Zwei Monate vor ihrem 71. Geburtstag (*3.12.1857) ist in Ödenburg die berühmte Malerin und Dichterin Hedwig Mechle-Grosmann gestorben.

Von ihr besitzt das Ödenburger Heimatmuseum in Bad Wimpfen nicht nur ein großes Originalbild, sondern auch eine ausführliche biographische Niederschrift ihrer Tochter, Vilma Mechle. Derzufolge war es der Montag, 1. Oktober 1928, als um 11 Uhr Vormittag diese edle, natürlich gebliebene Künstlerin ihre Seele dem Schöpfer zurückgabe, der es ihr einst in Görlitz in Schlesien einhauchte. "Das goldene Herz hat aufgehört zu schlagen....", so kann man es nachlesen - ....und die goldene Hand, die unermüdlich geschaffen, der Menschheit so viel Schönes gegeben hat, ruht.
Der Name Mechle ist jedem Ödenburger ein Begriff; repräsentierte doch eine tradtionsreiche Handwerkerfamilie, deren Steinmetzgewerbe Generationen hindurch vom Vater auf den Sohn überging.
Bei Studenten der evangelischen Lehrerbildungsanstalt (Seminar) am westlichen Ende des Deák-Platzes war der Spitzname "Tata" stets ein Begriff. Es war dies Professor Josef Mechle, seines Berufes nach Kunstlehrer für Graphik und Bildgestaltung, Sohn der hier beschriebenen Malerin Mechle-Grosmann. Auch im gesamten Stadtbild war der Professor ein Unikum, denn er ging stets in Pfadfinderuniform. Von seiner Mutter erbte er die künstlerische Ader, die er auch seinen Schülern beibrachte.
Hedwig Grosmanns Eltern, Julius und Wilhelmine, geb. Otto, hatten selbst viel Talent zur Malerei, so daß im Elternhaus diese Muse sehr gepflegt wurde. Unter den zwölf Kindern war kaum eines, welches nciht gezeichnet oder gemalt hätte. Als jüngstes der Geschwister entwickelte sich in Hedwig schon sehr bald die künstlerische Begabung zu einer talentierten Malerin. Berachtet man ihre Zeichnungen aus der Kinderzeit, so müsste man glauben, dass diese von einer geschulten Person stammen. Auf Drängen des Hausarztes hatte sich ihre Mutter entschlossen, Tochter Hedwig ausbilden zu lassen. Es wurden einige Studien in Öl und Kreide an den Direktor der Akademie der Bildenden Künste nach Berlin geschickt, von wo sehr bald die Beurteilung kam: sie hätte bereits die notwendige Vorbildung, und könnte daher sofort antreten.
So kam Hedwig Grosmann mit 17 Jahren nach Berlin, wo sie unter Professor Carl Gussow weiter gebildet und geschult wurde. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris, wo sie als eine Deutsche und ohne Protektion mit einem Bild an der Frühjahrsausstellung im "Salon" beteiligt war, kehrte die inzwischen 22jährige Künstlerin 1880 nach Breslau zurück. Nach dem Tod ihrer Mutter besuchte sie mehrere deutsche Großstädte, in denen sie ebenfalls Erfolg erntete. In Berlin, das sie als ständigen Wohnsitz auserwählte, arbetete sie meist an Genrebildern, u. a. entstand da auch das bekannte Werk "Der Schullmeister", das unter dem Titel "Falusi énerkóra" (dörfliche Singstunde) auf der Millenium-Ausstellung 1896 in Budapest zu sehen war.
Bald nach ihrer Niederlassung in Berlin hatte sie den Gutsbesitzer Josef Mechle aus Ungarn kennengelernt, mit dem sie am 3. Juni 1885 die Ehe schloß und zunächst auf das Gut nach Nemeskér, unweit von Ödenburg, und später in die westungarische Grenzstadt selbst, umsiedelte. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, die für zehn Jahre ihre volle Hingabe erforderten. Da stagnierte die geliebte Malkunst.
In Ödenburg, wo die Künstlerin in der Kossuth-Straße 14 ihr Atelier hatte, verkehrten viele prominente Persönlichkeiten des Adels und des Stadtlebens. Das Ölgemälde über die Gattin des bekannten Rechtsanwalts Dr. Márton Szlivássy, welches gelegentlich auf einer Ausstellung 1908 in Ödenburg gezeigt wurde, beeindruckte  den jungen Kunstsammler Franz Storno jr. derart, dass er in einem Brief an den Ehemann wie folgt schrieb: "noch unter dem Eindruck des schönen Bildes porträtierten gnädige Frau Gemahlin von der hohen Künstlerin, Mechle-Grosmann, muss ich dich versichern, dass ich überrascht war von dieser vorzüglichen Kunstleistung. Es ist eine Perle der jetzigen Ausstellung, würde auch Aufsehen in jeder Großststadt-Ausstellung erlangen....."
Mechle-Grosmann war nicht nur eine berühmte Malerin, sie verfasste auch zwei Bilderbücher mit eigenen Zeichnungen und Texten für Kinder. Ihre poetischen Werke sprachen die Leute an und hinterließen bei jedem innige Seligkeit. Sie selbst hatte in den Aufzeichnungen ihres Lebenslaufes dieses Begabung so formuliert: "als ich geboren wurde, nahmen zwei Genien von meiner Seele Besitz. Der eine, Genius der Malerei, der andere, der Genius der Dichterkunst......und nie haben mich diese guten kleinen Engel verlassen....."
Eugen Schusteritsch, 1991
Quelle: Ödenburger Rundbrief