a) Vorboten einer besseren Zeit
Eine Erleichterung brachte für die Evangelischen das Jahr 1773, da durch Papst Clemens XIV. der Jesuitenorden aufgehoben und durch Maria Theresia des Landes verwiesen wurde. Gleichzeitig ist Loipersbach aus dem Besitz der Günser Jesuiten wieder in den Besitz der Stadt zurückgekommen.

b) Neubegründung der Kirchengemeinde
Maria Theresias aufgeklärter Sohn Josef II. gab 1781 sein sehnsüchtig erwartetes Toleranzedikt (Duldungserlass) heraus. Dies besagte:

Wo in einem Dorfe wenigstens 100 evangelische Familien wohnen und diese wirtschaftlich in der Lage sind, einen Pfarrer und einen Lehrer zu erhalten, können sie eine evangelische Kirchengemeinde bilden.
Sie dürfen eine Kirche, ein Bethaus erbauen. Allerdings mit der Einschränkung:
1. Die Kirche darf keinen Eingang von der Straße haben, muß also in einem Garten stehen,
2. sie darf keinen Turm und keine Glocken haben.

Die neu errichtete Gemeinde ist berechtigt, ein Pfarr- und Schulhaus zu errichten.
Die Kinder dieser Familien dürfen eine neu zu gründende evangelische Schule besuchen. (Dem Heimatbuch "Harkau-Mein Heimatdorf" von Herrn Schindler entnommen.)

Die Katholiken dachten freilich, in Agendorf und Wandorf seien gar keine oder nur sehr wenige Evangelische mehr vorhanden. Aber siehe da, als man wieder ein freies Bekenntnis und ein offenes Geständnis wagen durfte, stellte es sich heraus, dass die Bewohner in ihrer großen Mehrheit evangelisch geblieben waren, trotz der 110jährigen Unterdrückung. Zur Zeit des Toleranzediktes betrug die Zahl der Evangelischen in Wandorf 600, in Agendorf 900 und in Loipersbach 450, zusammen also etwa 1 950 Seelen. Die drei Gemeinden vereinigten sich sofort erneut zu einer eigenen evangelischen Pfarrgemeinde und machten zur Anstellung eines eigenen Pfarrers, mit dem Amtssitze in Agendorf, unverzüglich die nötigen Schritte. Da die Ödenburger Komitatsbehörde aber damals noch größtenteils katholisch gesinnt war, legte sie den Evangelischen allerlei Schwierigkeiten in den Weg, um die Anstellung eines eigenen Pfarrers und Lehrers sowie den Bau einer eigenen Kirche und Schule zu vereiteln. So blieb denn den Evangelischen nichts anderes übrig, als sich Anfang 1783 in einer vom damaligen Kircheninspektor Georg Liszy verfaßten Petition an den König zu wenden. Sie baten in aller Unterwürfigkeit, ihnen allergnädigst zu erlauben, ein Bethaus in Agendorf erbauen zu dürfen.

c) Gesuch an den König
Dieses Gesuch verdient es, hier voll inhaltlich mitgeteilt zu werden. Senior Edmund Scholtz hat es uns in seiner "illustrierten Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Agendorf- Wandorf- Loipersbach" aufgezeichnet. Es lautet also:
"Euer Majestät! Unterzeichnete der Augsburgischen Confession zugethane, in dem der königlichen Freistadt Oedenburg zugehörigen Dorf, Agendorf, wohnende Contribuenten stellen Euer Majestät fußfällig vor, dass sie schon über ein ganzes Jahr, zur Erhaltung eines Bethauses alle mögliche Mühe, Arbeit und Unkosten verwendet, und zweimal auf Befehl eines hochlöblichen Locumtenential Consilium, durch Comitats Deputirte angestellte Untersuchung glücklich überstanden, und zur Erlangung eines Bethauses, selbst von obbenandten Consilio laut sub. A. beigeschlossener Resolution die unfehlbare Hoffnung bekommen haben, so haben sie den- noch ohnlängst aus beiliegender sub B. Comitats Determinaon, wehmütig erfahren müssen, daß das Oedenburger Comitat bei dem hochlöblichen Locumtenencial Consilio, folglich auch bei Euer Majestät verweißlich machen will, daß den Supplicanten nach der hier sub C. beigefügten königlichen Resolution, ein Bethaus nicht konnte zugestanden werden aus Ursach: weil Agendorf nur auf eine Stund von dem in der Stadt Oedenburg seienden Bethaus entfernt wäre."

Allergnädigster Monarch! Euer Majestät heilge Absichten zielen dahin, die Bürden und Lasten der Armen Contribuenten bestmöglichst zu erleichtern, daß aber dieser heilige Endzweck, dadurch, wenn denen Supplicanten, die Erbauung eines Bethauses nicht zugestanden werden soll, nicht erreicht, sondern Ihre Last vergrößert werden wird, können die Supplicanten leider aus eigener vieljähriger Erfahrung mit gutem Gewißen beweisen, und deßwegen bitten auch in aller Unterwürfigkeit, Ihnen ein Bethaus in ihrem Dorfe erbauen zu dürfen allergnädigst zu erlauben aus folgenden Gründen:

Weil der beste Fußgänger, nicht aber Kinder und alte Leute, welche doch auch in die Kirche zu gehen verpflichtet sind, bei der besten Witterung kaum in einer Stund, in Winterzeit aber, wo der Weg kothigt, oder mit Schnee bedeckt ist, nicht in zwei Stunden auf Oedenburg kommen kann, ja der Weg, weil da keine gemachte Landstraße ist, oftmal inpracticabel ist. - Folglich
Ein armer Contribuent, der sowohl selbst als auch sein Vieh, die ganze Woche durch mühsam arbeitet, nicht einmal den von Gott zur Ruhe bestimmten Tag, ruhen, und ausrasten kann. Dengesetzt er hätte nur eine Stunde in das Oedenburger Bethaus zu gehen, muss er doch über zwei Stunde während des Gottesdienstes stehen, weil die Bürger alle Sitze occupiren; und sofort im Zurückgehen von Gehen und Stehen, durch mehr als drei Stunden schon abgematt, fast zwei Stunde zubringen, auch seines Viehes, wenn man fahren will, und in Kleidern.

Weil so oft man in die Stadt es mag fahren, oder zu Fuß sein, in die Kirche geht; - so wird nicht nur das Vieh, und selbst der Mensch strapazirt, auch das Pferdgeschirr, der Wagen, und die Kleidung abgenutzt, sondern bei dieser Gelegenheit werden zu Erquickung des Leibes, allezeit etliche Kreutzer verzehret. Wann allso diese Unkosten, Mühe und Fatiquen, und das was man den Oedenburger Geistlichen zur Bezeigung einiger Erkenntlichkeit freiwillig giebt, ein jeder Hausvater, der alle Sonntag, entweder selbst in die Kirche zu gehen, oder einen von seinen Hausgenossen zu schicken pflegt nur mit 3 Kreutzern erkauffen soll, und wer wird es nicht gerne thun; so wird sein Geistlicher in Loco mit samt dem Schulmeister bezahlt, so wird seine bisherige Last nicht vergrößert; sondern sehr merklich erleichtert, und er wird gewiss zur Abgabe seiner Contribution weit tüchtiger, als bishero gemacht werden.

Weil nicht alle, alle Sonntag auf Oedenburg in die Kirche gehen können, und doch alle einen Unterricht, wie sie sich gegen Gott, gegen ihren Landesfürsten, gegen ihre Grundherm, Obrigkeit, und gegen sich selbst zu verhalten haben, brauchen, der viel beßer und öfter, ja bei den meisten alle Tage wiederholet, und eingeschärft werden könnte, wann der Geistliche beständig im Dorf wäre. - Über das sind die Loiperspächer die sich zu einer, mit denen Supplicanten, Gemeine bekannt haben, noch über halbe Stund von Agendorf, folglich von Oedenburg gegen zwei Stund entfernt; diese also selbst ein Bethaus auch nach der Sub Resolution haben könnten: Sie nichtsdestoweniger, weil sie schwächer als unterzeichnete Supplicanten sind, und die Wandorfer, die ebenfalls zu dieser Gemeinde sich zugesellet haben, sehr entfernet wären: So bitten auch diese zur gleicher Erleichterung, aller drei zu einer Gemeinde sich anerkannten Dorffschaften, das Bethaus in Ihrer Mitte, nämlich in Agendorf allergnädigst zu erlauben. - Über dieses alles kommt noch darzu:

Weil das neue Bethaus, was jetzo in Oedenburg gebaut wird, nur für dasige Bürger und die Einwohner des Dorfs Wolfs, welche sich als Filial dazu vereinigt haben, angetragen worden ist: und die Oedenburger Evangelische Gemeinde ihren allerhöchst resolvirten großen Riß deswegen zu verkleinern für gut fanden, weil sie laut ersten Allergnädigsten Tolleranz, Normal Decret mit samt denen Unterzeichneten die über 200 Familien: ausmachen, und von welchen das ganze Comitat wusste, dass sie ein Bet- haus zu erbauen, einen Geistlichen, und Schulmeister zu unterhalten, leicht im Stande wären, in der sichersten Hoffnung ist gewesen; dass sie am ehesten würden dieser Allerhöchsten Gnade theilhaftig werden, folglich jetzo zu ihren, und ihrer Nachkommen unersetzlichen Schaden, und Schande zu befürchten haben, zwischen zween Stühlen auf der Erde sitzen zu bleiben, - wenn sie nicht von Euer Majestät die allerhöchste väterliche Huld und Gnade hoffeten.

Die Agendorfer, mit Loipersbach, und Wondorf vereinigte Evangelische Gemeinde".
Und Josef II., der es mit dem Toleranzedikt wirklich ernst nahm, hat die Bittschrift in kürzester Zeit günstig beschieden.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)