wurde geplündert und eingeäschert. Hanns Tschany, ein Ödenburger Bürger, schreibt darüber in seiner Chronik (nach heutiger Rechtschreibung!): "Obwohl unseren Dörfern anbefohlen wurde, sie sollen vor den Herren Kommissaren des Herrn Thököly die weiße Fahne ausstecken, hat solches nichts geholfen, sondern sind von den Tartaren (?) verbrannt worden..." Vor diesen Plünderungen hatten natürlich auch die Harkauer versucht, ihre wenigen "Habseligkeiten" zu retten. So wurden sicher mehrere "Krutzen-Keller" angelegt, in dem sie ihre Habe verstecken konnten. Ich selbst habe noch als Kind einen solchen "Krutzen-Keller" kurz geöffnet in der Hofeinfahrt der Familien Reitter (Westl.)-Prückler-Pahr gesehen. Im Lößlehm war eine etwa 1,5 m tiefe Grube gegraben, unten war sie etwas breiter, vielleicht 80 x 80 cm, oben etwas enger. Die Grube war mit einer sehr großen, etwa 10 cm dicken Steinplatte abgedeckt. Auf dieser war Schotter geschüttet, wie in der ganzen Einfahrt. Die Wagen fuhren darüber und kein Mensch konnte vermuten, daß darunter die wenigen "Habseligkeiten" einiger Familien versteckt waren. Allerdings Menschen konnten sich darin nicht verstecken. Wahrscheinlich gab es mehrere solcher "Krutzen-Keller" in Harkau. (Ob sie auch im 2. Weltkrieg noch ihre Verwendung fanden?). Tschany schreibt in seiner Chronik (S. 78)"... Undt haben so Vil Weyn ins Lager der Ungarngeflihrt, dass sye Täglich seyn bliz Voll gewest und haben die Türcken das weyn Trüncken (= Weintrinken) auch schon gelernt, welche sich doch sonst der nichternheit (= Nüchternheit) sehr befleissen Tun, alsso dass Zwischen Ungarn und Türcken, in weyn bald nichts Guets were geschehen...?"
 
In ihrem wahrscheinlich sehr oft betrunkenen Zustand raubten und plünderten die Ungarn, "Türcken und Tarthern" (Tartaren) nicht nur in den Dörfern, sondern sie gingen noch brutaler vor. Dazu schreibt Dr. Ban: "... In den Dörfern wurde der größte Teil der Männer ermordet oder verschleppt..., die Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, und die Kinder zusammengefangen und nach Konstantinopel verschleppt... ?" Und Matth. Lang schreibt in seinem Buch (S. 40): sei dem Fluch: Krutzi Türken (Kurutzen und Türken) denkt heute niemand mehr daran, daß dieses Doppelwort einstmals gleichbedeutend war mit "Tod und Teufel".
 
Es war für die im größten Elend schmachtenden Bevölkerung eine große Erleichterung, als sie die Nachricht vernahm, daß das türkische Heer am 12. September vor Wien geschlagen, die Belagerung aufgehoben wurde, und das flüchtende Heer nach Osten strömte. Inwieweit Harkau auch noch durch diese "flüchtenden Horden" zu leiden hatte, ist uns nicht bekannt. M. Lang schreibt (S. 39): "Nach der Niederlage der Türken vor Wien zog ein Kurutzenführer mit 1000 Mann, von Schützen a. G. kommend, auch durch Mörbisch; sie durften das Zerstörungswerk vollendet haben. Damals ging auch die Kirche - wieder einmal - in Flammen auf. Nach dem Abzug der Türken und Kurutzen folgten bis über die Jahrhundertwende hinaus kaiserliche Einquartierungen, die nicht minder drückend waren. Dazu kamen die schier unerträglichen Steuerlasten - "sogar für den Misthaufen im Hof und das werdende Kind im Mutterleibe wurden Steuern erhoben - immer wiederkehrende Heuschreckeneinfalle, verbunden mit Dürrezeiten" brachten die Bewohner an den Bettelstab. "Nach den zeitgenössischen Berichten und Chroniken kann man nicht beurteilen, wovor die Menschen mehr Angst hatten, vor den Einquartierungen oder vor den Heuschrecken. War eine Einquartierung vorüber, so waren Kisten und Kasten leer, flogen die Heuschrecken weiter, dann war die Ernte vernichtet", schreibt Michael Lang über Mörbisch.
 
Eine Geschichte über den Kampf gegen die Türken und seine Folgen für einen Harkauer sei hier noch berichtet, die Dr. Hiizi in der Tageszeitung "Kisalföld" am 28. September 1983 unter der Überschrift (ung.) veröffentlichte: "Als der Türke Wien belagerte: ... wie sehr die Ödenburger Bürgerschaft den Türken als gemeinsamen Feind betrachtete, darüber will ich eine kleine Episode erzählen. Am 28. Februar 1685 bat der Kaufmann Johann Thoma um seine Aufnahme in den Bürgerstand der Stadt Ödenburg. Aus der Eingabe erfahren wir, daß er ein Sohn eines Harkauer Untertanen war und im Jahre 1683 als Kaufmannsgehilfe in Wien diente. Bei der Verteidigung Wiens habe er sich auf den Bastionen der Stadt so tapfer geschlagen, daß die Nachricht seiner Heldentaten sogar bis nach Ödenburg drang, worauf natürlich die Ratsherren der Stadt sehr stolz waren. Als Joh. Thoma nun (1685) den Antrag auf Aufnahme in den Bürgerstand der Stadt Ödenburg stellte, erließ ihm der Rat der Stadt nicht nur die (hohen) Kosten für die Befreeiung von seinen Untertanenpflichten, sondern auch die 6 Taler Aufnahmegebühren, sowie die 4 Taler Ampergeld und die 15 Taler außerordentlichen Beitrag; das alles als Anerkennung seines mustergültigen, tapferen Einsatzes bei der Verteidigung Wiens. Da dies (die Erlassung der Befreiungs- und Aufnahmegebühren!) in Ödenburg so selten war, ist diese Geschichte bes. erwähnenswert".
 
Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)