Am 3. September 2006 wurde in unserer Heimatstadt Ödenburg in der evangelischen Kirche die "Heldenglocke" von neuem eingeweiht. Nachdem die Halterungsscheibe, an der die Glocke aufgehängt ist, einen Riss bekommen hatte, musste man befürchten, dass die schwere Glocke von ihrem Gerüst, vom Glockenstuhl, stürzen könnte.
Sie wurde abmontiert und in einer Glockengießer-Firma in Nördlingen/Bayern repariert. Nach der Reparatur wurde sie wieder nach Ödenburg gebracht, dort auf den Kirchturm hochgezogen und am 3. September vom ketzigen Bischof Itzés neu geweiht.
 
Die evangelische Kirche in Ödenburg wurde 1784 geweiht. Der wuchtige Turm durfte aber erst nach 1862 gebaut werden. Die ersten vier Glocken wurden von der Ödenburger Glockengießerei Seltenhofer gegossen. Im ersten Weltkrieg mussten von den vier Glocken die zwei größten und die kleinste für Kriegszwecke abgegeben werden. Auch sätmliche Zinnpfeifen der Orgel wurden für Kriegszwecke requiriert. Nach dem Krieg sollten wieder neue Glocken angeschafft werden. Leider wurde durch Revolution, Kommunismus, Geldentwertung und shlechte Wirtschaftslage eine Anschaffung stark verzögert.
 
Auf Initiative der Großkaufmannsfamilie Gustav Forster und seiner Gattin, geb. Frühwirt, wurde als Ersatz der kleinen Glocke aus eigenen Mitteln bei der Firma Seltenhofer eine Glocke bestellt, die am Palmsonntag 1922 von der Familie Forster der Kirche "als Ostergeschenk" übergeben wurde. Es fehlten jedoch noch zwei große Glocken! Endlich beschloss die Kirchengemeinde, wieder zwei große Glocken bei der Firma Seltenhofer gießen zu lassen. Auf der größeren sollten die Namen aller im Kriege gefallenen Gemeindeglieder verewigt werden. Deshalb sollte sie "Heldenglocke" heißen. Die zweite Glocke sollte "Friedensglocke" genannt werden, als Zeichen dafür, dass alle sich den Frieden wünschten.
 
Die beiden Glocken wurden im Mai/Juni 1926 von der Firma Seltenhofer gegossen. Am 22. Juli wurden sie mit feierlichem Zeremoniell zur Kirche überführt. L. Ziemann schreibt hierüber: "vor die Heldenglocke wurden drei Paar, vor die Friedensglocke zwei Paar Füchse (rötliche Pferde) gespannt. Die Gespanne stellten Ferdinand Hauer, Karl Zeberer, Paul Zethner, Michael Göschl jun. und Ludwig Neuwald. Neben jedem Pferd schritt je ein Wirtschaftsbürgerbursche, alle in ihrer malerischen Tracht. Als Pferdelenker waren Paul Kheim und Ferdinand Göschl beschäftigt.
 
Neben den Glocken gingen an die 150 weiß gekleidete Mädchen einher, in ihren Händen schneeweiße Glockenschleifen tragend. Unter Glockengeläute (der zwei kleinen Glocken vom Kirchturm) führte man die Glocken durch die Silbergasse über die Grabenrunde, durch die Theatergasse auf den Széchenyiplatz und von da durch die Kirchgasse vor das Gotteshaus. Hier erwartete das Präsidium, Geistliche und Weltliche und unzählige Gemeindeglieder die Neuangekommen, die mit feierlichem Orgelspiel, Gemeindegesang und einigen schlichten Worten eines Pfarrers begrüßt wurden". Am 19. September 1926 wurden die beiden neuen Glocken von Bisch Dr. Kapi geweiht.
 
Die jetzt renovierte und neu geweihte „Heldenglocke“ ist die größte Glocke in Ödenburg. In ganz Ungarn gibt es nur drei Glocken, die größer und schwerer sind: in Szeged, in Esztergom und in Budapest je eine. Die Heldenglocke hat einen Durchmesser von 181,5 cm und ein Gewicht von 3.441 kg. Auf der Glocke wurde schon beim Guss, gleich unter der Kunstleiste, in lateinischen Großbuchstaben in Reliefform folgende Inschrift angebracht:
 
HELDENGLOCKE-VIVOS-VOCO-MORTUOS-PLANGO-HÖSÖK_HARANGJA-1914-1918
 
(Heldenglocke – die Lebenden rufe ich – die Toten beklage ich – Glocke der Helden – 1914-1918…)
 
Auf der anderen Seite steht in gleichen Buchstaben in ungarischer Sprache: „Erstellt in der Glockengießerei Friedrich Seltenhofer und Söhne, Ödenburg 1926, Nr. 5000“. Auf der Wand des Glockenmantels sind rundum in derselben Schrift die Namen der damals bekannten (218) Gefallenen der Kirchengemeinde verewigt. Die Glocke ist gleichzeitig auch Jubiläumsglocke der Firma Seltenhofer, denn sie trägt die Gussnummer 5000, die Friedensglocke die Gussnummer 5001.
 
Der Riss an der Halterungskrone (nicht an der Glocke selbst) wurde schon vor über 15 Jahren als Haarriss festgestellt, als die Heilbronner Glockengießerei Bachert zusammen mit unserem zwischenzeitlich verstorbenen Landsmann Fritz Kindler das Geläute überprüfte. Ernö Gálos stellte als Mitglied des Konvents in diesem Frühjahr (adT: 2006) fest, dass der Riss sich vergrößert hatte. Um ein Unglück zu vermeiden, wurde das Läuten dieser Glocke eingestellt.
 
Nun musste ein Fachbetrieb gesucht werden, der den Schaden beheben konnte. Diesen Betrieb fand man in Nördlingen, und so musste man die Glocke dort hinbringen, damit die Halterungskrone (Aufhängevorrichtung) neu gegossen werden konnte. Die Glocke selbst musste nicht neu gegossen werden. Ein Neuguss mit den vielen Aufschriften wäre wohl nicht bezahlbar gewesen.
 
Am 28. Juni diesen Jahres (adT: 2006) kam die nun reparierte, nun wieder vollständige Glocke zurück nach Ödenburg, wo sie im Vorraum der Kirche aufgestellt war und besichtigt werden konnte, bevor sie an ihren alten Platz im Turm zurückkehrte.
 
Unterstützung erfuhr die evangelische Kirchengemeinde bei dieser Reparatur nicht nur durch die Spendenaktion des Kulturvereins für Ödenburg und Umgebung e. V., sondern es haben Landsleute bei ihrem Besuch in Ödenburg auch direkt an die Kirche gespendet.
 
Die evangelische Kirchengemeinde ist froh und dankbar, dass der schöne tiefe Ton der Heldenglocke weiterhin in Ödenburg zu hören ist und somit den Grundton des harmonischen Geläutes unserer Heimatstadt bereichert. Auch wir freuen uns, wenn wir bei unseren Besuchen in der alten Heimat diesen Ton unserer Heldenglocke an Sonn- und Feiertage wieder hören können.
 
Quelle: Ödenburger Rundbrief
Dezember 2006
von Andreas Schindler