Ab 1565 wurde Ödenburg eine entschieden evangelische Stadt. Dies war vor allem einer Person zu verdanken: Simon Gerengel, dem Reformator Ödenburgs. 1565 hielt er sich in Ödenburg auf. Er besuchte seine Verwandten, denn er war seit seiner Aspanger Zeit mit einer Ödenburgerin verheiratet. Er hielt eine Probepredigt in St. Michael, die offenbar „voll einschlug“. Gerengel wirkte nur sechs Jahre lang in Ödenburg. Er starb 1571.Diese Zeit reichte, um aus den Bürgern der Stadt entschiedene Anhänger der Reformation zu machen. Der Boden dafür war freilich, wie die Studenten aus Ödenburg in Wittenberg beweisen, schon längst aufbereitet. Gerengel hatte mit seinen schriftlichen Werken auch für die Zukunft vorgesorgt.

Er verfasste einen Katechismus, der 1569 gedruckt wurde, eine Kinderlehre oder Summa, die auch ins Ungarische übersetzt wurde und eine Kirchenordnung (Agenda, Formularbuch öffentliche Gebeth und Ceremonien....). Die Kirchenordnung wurde zwar nicht gedruckt, war aber bis 1828 in Verwendung. Nach seinem Tod wurden auch 1582 seine Kirchenlieder und Psalmen gedruckt.

Interessant ist die Reaktion der katholischen Kirche auf diese Entwicklung. Das Wirken Gerengels fällt noch zum Teil in die Zeit Fochters, der offenbar keinen Anstoß an der immer deutlicher protestantischen Ausrichtung der Stadt nahm. Auch die Raaber Bischöfe, zunächst Zacharias Delphini und dann Johann Liszty (1572–78) leisteten keinen Widerstand. Liszty ließ ja sogar seine Söhne protestantisch erziehen. In dieser Zeit der ersten Hochblüte des Protestantismus wurde in vier Kirchen Ödenburgs evangelisch gepredigt: in der Michaeler-Kirche, in der Heilig Geist-Kirche, in der Elisabeth- und in der Georgskirche.

1571 bekam Gerengel mit Magister Jonas Petrus Musaeus (Fleiszmann) einen nicht weniger eindeutig lutherischen Nachfolger. Musaeus stammt aus Nürnberg. Die Ödenburger Chronik des Marx Faut und Melchior Klein nennt ihn einen "Herrlichen Theologus, orator, Poeta et Musicus". Er habe „acutissime et acerrime wider das papstumb gestritten vnd gepredigt ...“ Im Klartext: Er dürfte ein recht streitbarer, vielleicht auch streitsüchtiger und der alten Religion gegenüber unduldsamer Prediger gewesen sein. 1574 wurde Musaeus vom katholischen Stadtpfarrer Spillinger angezeigt. Musaeus wurde vom Kaiserhof verwarnt, musste seine Pfarrstelle aber nicht verlassen. Der wichtigste Mitstreiter des Predigers Musaeus war der Rektor der Lateinschule, der gebürtige Badener Mag. Caspar Zeitvogel. Später hat er als Arzt in Basel gewirkt. Er unterrichtete die Jugend in Latein und Griechisch. Er wagte es als erster, die Teilnahme der Schuljugend an der katholischen Messe zu verweigern. Bisher war es üblich, dass die Schüler der Lateinschule an der Messe am Vormittag und an der Vesper am Nachmittag teilnahmen. Zeitvogel ist der „allererste gewesen, welcher die Jugent von der Papstischen Meß und Vesper mit grossen Eifer hat abgeführth vnd weckh gerissen“ (Faut/Klein). Er war es auch, der bei Begräbnissen deutsche Psalmen singen ließ. Das ging offenbar einigen Bürgern zu weit und Zeitvogel wurde 1573 vom Dienst suspendiert. (24)Quelle/Hinweis:
Gerengel hatte bereits ein recht abenteuerliches Leben hinter sich, als er nach Ödenburg kam. Sein Geburtsort war Pottschach in Niederösterreich. Er hat möglicherweise in Padua studiert. Er wurde als Kaplan und Benefiziat in Aspang angestellt und predigte dort bereits im Geiste von Luthers Lehren. Im Zuge erster Gegenreformatorischer Maßnahmen wurden er und sieben weitere Geistliche des Diakonates Aspang abgesetzt. Gerengel, den man offenbar für besonders gefährlich hielt, wurde zusammen mit zwei weiteren Predigern nach Salzburg gebracht. Dort wurde er in der Festung Hohensalzburg ins Gefängnis geworfen. Erst 1554 wurde er freigelassen, mit der Bedingung, dass er seinem Glauben abschwört. Er wurde anschließend in der Stadt Rothenburg ob der Tauber als Prediger angestellt.
Die Auseinandersetzungen in der Stadt nahmen schon recht heftige Formen an und lassen ahnen, dass hier auch Machtkämpfe in der Bürgerschaft ausgetragen wurden.

An der Lateinischen Schule folgte 1574 ein Rector, der offenbar die Intentionen Zeitvogels weiter verfolgte. Sein Name war Mag. Michael Rustler. In der Chronik Faut/Klein wird er im Jahre 1578 anlässlich seines Todes als „gewaltiger Hebraeus, Graecus, Latinus vnd acutissimus disputator contra Jesuitos et alios“ beschrieben. Ebenfalls 1578 wurde Melchior Klein aus Leipzig vom Rat als deutscher Schulmeister angestellt. Der Geist des Humanismus hielt jedenfalls schon früh in Ödenburg Einzug.

Autor: Michael Floiger