Vortrag: Dr. Gabor Gonda

Die Schicksalsjahre der deutschen Volksgruppe in und um Sopron/Ödenburg 1938 – 1948

Vortrag im Burgenländischen Landesarchiv im Rahmen der landeskundlichen Diskussionsnachmittage am 4. Juni 2013

Nicht selten hört man Vorträge oder legt Bücher zur Seite mit dem Gefühl: Das hätte ich mir ersparen können! Sternstunden sind auch in der Geschichtsforschung selten. Der Vortrag von Dr. Gonda war eine solche Sternstunde.

Dr. Gonda wurde 1979 in Mohács, in einer magyarisch – ungarndeutschen Familie geboren. Er studierte in Pécs/Fünfkirchen, in Tübingen und Heidelberg. 2003 schrieb er seine Diplomarbeit über die Vertreibung der Deutschen aus der Baranya. Er übersiedelte nach Ödenburg und wurde Lehrer am evangelischen Gymnasium (Lyzeum). 2011 schloss er seine Studien mit einer Dissertation zum Thema des Vortrages ab, wobei er neben Ödenburg Wolfs/Balf als eines der Stadtdörfer genau untersuchte. Seit 2013 ist er im Kulturservice Burgenland beschäftigt.

Ausgehend von der Volksabstimmung stellte Dr. Gonda den zunehmenden Deutschenhass und den Assimilationsdruck dar, etwa die massive Einflussnahme auf die Ödenburger Zeitung - 1934 wurde die Umbenennung in Soproner Zeitung gefordert – durch Polizeiüberwachung, die wirtschaftlichen Repressionen, das Drängen auf Namensmagyarisierung besonders bei Beamten, Offizieren, Lehrern, in den Kirchen ... Die Reaktion der Deutschen war unter anderem die Abwahl Kuno von Klebelsbergs als Abgeordneten im Parlament, die geringe Begeisterung, die das Bürgertum beim Horthy - Besuch 1922 zeigte. Sehr eindrucksvoll wurden die wirtschaftlichen Probleme der Stadt nach dem Verlust eines Großteils ihres Hinterlandes und die dadurch noch gesteigerten Gegensätze zwischen den Volksgruppen, die 1939 erstmals auftauchenden Umsiedlungspläne und die Angst der Ungarn vor dem Dritten Reich geschildert.

Objektiv betrachtet und mit Beispielen und Quellen belegt wurde das Wirken des Volksbundes, ohne dessen negativen Elemente zu beschönigen. Im Volksbund sahen eben auch viele Ödenburger wie andere Ungarndeutsche einen wirksamen Minderheitenschutz (Einführung der deutschen Unterrichtssprache) oder sie versprachen sich wirtschaftliche Vorteile (Grenzpassierscheine, Arbeitsgenehmigungen im benachbarten Deutschen Reich usw.). In der verhängnisvollen Volkszählung von 1941 gaben 29,9 % der Ödenburger Deutsch als Muttersprache an, 18,2 % bekannten sich auch zur deutschen Volkszugehörigkeit. In Wolfs lagen die beiden Werte bei 95,8 und 92,4 %.

Schließlich schilderte Dr. Gonda die Vertreibung und belegte mit sehr gut ausgewählten Dokumenten besonders die Rolle der Kommunisten, etwa mit Artikel aus Új Sopron („Wir wollen Ungarn auf den deutschen Straßen sehen ...). Aus Wolfs wurden 94,7 % der Bevölkerung vertrieben, in Ödenburg wagten nach der Vertreibung von 7000 bis 8000 Menschen im Jahre 1949 nur mehr 3,6 % der Bevölkerung, sich als Deutsche zu bekennen.

In Deutschland und in Österreich wollen heute viele Menschen – unwissend, naiv und in einem klischeehaften Geschichtsbild befangen – von den damaligen Ereignissen nichts mehr wissen. Ungarische Historiker der jüngeren Generation wie Norbert Spannenberger, András Krisch und nun auch Gábor Gonda hingegen haben erkannt, dass nur die uneingeschränkte und offen ausgesprochene historische Wahrheit, mag sie noch so komplex sein, hilft, die noch immer bestehenden und leicht wieder instrumentalisierbaren Gegensätze abzubauen. In den ostmitteleuropäischen Ländern weiß man mit den Kräften der Nationalismen und mit den nationalen Identitäten eben besser, weil realistischer, umzugehen. Moralisierende "Bewältigung" ist wenig hilfreich, nur das Aufzeigen der Fakten hilft.