Seit Anfang des 19. Jahrhunderts hat sich das Gesicht der Stadt Ödenburg sehr verändert, was sich auch auf die Stadtdörfer, insbesondere auf das naheliegende Wandorf auswirkte. An die Stelle der Patrizierfamilien, die allmählich ausstarben, traten zum Wohlstand gekommene Familien als neue Oberschicht.
 
Der Handel erhielt neue Impulse, und die Gründung der ältesten Firmen fiel in diese beachtlicher Zeit. Die alten Wassermühlen erhielten Konkurrenz durch die Dampfmühlen. In Ödenburg wurde die erste im Jahre 1836 gegründet. Die aufstrebenden Wirtschaftsbürger wurden von Graf Széchenyi, der in Zinkendorf geboren wurde, mit Rat und Tat unterstützt. Seine Lieblingsidee war die Verbreitung des Seidenanbaues in Ungarn. In einer Versammlung von 1841 gewann er auch die Ödenburger für seine Idee. Die Stadt warf sich mit großem Eifer auf die Pflanzung von Maulbeerbäumen, von deren Blätter die Seidenraupen aufgezogen wurden. Auch die Verbindungsstraße Agendorf - Ödenburg wurde rechts und links mit diesen Bäumen bepflanzt. Wer erinnert sich nicht von den älteren Wandorfern, als sie als Kinder die Maulbeerbäume erkletterten, die süße Frucht der Bäume sammelten oder die Maulbeerblätter in Säcke verstaut als Seidenraupenfutter nach Hause schleppten. Da die Seidenraupen sehr gefräßig waren, mußte für einen beachtlichen Vorrat gesorgt werden. Gute Fütterung war Voraussetzung für die Qualität der Raupen, die nach Güteklassen entlohnt wurden. Bei der Seidenraupenzucht handelte es sich um eine Nebenbeschäftigung, die für manche einen willkommenen Zuverdienst erbrachte. Trotz vielversprechenden Anfangs kam die Idee der Seidenraupenzucht nicht zum erwünschten Erfolg. Daran änderten auch nichts die in Ödenburg gegründeten Seidenfabriken (Trebitsch Gyula r.t.), in denen viele Wandorfer ihren Lebensunterhalt verdienten.
 
Zu dieser Zeit entwickelte sich auch das Verkehrswesen günstig. Im Jahre 1847 wurde die Eisenbahnstrecke Wiener Neustadt-Ödenburg - die zweite Linie Ungarns - eröffnet. Wien war mit Ödenburg durch einen dreimal in der Woche verkehrenden Postwagen verbunden. Ein Postwagenverkehr wurde auch mit der Hauptstadt Budapest eingerichtet. Parallel dazu vergaß man auch nicht die sozialen Einrichtungen. Schon 1805 entstand in Ödenburg eine Krankenkasse für Handelsangestellte, und seit 1828 bestand ein Spital für Handwerksgesellen und Bedienstete. Im Jahr 1838 brachte man das Kapital zur Gründung einer Kinderaufbewahrungsanstalt (Kindergarten) auf.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer , Matthias Ziegler (1991)