Wenn man in Harkau auf der "Anhöhe" des Dorfes steht und nach Südwesten schaut, sieht man in der Ferne einen Dreierhügel. Sie erinnern mich immer an die grünen Dreierhügel im ung. Wappen. Es sind dies die Berge von Landsee. Auf dem einen Hügel steht eine alte Burgruine. Nun sollte ausgerechnet von den Bewohnern dieser Burg, besser in deren Auftrag, anfangs des 16. Jahrhunderts Raubzüge ausgeführt werden, die für die Dörfer der Stadt Ödenburg, ganz besonders aber für Harkau, verheerende Folgen hatten.

Eigentümer der Burg von Landsee, Kobersdorf und mehreren anderen Orte dieser Gegend um 1500 war die Familie Weispriach. Nach dem Tode Ulrichs von Weispriach, ab 1507, fuhrte seine Witwe Gertraud das Regiment für ihre noch unmündigen Kinder. Sie scheint eine sehr resolute, eigenwillige Gräfin gewesen zu sein. Jedenfalls hatte sie Streit und Händelei mit dem Obergespann des Komitats Ödenburg, Gierig Thärniko, der ab 1511 auch Stadthauptmann der Stadt Ödenburg war. Bei der Verpfändung der westlichen Landesteile an Kaiser Maximilian war Landsee bei Ungarn geblieben, was die Situation noch komplizierter machte, da jede Partei nur die Anordnungen des Kaisers oder des Königs für sich gelten ließ, die ihr Vorteile verschafften. Als Thärniko und Weispriach im Streit gerieten, wollten sich die Bürger der Stadt bewußt aus den Händeleien heraushalten. Diese ihre neutrale Haltung trugen sie auch dem ung. König vor, der der Stadt auch zur Neutralität riet. Jedoch die Überfälle des von Weispriach gedrungenem Gesindel auf die Ödenburger Händler mehrten sich. So gestand der im Dienste der Weispriach gestandene und später gefangene Franz Magusch unter anderem, daß er dem Ödenburger Bürger Lienhard "bei Harka überfallen, ihn um 4 Pferde, einen Wagen und um eine Ladung Tuch im Werte von 700 Gulden beraubt habe". Dadurch schlitterte auch die Stadt in die Fehde der beiden hinein. Allein über 30 Urkunden sind aus der Zeit von 1511 bis 1528 im Ödenburger Archiv über die Auseinandersetzungen der beiden vorhanden. Da wurden dem König über geschlossene und nicht eingehaltene Friedensverträge geklagt, so ergingen z. B. königliche und kaiserliche Befehle, Ermahnungen, die entweder nicht anerkannt oder nicht befolgt wurden. Dieses Verhalten der Magnaten zeigt am treffendsten, wie tief das Ansehen des ung. Königs Wladislaw (UlaszI6) gesunken war und daß er nur ein Spielball in den Händen des Hochadels war, wie übrigens auch sein Sohn Ludwig 11., der 1526 bei Mohács in der Schlacht gegen die Türken fiel. Bei dem "Verhör mit und ohne Pein" gestand der bereits erwähnte Franz Magusch, er wäre dabeigewesen und (mit vielen anderen) habe er: "... Zu Hargha das Vieh genommen... Hargha verprennt. ... und abermals zu Hargha das Vieh genommen. . . und Hargka verprennt..." Um 1520 sollte nach vergeblich versuchten Friedensstiftungen eine Kommission in Wiener-Neuestadt, dann in Wien, anschließend in Eisenstadt, zuletzt eine neue unabhängige Kommission in Ödenburg den Ausgleich zwischen den streitenden Parteien herbeiführen. Für diese Kommission stellten beide Parteien eine Klageschrift auf. Da beide Klageschriften im Archiv der Stadt Ödenburg noch aufbewahrt werden, kann und will ich einige - uns Harkauer besonders interessierende - Punkte aus dieser Klagschrift bringen: "Clagartikel contra die von Weisbriach" (= Klageschrift gegen die von Weispriach), darin heißt es u. a. (zum besseren Verständnis nach heutiger Schreibweise!) "... Zum siebenten hat uns die von Weispriach bei Nacht die Vorstadt angezündet. Hätten wir nicht rechtzeitig gelöscht, wäre vielleicht die ganze Vorstadt abgebrannt. Dieses alles (Punkt 1-7) hat sie uns angetan, bevor wir uns mit Gernigk Therniko eingelassen haben... Zum 8. hat sie uns das halbe Dorf mit Namen Hargka bei Nacht abgebrannt und geplündert. Dieselbe Nacht ein anderes Dorf, Agendorf, vom Grund auf verbrannt, so daß Männer und Frauen darin verbrannten... Zum 10. hat sie uns in Hargka die übriggebliebene Hälfte des Dorfes verbrannt und den armen Leuten ihr Vieh und all ihre Güter genommen, sogar Feuer in die Kirche geworfen. Auch das ist bei Nacht geschehen... Dieselben Grausamkeiten wurden auch in den anderen Stadtdörfern verübt, in Kolnhof, Wandorf, Mörbisch und Klingenbach. Natürlich war Harkau von Landsee aus gesehen das nächste Stadtdorf, es lag sozusagen "auf dem Weg" nach Ödenburg und wurde darum ganz eingeäschert und ihre Untertanen, Bewohner total ausgeraubt. Für die ihnen, bzw. ihren Untertanen, angerichteten Schaden verlangte die Stadt laut Klageschrift - von der Weispriach 15000 Gulden Schadenersatz. Aber auch die Herrin von Landsee und Kobersdorf, Gertrud von Weispriach, beklagte sich in einer "Clagschrift" bei der 1524 in Ödenburg zusammentretenden unabhängigen Kommission, daß nämlich der ehemalige Obergespan des Komitats Ödenburg und Stadthauptmann Gierig Thärniko (ein Tscheche!) sie auf dem Weg von Wiener-Neuenstadt nach Wien gefangengenommen habe, und sie, ihren Sohn Ulrich und zwei ihrer Töchter jahrelang im Gefängnis schmachten ließ. Weil aber die Ödenburger auf der Seite von Thärniko, ihren Stadthauptmann stünden, hat sie sich - wie in ihrem Schreiben an die Stadt vorher angekündigt - an den Untertanen der Stadt gerächt. Von den Kindern des inzwischen verstorbenen Gierig Thärniko verlangt sie 20000 Gulden Schadensersatz für sich und ihre Nachkommen. Zwar teilt der ung. König schon am 12. Dezember 1512 für die durch von Weispriach angerichteten Schaden den Bürgern der Stadt 4 Jahre Befreiung von allen außergewöhnlichen Steuern, und den Untertanen in den Stadtdörfern gewährt er sogar 10 Jahre allgemeine Steuerfreiheit. Aber der Aufbau der Häuser, die Beschaffung des Viehs, der Güter (Einrichtung, Werkzeuge usw.) hat den "armen Leuten in den Dörfern" sicher die größte Kraftanstrengung abverlangt. Unsere Vorfahren gingen mit neuem Mut an die Arbeit und schafften sich wieder für sich und ihre Nachkommen ein Zuhause. Über den Ausgang, über den Richterspruch der unabhängigen Kommission, die am 2. Febr. 1524 in Ödenburg zusammentrat, auch um die Grenzzwistigkeiten zwischen Ungarn u. Österreich aus der Welt zu schaffen, habe ich keine Urkunde finden können. Vermutlich wurden die von der Stadt verlangten 15000 Gulden dieser nicht zugesprochen. Ob und wieviel die "armen Untertanen" in Harkau als Entschädigung für ihr erlittenes Unrecht, Plünderung und Vernichtung ihrer Habe erhalten haben, fand ich keinerlei Aufzeichnungen. Es wird auch damals so gewesen sein, wie es in der Geschichte immer war, die Großen bekriegen sich, und die schuldlosen Kleinen zahlen dafür die Zeche!
Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)