01 herrsch oedenburgEinleitung

In der Geschichtsschreibung des Burgenlandes wird, wenn vom Schulwesen die Rede ist, vor allem das Werk Gottlieb August Wimmers in Oberschützen in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vordergrund gestellt. Übersehen wird dabei, dass in Ödenburg und in den Stadtdörfern über 450 Jahre mit zwei kurzen Unterbrechungen ein gut ausgebautes Bildungswesen bestand, das für die Geistesgeschichte der Region, darüber hinaus aber ganz Westungarns, eine hervorragende Wirkung entfaltete. Diese ging weit über die Konfessionsgrenzen hinaus und prägte die gesamte gesellschaftliche Entwicklung. Es soll hier in einem Längsschnitt ein Überblick über dieses Bildungswesen geboten werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die höheren Schulen der Stadt, aber auch die Dorfschulen sollen berücksichtigt werden.

Die Bedeutung der Schulen und Lehrer für das evangelische Leben und für das Überleben des Protestantismus kann man gar nicht überschätzen. Neben den Pfarrern waren es die Lehrer in der Reformationszeit, die für Schulgründungen sorgten, die dann auch in der Gegenreformation noch lange Widerstand leisteten und vielfach die vertriebenen Pfarrer ersetzten. Sie schufen jenes Wir – Bewusstsein, das die Gemeinden die Gegenreformation überstehen ließ. Es war das berühmte Ödenburger Gymnasium – später Lyceum - das den Nachwuchs an Pfarrern und Lehrern zu hunderten heranbildete, an die evangelischen Universitäten Deutschlands schickte und damit den Kontakt zu den geistigen Zentren Mitteleuropas nie verlor. Das Niveau der evangelischen Schulen war überaus hoch. Lange Zeit waren sie den katholischen weit überlegen. Selbst der Bischof von Raab, Liszty, schickte seine Söhne auf die evangelische Schule. Erst mit dem Jesuitengymnasium in Ödenburg entstand eine – bald durchaus gleichwertige – Konkurrenz. Diese Konkurrenz hat das Geistesleben dann ungeheuer befruchtet.

Nach dem Toleranzpatent gelang es in kürzester Zeit, ein beachtliches evangelisches Schulwesen aufzubauen. Die Schule wurde oft früher als das Bethaus, die Kirche, gebaut. Zwei bis drei Generationen von Lehrern, meist aus dem Ödenburger Lyceum, später dann auch aus Oberschützen und aus der Ödenburger Lehrerbildungsanstalt, schufen jene Volksschulen des 19. Jahrhunderts, die bis heute faszinieren. In kürzester Zeit gelang es, nahezu die gesamte Bevölkerung – auch die Mädchen – zu alphabetisieren. Diese Schulen waren Zentren des dörflichen Lebens, sie trugen weit über den Elementarunterricht hinaus zur Ausbildung eines Geistes und einer Gesellschaft bei, die sich durch Gläubigkeit, Ernsthaftigkeit, Disziplin auszeichnete. Immer wieder entdeckt man mit Erstaunen, was diese Schulen und diese Lehrer alles zu bieten hatten: Volks- und Erwachsenenbildung sind keineswegs eine Erfindung unserer Zeit. Es gab Volksschulen, an denen Vorträge über Biologie und Physik stattfanden, Imkerkurse und Baumschnitt im schuleigenen Obstgarten waren selbstverständlich und vieles mehr. 

Die Schule brachte den Kindern jene Werte bei, die dann die Pfarrer – oft mit eiserner Strenge – überwachten. Kirchenzucht sahen sie ja als wichtige Aufgabe. Die Aufgabe des Lehrers ging weit über den Unterricht hinaus. Er überwachte das ganze Leben der Kinder und Jugendlichen rund um die Uhr. Die vier Mörbischer Jugendlichen, die es wagten, im Turm der Kirche zu rauchen, sollten während des Gottesdienstes vor der ganzen Gemeinde stehen. Erst nachdem sie Abbitte geleistet hatten wurde ihnen die Strafe mit einer strengen Ermahnung erlassen. Als besonders schwere Strafe konnte die Konfirmation verweigert werden. Jede sittliche Verfehlung wurde im Gottesdienst unerbittlich angesprochen, etwa in Agendorf, wo es ein Mann wagte, mit einer Zigeunerin zusammen zu leben.

Umgekehrt erwarteten die Gemeinden aber auch von ihren Pfarrern und Lehrern die strikte Befolgung dieser strengen Grundsätze. Wehe wenn ein Pfarrer oder Lehrer dagegen verstieß, wie etwa der Mörbischer Pfarrer Prinner, der eine Freundin in Ödenburg hatte und der sich schließlich den moralischen Druck seiner Gemeinde beugen musste.

94 hafenscherDer Leistungsdruck, der auf den Lehrern lastete, die ja zugleich Kantoren und auch Notäre der Gemeinden waren, war enorm. Zugleich erwartete man, dass sie auch gute Wirtschafter waren. Kirchen und Schulen hatten ja auch Grundbesitz. Paul Hafenscher in Mörbisch galt als besonders tüchtiger Wirtschafter. Der intellektuelle Edmund Scholz in Agendorf, der mit Landwirtschaft nicht viel am Hut hatte, verfolgte mit Neid die Beliebtheit des dortigen katholischen Amtsbruders bei den Evangelischen. Der war ein sehr erfolgreicher Bauer.

Was wir über die Schulen in früherer Zeit wissen, wissen wir im Wesentlichen aus den Aufzeichnungen und Büchern der Pfarrer. Karl Fiedler, Edmund Scholz, Karl Pröhle waren es ja, die die Geschichte ihrer Gemeinden schrieben, nicht zu vergessen das großartige Werk des Mörbischers Matthias Müllner über die Geschichte des evangelischen Gymnasiums. Diese Pfarrergeschichtsschreibung war natürlich äußerst verdienstvoll. Sie hat aber einen entschiedenen Nachteil. Sie lobt und rühmt, sie verschweigt uns meist die Konflikte in der Gemeinde, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunahmen. Sie schweigt über die beginnende Auflehnung gegen die Kirchenzucht, die sozialen Konflikte und auch über die nationale Frage, die Auswirkungen der Magyarisierung, die Einstellung zum Anschluss an Österreich, zur Ödenburger Abstimmung, die politischen Strukturen in den Dörfern. Bei Scholtz kann man vieles zwischen den Zeilen seiner Erinnerungen lesen. Er war ja auch Politiker, Abgeordneter im Budapester Parlament. Nur Pröhle schreibt auch zu den politischen Verhältnissen und schimpft seine Gemeinde kräftig aus.

 

Schulen in der Reformationszeit

93 alte schule moerbisch 1929In den größeren Orten gab es auch schon im Mittelalter Lateinschulen, etwa in Ödenburg. Sie unterstanden natürlich der Kirche und dienten hauptsächlich der Heranbildung von Geistlichen. Aber auch Rechtsstudien waren durchaus üblich. Das Ödenburger Patriziat kann als bildungswillig bezeichnet werden. Zwischen 1440 und 1314 studierten mehr als 100 Bürgersöhne an ausländischen Universitäten: in Wien Ferrara, Bologna und Krakau. Schon 1533 wurde Georg Faber in Wittenberg immatrikuliert, 1545 Johann Schreiner, 1555 Michael Wirth, der mit Unterstützung des Stadtrates studierte, von Philipp Melanchthon persönlich betreut wurde und mit dessen Empfehlungsschreiben zurückkehrte. Er wurde Stadtnotar und war wahrscheinlich an der Reform des Ödenburger Gymnasiums maßgebend beteiligt.

Die moderne Forschung ist heute sehr vorsichtig mit Zuordnungen wie „noch katholisch“ und „schon evangelisch“. Diese strikte Grenze ist nicht berechtigt, die Konfessionalisierung erfolgte erst allmählich. Pfarrer wie Lehrer in der Übergangszeit sind oft schwer zuzuordnen. 1534 war Ulrich Raidl Stadtpfarrer. Er gab das Abendmahl in beiderlei Gestalt und stellte die Anrufung der Heiligen ein, blieb aber beim „alten Glauben“. Eine besonders interessante Gestalt ist Peter Kalbermatter, Prediger in St. Michael – ein Schweizer, der sich offen auf die Seite der Reformation stellte. Er ließ nur zwei Sakramente gelten (Taufe und Ehe), Es wird vermutet, dass er Zwinglianer, vielleicht sogar Wiedertäufer war. Auf Anzeige des Notars Konrad Jäckel an König Ferdinand I. wurde er mit einem anderen Prediger namens Joseph, einem Villacher, verhaftet und kam erst frei, nachdem die Stadt die Haftung für ihn übernahm. Jäckel berichtete dem König, dass Ödenburg ein Hort der Apostasie und der Sittenlosigkeit verfallener Priester sei. Die Anzeige kostete Jäckel sein Amt, wegen Amtsuntreue. In der Zeit des Überganges, der allmählichen Konfessionalisierung, kann man natürlich auch die Schulen keiner Konfession zuordnen. Der Streit, ob das neue Ödenburger Gymnasium zur Zeit seiner „Gründung“ noch katholisch oder schon evangelisch war, ist überflüssig. Auch die daran beteiligten Personen wie Bürgermeister Hummel oder auch der damalige, sehr beliebte Stadtpfarrer Fochter können nicht in eine konfessionelle Schublade gepresst werden. Müllner spricht in seinem Buch von „brüderlicher Eintracht“ und „gegenseitiger Duldung“. Das ist freilich ein Missverständnis. Toleranz war diesem Zeitalter völlig unbekannt. Es fehlte aber die konfessionelle Abgrenzung.

Tatsache ist jedenfalls, dass in Ödenburg schon früh im reformatorischen Geist gepredigt wurde (interessanterweise von den Franziskanern). Tatsache ist, dass bald die meisten Gemeinden Westungarns evangelisch waren, mit Hochburgen etwa in Donnerskirchen, Purbach, St. Margarethen, Schützen und vielen anderen, wo die gelehrten und wortgewaltigen Flacianer predigten und Schulmeister in diesem Geiste tätig waren. Der niederösterreichische Klosterrat hatte seine liebe Not mit den verstockten Ketzern, die die Aufgabe der vertriebenen Pfarrer übernahmen. In nahezu allen Orten wurden Schulen eingerichtet.

05 katechismus gerengelÖdenburg wurde erst 1565 unter Gerengel eine entschieden evangelische Stadt. Sein Katechismus, der 1569 gedruckt wurde, eine Kinderlehre oder Summa, die auch ins Ungarische übersetzt wurde, war auch als „Lehrbuch“ im Unterricht überaus wichtig. 

Die Lateinschule bestand schon lange. 1525 wird ein lateinischer Rektor erwähnt, ab 1537 sind alle Rektoren namentlich bekannt, einige von ihnen führten den Magistertitel. 1552 bekam die Schule ein Benefizium zugeteilt, der Rektor bekam einen Gehilfen. 1557 gilt als Geburtsjahr des Ödenburger Gymnasiums. In diesem Jahr wurde die alte Lateinschule „am Pflaster“ neu errichtet oder erweitert. Bürgermeister Hummel stellte seinen Garten zur Verfügung. Es wurden mehrere Klassen eingerichtet. An der Neuorganisation war Michael Wirth nach seiner Rückkehr aus Wittenberg beteiligt. In der Stadt tobte damals ein heftiger, sich über Jahrzehnte hinziehender Streit um die Benefizien. Die Stadt konnte das Recht, diese zu vergeben, gegenüber dem Bischof behaupten. Interessant ist, dass ein Benefizium dem Erhalt der Schule zugesprochen wurde. 1563 unterrichteten neben dem Rektor bereits drei „Gesellen“ oder Collaboratoren. Unterrichtet wurden u.a. griechische Stilübungen, Logik, Geschichte und schließlich sogar Hebräisch.  1569 wurde die Volksschule neu errichtet. Lehrer war Urban Reuter aus Bayern, Schwager des Ödenburger Pfarrers Gregorius Pharerus. Die Schule stand allen Kindern, auch den armen, offen. Jährlich schlug der Volksschullehrer dem Rat besonders begabte Schüler für den Besuch des Gymnasiums vor.

Rektoren des Gymnasiums waren Balthasar Nusser (1557 – 1561), Mathias Wolf bis 1565 und Dominik Siebenbürger (der später Mitglied des Inneren Rates und Kirchenvater von St. Michael war), und 1565 bis 1571 Franz Hartmann aus Mansfeld, der aus Wr. Neustadt nach Ödenburg berufen wurde, Von ihm sind zwei Briefe erhalten, in denen er die Bemühungen des Rates auf dem Gebiet des Bildungswesens über den grünen Klee lobt. Bis 1573 war Johannes Hauck Rektor. 1571 bekam Gerengel im Nürnberger Jonas Petrus Musaeus (Fleiszmann) einen recht streitbaren Nachfolger. Die Ödenburger Chronik des Marx Faut und Melchior Klein nennt ihn einen "Herrlichen Theologus, orator, Poeta et Musicus". Er habe „acutissime et acerrime wider das papstumb gestritten vnd gepredigt ...“ Der wichtigste Mitstreiter des Predigers Musaeus war der Rektor der Lateinschule, der gebürtige Badener Mag. Caspar Zeitvogel. Später hat er als Arzt in Basel gewirkt. Er unterrichtete die Jugend in Latein und Griechisch. Nach Marx Faut „ hat er die Jugend in prosa und ligata oratione, in graecis et latinis“ aufs fleißigste instruiert …“ (Faut-Klein S 20).  Unter ihm wurde die Schule zum Gymnasium von Rang. Er wagte es als erster, die Teilnahme der Schuljugend an der katholischen Messe zu verweigern. Bisher, bis 1573, war es üblich, dass die Schüler der Lateinschule an der Messe am Vormittag und an der Vesper am Nachmittag teilnahmen. Zeitvogel ist der „allererste gewesen, welcher die Jugent von der Papstischen Meß und Vesper mit grossen Eifer hat abgeführth vnd weckh gerissen“ (Faut/Klein). Er war es auch, der bei Begräbnissen deutsche Psalmen singen ließ. Er geriet in Konflikt mit dem Stadtpfarrer Wolf Spillinger, der ihn in aller Öffentlichkeit ins Gesicht schlug, weil er eine Leiche mit deutschen evangelischen Psalmen mit seinen Schülern zu Grabe geleitet hatte. Zeitvogels Konfliktbereitschaft ging offenbar einigen Bürgern zu weit und er wurde – auch auf Drängen des Bischofs - 1573 vom Dienst suspendiert.

Die Auseinandersetzungen in der Stadt nahmen schon recht heftige Formen an und lassen ahnen, dass hier auch Machtkämpfe in der Bürgerschaft ausgetragen wurden.

1570 bis 1582 war der Traiskirchener Jakob Ritschendel Pfarrer. Es gab nur mehr 30 bis 50 katholische Familien, aber es wurden weiterhin katholische Messen gelesen, ungarische evangelische Gottesdienste fanden in der Hl. Geistkirche, später in der Jakobskapelle statt. 1574 – 1576 war der später berühmte Stefan Bejthe Prediger. 1576 – 1582 nach Bejthes Abgang nach Güssing, war Caspar Dagonus ungarischer und kroatischer Prediger. Von 1573 bis 1584 wurden Georgs- und Michaelerkirche von beiden Konfessionen benützt. Auch die „evangelischen“ Schulen konnten von katholischen Kindern besucht werden.

An der Lateinischen Schule folgte 1574 ein Rector, der offenbar die Intentionen Zeitvogels weiter verfolgte. Sein Name war Mag. Michael Rustler. In der Chronik Faut/Klein wird er im Jahre 1578 anlässlich seines Todes als „gewaltiger Hebraeus, Graecus, Latinus vnd acutissimus disputator contra Jesuitos et alios“ beschrieben. Er hatte Probleme mit einigen Ratsherrn und auch mit dem Prediger Musäus. Seine Nachfolger waren Johann Fink (bis 1582), dann Mag. Abraham Schremmel, ein Straßburger. 1584 mussten er und seine Kollegen aus der Schule weichen. In der Schule bestand auch schon eine Art Alumneum für arme Schüler. Diese hatten für die Gratisversorgung – wie damals üblich – in der Kirche als Chorknaben zu dienen. Ebenfalls 1578 wurde Melchior Klein aus Leipzig vom Rat als deutscher Schulmeister angestellt. Der Geist des Humanismus hielt jedenfalls schon früh in Ödenburg Einzug.

1582/83 eskalierte der Streit mit dem Raaber Bischof Georg Draskovich. 1582 starb der Prediger Musaeus in Wien im Gefängnis. 1584 Bürgermeister, Richter und Ratsmitglieder in Wien eingekerkert. Die Stadt musste nachgeben, Pfarrer und Lehrer mussten weichen, u.a. nach Deutschkreutz und Neckenmarkt, wohin die Ödenburger ausliefen (Nadasdy und Dersffy).

Neben dem Gymnasium gab es auch eine Bürgerschule, die 1578 sicher bestand, Wann sie gegründet wurde ist unsicher. Einer der Lehrer war Melchior Klein aus Leipzig, der dann Fauts Chronik weiterführte. 1578 bestand auch bereits eine ungarische Schule. 1579 bis 1584 war Georg Muraközy, später Superintendent, dort Lehrer.

Die ablehnende Haltung der Bevölkerung gegenüber der nunmehr wieder katholischen Schule zeigte sich auch im Schulbesuch: Zwischen 1590 und 1605 besuchten angeblich nur 10 Schüler die katholische Pfarrschule (Bán, S. 91). 1802 wandte sich der Rektor Marx Fabricius an den Rat um Hilfe, da ihm während seiner ganzen Amtszeit keine Schüler zugeführt wurden. Die Kinder der Evangelischen besuchten Geheimschulen. Auch in Deutschkreutz und Tschapring waren evangelische Schüler aus Ödenburg zu finden. Die Söhne der Bürgerfamilien, etwa die Wirth, Lackner, Rosenkrantz, Mock und Faut, studierten an ausländischen Schulen und Universitäten (Wittenberg, Graz, Breslau).

 

Auch in den Dörfern der Herrschaft Ödenburg wurden Schulen errichtet, dafür sorgten die Pfarrer, die ganz im Geiste Luthers und Melanchthons für die Bildung des Volkes, vor allem für die Fähigkeit, die Hl. Schrift lesen zu können, eintraten. Die Lehrer dieser Zeit kennen wir nicht alle mit Namen, die Schulen sind aber durchaus belegt. Der katholische Kirchenhistoriker Dr. Bán schreibt: "In den Stadtdörfern waren in dieser Zeit die Lehrer die Säulen der lutherischen Lehre... die kroatischen Bauern in den Stadtdörfern (Kolnhof und Klingenbach) sind unbeugsame treue Katholiken, aber die deutsche Bevölkerung in den Stadtdörfern ist fast ausnahmslos lutherisch..."

1597 etwa fand in Mörbisch eine kanonische Visitation statt, in der zwar nichts über die konfessionellen Verhältnisse berichtet wird, wohl aber über die Vermögensverhältnisse des Pfarrers und der Kirche. Die St. Ulrichszeche, also die Kirche, hatte angeblich keinen Besitz. Früher hatte sie Weingärten, die Mörbischer behaupteten nun, sie seien Gemeindeeigentum. Nur ein Haus besaß die Zeche, „darinnen werde die schull gehalten“. Im Jahr der Visitation brannte dieses Haus ebenso wie die Kirche und der ganze Ort ab. Ebenfalls 1597 kam es dann zum Aufstand der Mörbischer gegen die Stadt, ihren Grundherrn, die damals die Robot der Stadtdörfer stark erhöhte und ihre Eigenwirtschaft ausbaute. Eine Nachwirkung war, dass die Mörbischer auch weiterhin als rebellisch galten und die Stadt immer wieder problematische Persönlichkeiten, Pfarrer und Lehrer, nach Mörbisch abschob.

Relativ gut sind wir über die Schule in Harkau unterrichtet. Aus der Bestallungsurkunde des Harkauer Pfarrers Stephan Reiter aus dem Jahre 1588 erfahren wir, dass in Harkau ein Lehrer wirkte und dass dieser im Pfarrhaus wohnte. Da heißt es nämlich: "Doch soll der Schulmeister auch darin (im Pfarrhaus) wohnen, halt nur so sie sich miteinander vertragen. Falls abernit, sol der Schulmeister aus dem Pfarrhof weichen..."

 

Die Blütezeit des evangelischen Schulwesens im 17. Jahrhundert

Die erfolglose Belagerung der Stadt durch die Truppen Bocskais brachte für die schutzlosen Dörfer der Umgebung ungeheures Leid. Die Bauern waren an der Verteidigung der Stadt beteiligt und auch am Ausfall, der mit einer schweren Niederlage der Rebellen endete. Der Wiener Friede von 1606 brachte dann der Stadt die Religionsfreiheit und auch die Rückkehr der evangelischen Pfarrer und Lehrer in die Dörfer. Wahrend unter der Herrschaft der Esterházys und der Jesuiten die Rekatholisierung immer massiver wurde, erlebte der Protestantismus im Ödenburger Land eine Blütezeit, die bis in die 1670er Jahre anhielt.

Schon 1606 begann die Reorganisation der evangelischen Kirchengemeinde. Jakob Egerer aus Ritzung wurde Diakon an der Georgenkirche, Stefan Fuchsjäger aus Neckenmarkt Prediger an der Michaeliskirche. Auch die Schulen wurden wieder eröffnet. Gymnasialdirektor wurde Mag. Stephan Frank aus Eisenach, 1608 Mag. Heinrich Abermann, der von Tübingen aus empfohlen wurde (er ging bald als Rektor an die Bürgerschule bei St. Stephan in Wien). Der große Aufschwung erfolgte unter Mag. Christoph Schwanshoffer, der bald nach Regensburg berufen wurde. 13 Jahre später kehrte er zurück. 1613 -1632 leitete Christoph Hausmaner, ein Regensburger, die Schule. Sie hatte bald einen hervorragenden Ruf, viele Alumnen wurden vom Stadtrat versorgt. Paul Schubert war Pfarrer, unterrichtete im Gymnasium und wurde vorübergehend Rektor. 1626 gab es Beschwerden gegen ihn wegen des Verfalls des Lateinunterrichtes und er wurde vom Schuldienst enthoben.

In Ödenburg war dies die Zeit Christoph Lackners und die Hochblüte des evangelischen Gymnasiums. Lackner war selbst hoch gebildet, besuchte kurz die berühmte evangelische Schule in Tschapring (Csepreg) und hielt sich vorübergehend in Mähren und Schlesien auf. Er kehrte immer wieder in seine Heimatstadt zurück und lernte das Goldschmiedehandwerk. 1571 ging er nach Graz, wo er die berühmte Hochschule der evangelischen Stände besuchte. Er wurde Erzieher im Hause des Hauptmarschalls Wolfgang Saurau, mit dessen Sohn er 1595 an die Universität von Padua wechselte. Dort erwarb Lackner das juridische Doktordiplom. Er blieb noch weitere vier Jahre in Italien und inskribierte an den Universitäten von Bologna und Siena. Nach seiner Rückkehr aus Italien begann Lackner, im Arkadenhof seines Hauses auf dem Hauptplatz (das heutige Generalshaus) Predigten zu halten. 1599 wurde er, obwohl erst 28 Jahre alt, in den Inneren Rat berufen und 1600 von König Rudolf geadelt. 1603 war er Richter.

1604 gründete Lackner den Foedus Studiosorum, die erste literarisch-gelehrte Gesellschaft Ungarns, eine Art Literatenzunft, der Adelige aus der Stadt, viele Geistliche, Angehörige des Stadtrates aber auch der Wiener Hofgesellschaft angehörten. In den Statuten hatte man sich die Abhaltung literarischer Geselligkeit und den Aufbau einer Bibliothek zum Ziel gesetzt. Jedes neue Mitglied musste mindestens einen Golddukaten und ein wertvolles Buch in die Gesellschaft einbringen. Jedes Jahr gab es – nach dem Vorbild der deutschen Dichterbünde – eine Dichterkrönung mit einem „Bundeskränzlein“. Neben Lackner gab es in der Stadt zahlreiche weitere Persönlichkeiten, die eine hervorragende humanistische Bildung und einen akademischen Grad an einer deutschen Universität erworben hatten. Erwähnt seien etwa die Angehörigen der Familie Artner, die in Tübingen studierten. Eberhard Artner, der seinem Bruder Sebald nach Tübingen folgte, war Doktor der Rechte und nach seiner Rückkehr Stadtnotar, später Richter und Bürgermeister. Er besaß eine hervorragend ausgestattete Bibliothek. Sein Neffe Wilhelm Artner war ebenfalls Doktor der Rechte, auch er wurde mehrmals zum Bürgermeister gewählt.

Nach dem Wiener Frieden konnte auch das evangelische Schulwesen wieder aufgebaut werden. Auch dabei war Lackner besonders aktiv beteiligt. Unter Christoph Schwanshofer unterrichteten bereits vier Lehrer 50 Lateinschüler. Sie wurden von Hilfslehrern, vermutlich älteren Schülern, unterstützt, die besonders beim Chorgesang eingesetzt wurden. Schwanshofer und dessen Nachfolger Hausmann und Fröhlich blieben nur zwei Jahre. Erst der nächste Rektor, Johann Klokovius, blieb von 1612 bis 1624 an der Schule. 1629 kehrte Schwansdorfer, von der Gegenreformation in Bayern vertrieben, nach Ödenburg zurück. Sein Anstellungsgesuch unterschrieb er als „Magister Christoph Schwanshofer, Gymnasii Director“. Falls sich dieser Titel bereits auf seine Ödenburger Funktion bezieht darf man die Lateinschule ab dieser Zeit als Gymnasium bezeichnen. Die folgenden Rektoren stammten aus Königsberg und Hamburg, dann kam Mag. Christian Seelmann aus Koburg, den man direkt aus Wittenberg berief. Der letzte Rektor war Daniel Tiefendrunk aus Bitterfeld in Sachsen. 1674 wurde die Schule geschlossen.

Schon 1621 ließ sich der Stadtrat von Gábor Bethlen die Verwendung von kirchlichen Pfründen für die Errichtung eines Gymnasiums genehmigen. 1633 hatte das Gymnasium bereits eine große Zahl an Schülern. Unterrichtssprache war neben Latein natürlich Deutsch. 1633 wurde eine sechste, deutsch-lateinische Klasse eingerichtet. Es kam damals schon vor, dass Absolventen der Schule als Prediger ordiniert wurden, etwa 1630 Georg Müller nach Mörbisch, der 1635 nach Preßburg berufen wurde.

Die Lehrer des Gymnasiums waren gut bezahlt. Der Rektor erhielt 150 Gulden, 12 Eimer Wein, 20 Metzen Weizen, 15 Klafter Holz und die Hälfte des Schulgeldes, der Conrektor 100 Gulden usw.

Im Frühjahr und im Herbst wurden am Gymnasium öffentliche Prüfungen abgehalten, Prämien verteilt. Das Alumeum war gut ausgebaut und erhielt immer wieder große Stiftungen, auch von Lackner, der Ödenburger, die an auswärtigen Akademien studierten, besonders förderte. Besonders gute Schüler bekamen Pädagogien vermittelt, sie waren private Hauslehrer.

So wie in der damaligen Zeit üblich wurden am Gymnasium lehrhafte Schauspiele aufgeführt. Christoph Lackner griff auf Wunsch der Lehrer persönlich zur Feder und verfasste drei Schuldramen in lateinischer Sprache, darunter „Curia Regia seu Consultatio Paterna“ (Die Fürsorge des Königs oder Die väterliche Beratung). Das Drama wurde 1616 in Kaschau herausgegeben. Das Stück wurde im Rathaussaal vor großem Publikum von den Schülern des Gymnasiums aufgeführt.

Die Gegenreformation begann im habsburgischen Ungarn mit voller Wucht. Mit den Esterházy kam eine Familie nach Westungarn, die sich nach dem Glaubenswechsel Nikolaus Esterházys zum Katholizismus als fanatische Gegner des Luthertums erwies. Die Stadt Ödenburg und ihre Herrschaft waren bald von Esterházy-Besitzungen umgeben. Neben den Herrschaften Forchtenstein und Eisenstadt erwarb Nikolaus Esterházy durch seine Heirat mit Ursula Dersffy auch Landsee und Lackenbach und ein Haus in Ödenburg. Mit dem Jesuiten Péter Pázmány wurde ein eifriger Vertreter des Kampfes gegen die Evangelischen 1616 Erzbischof von Gran. Er verlegte seinen Sitz nach Tyrnau … Der Aufstand Gabor Bethlens

Erzwang dann aber 1621 den Nikolsburger Frieden, der den Evangelischen die Religionsfreiheit erneut zusicherte.

Auf dem zweiten Ödenburger Landtag von 1625 erfolgte die Wahl Esterházys zum Palatin von Ungarn. Esterházy ging daran, seine Dörfer in der Umgebung der Stadt mit Gewalt zu rekatholisieren. Dieser Prozess lief allerdings nicht ohne Widerstand ab und zog sich noch über Jahrzehnte hin. Die Stadt war für die Rekatholisierungsbemühungen Esterházys und Pázmanys ein weit härterer Brocken. Der Wiener und der Nikolsburger Frieden hatten ihr als königlicher Freistadt die Glaubensfreiheit garantiert. Die Gründung eines Jesuitenkollegs sollte den Anfang machen. Der neue Bischof von Raab, Georg Draskovich, und Esterházy sorgten zunächst für die finanzielle Absicherung eines Jesuitenkollegs. Die Benefizien des Johanniterordens, bisher im Besitz der Nádasdy, und das beträchtliche Vermögen der Leib-Christi-Bruderschaft (ein Haus und zahlreiche Weingärten) wurden dem Orden übertragen und ermöglichten den Unterhalt von sechs bis acht Jesuiten und den Unterrichtsbetrieb. 1637 musste die Stadt schließlich einen Vertrag mit den Jesuiten schließen, der umgehend von Ferdinand III. bestätigt wurde. Noch gelang es in diesem Vertrag, die Jesuiten auf die zwei Benefizienhäuser, Kirchhaus und Corpus Christi-Haus auf der Sandgrube, zu beschränken. Sie durften sich also nicht in der Innenstadt niederlassen. Die Angst, die die Evangelischen vor der Ansiedlung der Jesuiten hatten, bestand zu Recht. Das Jesuitenkolleg entwickelte sich rasch zu einer hervorragenden Schule, die dem evangelischen Gymnasium erfolgreich Konkurrenz machte. Am Anfang bestand es aus drei Klassen mit 32 Schülern, vier Magistri und einem Bruder, 1640 bestanden bereits fünf Klassen. So wie auch in den anderen Jesuitenkollegien besuchten die Söhne der mächtigen Adelsfamilien das Ödenburger Kolleg. Daneben betreuten die Jesuiten die Johannes-Kapelle, wo sie in deutscher Sprache predigten. Aber auch Kinder aus verarmten evangelischen Familien wurden aufgenommen und konnten kostenlos studieren. Dies bereitete der evangelischen Bürgerschaft besonderes Unbehagen. Bald wurden die Räumlichkeiten zu klein und das Kolleg wurde außerhalb der Stadtmauer, in der Bachgasse, erweitert.

Die Zugezogenen waren zu einem hohen Prozentsatz Magyaren. Neben den vier bestehenden deutsch-evangelischen Volksschulklassen wurde nunmehr auch eine ungarische Schule errichtet. Auch ein ungarisches Gymnasium entstand 1658 im angekauften Türkschen Haus auf der Langen Zeile. Einer der ersten Rektoren war Paul Kövesdy aus Eperies (Preschau). Diese Maßnahme war umso notwendiger, als seit der Konversion Nadasdys deren evangelische Schulen, etwa in Tschapring, geschlossen wurden. Das Projekt ungarisches Gymnasium wurde von Stephan Wittnyedi – während seiner Zeit als Stadtnotar - und vom Ratsherrn Georg Grad betrieben (1652 Ansuchen) und vom Rat der Stadt genehmigt. Nach einem Spendenaufruf konnte das Projekt rasch verwirklicht werden. Auch das ungarische Gymnasium, das den Lehrplan des deutschen übernahm, florierte rasch, besonders unter dem Rektor Michael Unger.

1664 wurde eine monatliche Inspektion sämtlicher Schulen durch eine Art Schulinspektorat eingeführt. Die Kommission bestand aus den drei lutherischen Predigern, zwei Vertretern des Magistrats, 1 Vertreter der Kirchengemeinde, 1 aus der Stadtbürgerschaft. Oberste Autorität über das Schulwesen war der Bürgermeister. Vor allem die gelehrten Prediger Matthias Lang und Christoph Sowitsch, beide selbst Lehrer am Ödenburger Gymnasium, sorgten für hohe Qualität. Sie hatten in Wittenberg und Königsberg studiert und waren dort auch mit modernen Strömungen im Erziehungswesen in Kontakt gekommen. Lang war einer der Begründer der berühmten Conventsbibliothek, die 1825 mit der Bibliothek des Lyzeums vereinigt wurde.

Trotz der starken Konkurrenz durch das Jesuitenkolleg war das evangelische Gymnasium noch immer die wichtigste schulische Einrichtung. Am Gymnasium studierten die Söhne der Bürger und noch evangelisch gebliebener Adeliger. Die Lehrer kamen überwiegend aus Deutschland, aus Tübingen, Regensburg, Hamburg, Iglau, Koburg. Die Absolventen des Gymnasiums studierten zumeist an deutschen Universitäten, im Zeitraum 1657 bis 1672 etwa 20 in Jena, 10 in Wittenberg, 5 in Tübingen und Frankfurt/Oder. Später wurde Halle an der Saale, das Zentrum des Pietismus, besonders wichtig. Das Studium an einer evangelischen Universität war, selbst in der Zeit, als dies verboten war – in der Zeit Maria Theresias – trotz aller Schwierigkeiten eine Selbstverständlichkeit. Die weite Reise trat man vor allem an, weil man an Ort und Stelle bei den maßgebenden Autoritäten studieren wollte, andererseits konnte man nur dort – in der Zeit als es in Ungarn keinen evangelischen Bischof gab (1673 – 1741) – die Prüfungen „pro ministerio“, also zum Pfarramt ablegen. Nicht wenige wurden dort zu Pfarrern in bestimmten westungarischen Gemeinden ordiniert. Das Studium der Theologie berechtigte sowohl zum Pfarramt wie auch zum Lehramt. Es gab keine getrennte Ausbildung.

Die Schulen der Stadtdörfer bis zur Rekatholisierung

 Die Stadtdörfer waren nach dem Wiener bzw. Nikolsburger Frieden wieder eigenständige Pfarren, die durchwegs auch Schulen unterhielten. Leider kennen wir nur wenige Namen von Lehrern. Erst gegen Ende dieser Epoche, in der Zeit der beginnenden Gegenreformation, sind auch mehr Lehrernamen überliefert. In Mörbisch war um 1640 ein Christoph Ofner Lehrer, um 1660 ein Lehrer namens Lang. Von Ofner wissen wir, dass er Lehrer am Ödenburger Gymnasium war, aber wegen Trägheit nach Mörbisch zwangsversetzt wurde. Von einem weiteren Lehrer namens Johann Bauer (Agricola) wissen wir nur, dass er zwei Jahre als Lehrer in Mörbisch gewirkt hat und dann nach Ödenburg ging.

Der erste uns namentlich bekannte Lehrer in Harkau hieß Johann Berlamoser. Laut Matrikelbucheintragung wurden seine Kinder Christoph und Ursula 1638, bzw.1639 in Harkau getauft. Wann und aus welchen Gründen Joh. Berlamoser Harkau verlassen hat, wissen wir nicht. Als letzter evang. Lehrer ist uns in Harkau aus dieser Zeit Johann Ritzinger bekannt. Sein Name erscheint 1647 im Matrikelbuch. Seine erste Frau, die "6 Jahre Kreuz und Schmerzen mit großer Geduld getragen hat", wie es in ihrem 1670 verfassten Testament heißt, starb in Harkau. Sein Töchterlein Anna-Elisabeth, aus zweiter Ehe, ist -laut Matrikelbuch - am 9. Nov. 1673 getauft und am 16. April 1674 beerdigt worden. Wie lange sich Ritzinger in Harkau nach der Enteignung der Kirche noch als Lehrer halten konnte, wissen wir nicht. Es dürfte auch nicht gleich ein kath. Lehrer für Harkau zur Verfügung gestanden haben. Jedoch die Harkauer sorgten dafür, dass ihre Kinder trotzdem lesen lernten. Ein alter Viehhüter, der in den Waldlichtungen die Kälber des Dorfes hütete, sammelte die Buben und lehrte das Lesen. Als Lesebuch diente die Bibel. Als dies herauskam, wurde diese "Schule" strengstens verboten. Die Bewohner der Nachbardörfer, die davon Wind bekommen hatten, schimpften von da an die Harkauer als "Kaiwlschüler" (= Kälberschüler). Auch in den anderen evangelischen Gemeinden dürfte es Geheimschulen, „Winkelschulen“, gegeben haben.

Im Jahre 1665 legte der Pfarrer Matthias Rosner (1663-1674) ein musterhaft geführtes Kirchenbuch an, das uns wichtige Nachrichten über das damalige Schulwesen auch in Wandorf vermittelt. So erfahren wir den Namen des Lehrers Johann Martin, der am 28. Januar 1665 seine Frau Susanna, die Witwe des Schuhmachermeisters Caspar Weiner, ehelichte. Er wurde im Jahre 1674 von seiner Schule vertrieben. Vor ihm war ein gewisser Thomas Binder Lehrer in Wandorf, dessen Sohn, Matthias Binder, als Schuhmacher und Leitgeb am 9. Februar 1670 die Schuhmacherswitwe Maria Trümmel in Agendorf heiratete.

Die Frage ist: wie gut waren diese evangelischen Volksschulen? Karl Fiedler vertrat die Meinung, dass der Lehrstoff nicht allzu umfangreich gewesen war. Buchstabieren – Lesen – Schreiben und Rechnen. Wenn man sich allerdings das Niveau des Ödenburger Gymnasiums vor Augen hält – und die meisten Lehrer kamen ja von dort – darf man den damaligen Schulen einiges mehr zutrauen. In den Stadtdörfern hielten sich außerdem seit dem Beginn der Verfolgungen zahlreiche vertriebene und geflüchtete Pfarrer und Lehrer auf, die Stadt hatte also eine große Auswahl. Dass so wenige Namen überliefert sind, darf uns nicht irritieren. Die Visitationen sprechen von intakten Volksschulen, die auch baulich überwiegend in einem guten Zustand waren.

Dort, wo über die Urbarlisten hinaus genauere Informationen vorliegen, zeigt sich ein erstaunliches Bild. Es gibt für einige Stadtdörfer seit den 1660 er Jahren bereits Matriken. Die ältesten Taufbücher von Mörbisch sind leider verloren gegangen. In Harkau stammen sie schon aus dem Jahre 1637. Die Taufbücher von Agendorf, Loipersbach und Wandorf zeigen nicht nur, dass unsere Vorstellungen von den reinen Bauerndörfern nicht stimmen. Es scheinen neben den Inhabern einer Session zahlreiche Handwerker auf, Mitglieder der Ödenburger Zünfte und mit den dortigen Meistern in enger Verbindung. Als Taufpaten scheinen sie immer wieder auf. Sie zeigen auch, dass die Rekatholisierung nach ein bis zwei Generationen noch lange nicht abgeschlossen war. Taufpaten kamen aus offiziell längst katholischen Gemeinden wie etwa Marz. Und vor allem ließen die Walbersdorfer und Pöttelsdorfer ihre Kinder in Loipersbach taufen. Der Ort war – da am weitesten in den Esterhazy-Herrschaftsbereich hineinreichend, offenbar mit Unterstützung der Stadt zu einer selbständigen evangelischen Kirchengemeinde geworden. Mit Mathias Rosner in Agendorf und Hyronimus Christoph Foman in Loipersbach wirkten dort außerordentlich tüchtige Prediger und in den Matriken scheinen weitere evangelische Prediger auf, aber auch Lehrer, die aus den Esterhazydörfern vertrieben worden waren.

Durch einen glücklichen Zufall ist auch ein Dokument erhalten, das uns Auskunft über den Schulunterricht gibt. Der aus Walbersdorf vertriebene Lehrer Johann Sinabel nahm sein Raitt-Buch mit, das vor einiger Zeit auf einem Dachboden in Loipersbach gefunden wurde. Dieses handgeschriebene Raitt - Buch ist eine kleine Sensation. Neben den Grundrechnungsarten enthält es Kapitel über Bruchrechnen, über Gewinn- und Verlustrechnungen, über Maße und Gewichte, über den Tuchhandel, über Gold- und Silber und vieles mehr. Sinabel hat auf der ersten Seite festgehalten, dass er dieses Rechenbuch über lange Zeit im Unterricht in der Schule in Walbersdorf mit großem Erfolg beim Unterricht eingesetzt hatte. Wenn dies stimmt, dann war das Niveau der Walbersdorfer Schule überaus hoch. Auch andere Hinweise, etwa die Visitationsberichte der Nachbargemeinden, in denen vom Auslaufen der Schüler nach Walbersdorf berichtet wird, sprechen dafür. Neben einem Benedikt Olram und Sinabel gab es auch noch weitere Lehrer in dem kleinen Ort Loipersbach. Wir dürfen also durchaus annehmen, dass unmittelbar vor dem Einsetzen der Gegenreformation auch in den Dörfern florierende Schulen bestanden.

 

Die Gegenreformation

Die Gegenreformation fand ihren Höhepunkt in der so genannten Magnatenverschwörung nach der Schlacht von Mogersdorf und dem „Schandfrieden“ von Vasvár. 1673/74 fand das berüchtigte Preßburger Tribunal statt, das alle Pfarrer und Lehrer zu Hochverrätern erklärte.

Die Stadt Ödenburg war zwar nicht direkt verwickelt, aber mit dem Stadtschreiber (Stadtnotar) Stefan Wittnyédi, der 1636 angestellt wurde, lebte eine der an der Verschwörung maßgebend beteiligte Persönlichkeit in der Stadt. Seine Briefe an die Verschwörer wurden abgefangen. Er entging der Verhaftung und Hinrichtung nur durch seinen Tod.

Die politischen Umtriebe des früheren Stadtnotars, etwa dass er geheim immer wieder oppositionelle Adelige in Ödenburg empfing, wurde von den Bürgern nicht gerne gesehen. Mit Recht, wie sich zeigen sollte, denn die Verwicklung des Notars in die Magnatenverschwörung hatte für die Stadt schwerwiegende Folgen.

Erzbischof Szelepcsény und Kammerpräsident Kollonits, Bischof von Wr. Neustadt, benützten auch die Briefe Wittnyédis, um gegen die evangelische Stadt Ödenburg vorzugehen. 1672 verlangte Kollonits, dass bei der Wahl des neuen Stadtrates auch Katholiken berücksichtigt werden. Die Ödenburger weigerten sich zunächst und wurden daraufhin vor das königliche Gericht zitiert. Die Beschuldigung lautete, die Stadt hätte sich seit 1609 nicht an das Gesetz gehalten, das vorschrieb, dass der Rat ohne Rücksicht auf die Religion zu wählen sei. Der Stadt wurde eine Strafe von jährlich 2000 Gulden, insgesamt 126 000 Gulden, auferlegt. Zwar wurde die Strafe dann auf 34 000 Gulden "ermäßigt", war aber immer noch so hoch, dass sie die Stadt unmöglich aufbringen konnte. So musste die Stadt 1000 Eimer Wein liefern und eine große Zahl an Weingärten in Mörbisch und die beiden Dörfer Loipersbach und Klingenbach an die königliche Kammer versetzen.

Das war nun die Chance für den Raaber Bischof Georg Széchenyi, der die Pfandsumme hinterlegte und damit die beiden Dörfer in seinen Besitz brachte. Vor allem auf Loipersbach, das in der Zwischenzeit von Agendorf getrennt worden war und als selbständige evangelische Gemeinde zum Zufluchtsort für die bedrängten Evangelischen aus den Esterházy - Herrschaften geworden war, hatte er es abgesehen. Richter und Rat, die sich weigerten, einen katholischen Priester zu akzeptieren, wurden in Kroisbach eingekerkert und die Kirche mit Gewalt aufgebrochen und in Besitz genommen. Später wurden die Orte den Günser Jesuiten übergeben. 1673 ging Kolonits, der Wr. Neustädter Bischof und Kammerpräsident, noch weiter. Er erzwang die Wahl Matthias Preiners, eines Katholiken, zum Stadtrichter. Die Stadträte wurden so aufgeteilt, dass genau die Hälfte von Katholiken und Protestanten gestellt wurde. Bei dieser Regelung sollte es dann bis ins 19. Jahrhundert bleiben.


Bischof Georg Széchenyi begann mit der Vertreibung der evangelischen Pfarrer aus den Stadtdörfern. Die Kirchen von Agendorf, Wolfs und Harkau wurden aufgebrochen und mit Waffengewalt in Besitz genommen. Matthias Rosner, der Pfarrer von Agendorf, musste, wie viele andere, ins Exil. Später Hofprediger in Sachsen. Am 8. Jänner 1674 war auch Pfarrer Fleischhacker aus Mörbisch dran. Mit den Pfarrern mussten auch die evangelischen Lehrer weichen.

Am 23. Dezember 1673 wagte der Bischof den Zugriff auf die Stadt selbst. Mit 500 Dragonern erschien er vor Ödenburg. Er fand die Stadttore verschlossen und Bürgermeister Leopold Natl ließ den Bischof so lange warten, bis er sich bereit erklärte, die Stadt nur ohne die Soldaten zu betreten. Der Bischof musste sich schwere Vorwürfe wegen der Verletzung der städtischen Freiheiten gefallen lassen. Trotz dieser Standhaftigkeit mussten sich die Ödenburger auf Verhandlungen mit Bischof Kollonits und Thomas Pálfy, dem damaligen ungarischen Kanzler, einlassen. Die Stadt musste nachgeben und sehr harte Auflagen erfüllen. Alle Kirchen, Pfarrhäuser, Schulen, alle Benefizien, Stiftungen, Zechen, die sich in evangelischer Hand befanden, mussten der königlichen Kammer übergeben werden. Das Wittnyédi-Haus und der dazu gehörende Besitz fielen an die katholische Kirche. Alle evangelischen Pfarrer, Lehrer, Schüler mussten entweder die Stadt verlassen oder ihren Beruf aufgeben und einen Treueeid leisten. Das bedeutete die totale Knebelung der Evangelischen in Ödenburg, die noch immer bei weitem die Mehrheit der Bevölkerung stellten.

Trotzdem enthielten die ausgehandelten Bedingungen auch Elemente, die das Weiterleben des evangelischen Glaubens und dessen Behauptung in der Stadt ermöglichten. Dies war in erster Linie der Nähe zu Wien zu verdanken, wo ausländische Gesandte evangelischer Fürstenhäuser lebten, denen man Gelegenheit geben musste, einen evangelischen Gottesdienst zu besuchen. Zwei evangelischen Predigern wurde erlaubt, in Privathäusern Gottesdienste abzuhalten. Auch evangelische Begräbnisse waren in der Stadt weiterhin gestattet, das Spital war weiterhin beiden Konfessionen zugänglich. Am wichtigsten war aber: kein Evangelischer durfte gezwungen werden, seinen Glauben zu wechseln.

Eines der Privathäuser, in denen Gottesdienst gehalten wurde, war das Haus der Fürstin Eggenberg, der St. Georgskirche und dem Jesuitenkolleg direkt gegenüber gelegen. Anna Maria Eggenberg war 1671 als Witwe nach Ödenburg gezogen. Sie stammte aus dem kurfürstlich brandenburgischen Herrscherhaus. Ihr Mann war Großmarschall, ihre Söhne waren mit Frauen aus den Häusern Liechtenstein und Schwarzenberg vermählt, ihre Schwester war mit dem sächsischen Kurfürsten vermählt. Sie hatte auch vor ihrer Eheschließung die Beibehaltung ihres evangelischen Glaubens ausbedungen. In Ödenburg stellte sie Pfarrer Matthias Lang als Hofprediger an und ließ im Hof ihres Hauses die bis heute erhaltene Predigtkanzel einbauen. Dort konnten die evangelischen Ödenburger nun ihre Predigten hören.

Am 25. Feber 1674 musste der langjährige evangelische Pfarrer von St. Michael, Christian Sobitsch, Abschied nehmen. Er war nur einer unter vielen. 730 evangelische Pfarrer wurden vor das Pressburger Sondergericht zitiert, 42 wurden als Sklaven auf venezianische Galeeren verkauft. Die Jesuiten demonstrierten ihren Sieg, indem sie nun in die Innenstadt einzogen. Sie übernahmen die St. Georgskirche, das Witnyédi-Haus und weitere Häuser neben der Kirche, wohin sie nun ihr Gymnasium aus der Vorstadt, aus der Sandgrube, verlegten. Die Kirche wurde im barocken Stil umgebaut und um Altarkapellen erweitert.

Der Ödenburger Landtag von 1681 gestattete dann die Rückkehr der vertriebenen Pfarrer und Lehrer. 1682 wurden die deutschen und die lateinischen Schulen wieder eröffnet. Das Gymnasium wurde in das frühere ungarische Gymnasialgebäude verlegt das einzige Gebäude, das im Besitz der Evangelischen geblieben war. Rektor wurde Johann Fridelius, ein Ödenburger, Conrektor Georg Balogh (ein gelehrter Ungar, der Cornelius Nepos und die Briefe des Cicero ins Ungarische übersetzte). 1693 wurde ein ausführlicher Schulplan beschlossen – auf der Grundlage eines Gutachtens des gebürtigen Ödenburgers Johann Röschel, Adjunkt und später Professor in Wittenberg. Logik und Metaphysik wurden in das Programm aufgenommen. Nachfolger des Fridelius war der geborene Ödenburger Johann Christoph Deccard, der in Wittenberg studiert hatte und sehr gelehrt war. Er verfasste etwa eine Flora Ödenburgs. Er musste wegen eines Artikels, in dem er sich über das Schulwesen in Ödenburg negativ äußerte, zurücktreten. Die Zahl der Schüler nahm ständig zu, auch wegen der vielen Stipendienstiftungen. Neuer Rektor war Daniel Haynóczy, den man den Cicero seiner Zeit nannte. In der obersten Klasse wurde ein dreijähriger Kurs der philosophischen und theologischen Wissenschaft angeboten, Theologen konnten in Privatstunden auch Hebräisch studieren. Der Konvent erließ eine Art Schulordnung, in der der Tagesablauf von Lehrern und Schülern strikt geregelt war.

Ganz friedlich ging es am Ödenburger Gymnasium damals freilich nicht zu. Dogmatische Streitigkeiten, meist zwischen den Stadtpfarrern und den „modernen“ Lehrer des Gymnasiums brachten Unruhe. Die Lehrer brachten von den deutschen Universitäten den Geist der Aufklärung nach Ödenburg. Zum Beispiel wurde die Förderung der Mathematik und der Naturwissenschaften von den Stadtpfarrern, vor allem Örtel, nicht eben begrüßt. In der Orlich – Affäre kam der Konflikt zum Ausbruch. Der Schüler Orlich fühlte sich bei der Stipendienvergabe benachteiligt und veröffentlichte eine Schmähschrift. Er wurde der Schule verwiesen und von den Jesuiten mit offenen Armen aufgenommen. Es wurden schwere Vorwürfe gegen den weltlichen Geist am Gymnasium erhoben. Haynoczy zog sich verbittert zurück, auch sein Nachfolger Ribini blieb nicht lange. Auch um die Aufsicht über das Alumneum wurde gestritten. Die Lehrer wechselten häufig, freilich auch, weil die Bezahlung damals miserabel war. Die Kirchengemeinde konnte und wollte sich die hohen Ausgaben nicht mehr leisten.

Nur mehr katholische Schulen in den Stadtdörfern

Für die Stadtdörfer war das 18. Jahrhundert bis zum Toleranzpatent eine Zeit der Unterdrückung. Sie hatten über fast ein Jahrhundert keine evangelischen Pfarrer und keine Schulen. Sie mussten die katholischen Geistlichen akzeptieren, Taufen und Begräbnisse von ihnen durchführen lassen und sie natürlich auch bezahlen. Das Interesse an der Erhaltung der Kirchengebäude und der Schulgebäude war gering, viele waren über Jahrzehnte desolat. Die meisten Kirchen und Schulen waren ja im Türkenjahr 1683 zerstört worden. Die zahlenmäßig reduzierten und total verarmten Bewohner der Dörfer konnte den Wiederaufbau über längere Zeit sich nicht leisten und hatten auch kein Interesse daran. Mörbisch wurde Kroisbach, Loipersbach Agendorf unterstellt. Die katholischen Lehrer beklagten sich, dass sie keine Schüler hatten. Ein zusätzliches Problem war, dass Pfarrer und Lehrer oft Kroaten waren, die nur zum Teil gut deutsch sprachen. In Loipersbach hatte der aus Wulkaprodersdorf stammende Kroate Michael Major keine Schüler. In den Visitationsberichten werden diese Zustände immer wieder angesprochen und die Gemeinden ermahnt. Zu Loipersbach heißt es: Praeter unum omnes sunt haeretici et Germani. Mit Ausnahme eines einzigen, des Lehrers, sind sie alle Ketzer und Deutsche. Obwohl das Auslaufen nach Ödenburg untersagt war besuchten die Menschen aus den Dörfern die dortigen Gottesdienste und vereinzelt auch das Gymnasium. Allmählich dürfte sich jedoch ein einigermaßen geregeltes Schulwesen unter katholischen Schulmeistern entwickelt haben. In Mörbisch etwa unterrichtete der Lehrer in seiner Wohnung. Vermutlich gab es auch in dieser Zeit neben den Hausandachten „Winkelschulen“, in denen des Lesens kundige Bauern oder Handwerker mit den Kindern in der Bibel lasen. In Harkau etwa richtete eine Müllnerin eine solche „Schule“ ein.

 

Die Neugründung der evangelischen Gemeinden und ihrer Schulen

Mit dem Toleranzpatent war die Zeit der Unterdrückung vorbei. In rascher Folge entstanden die Toleranzgemeinden, die Kirchen, Pfarrhäuser und Schulen bauten, wenn auch zunächst nur in bescheidenen Dimensionen. In Mörbisch wurden Pfarrhaus und Schulhaus 1790 fertig gestellt, mit einem gemeinsamen Eingang. Die Schule hatte einen Raum, ebenso die Lehrerwohnung. Der Pfarrer war etwas komfortabler untergebracht, er hatte zwei Zimmer. In den 1830er Jahren wurden das Unterrichtszimmer und auch die beiden Wohnungen erweitert. Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte, als die Bevölkerung in den Dörfern explodierte, kam es zu Schulerweiterungen oder Neubauten. Trotz der vielen Ermahnungen der Schulbehörden hinkten auch die evangelischen Gemeinden den Erfordernissen nach. So kam es nicht selten vor, dass von einem Lehrer weit über 100 Kinder, in Wandorf sogar 200 unterrichtet werden mussten. Wohl sah man die Wichtigkeit entsprechender Schulbauten ein, die wirtschaftlichen Verhältnisse führten aber immer wieder zu Verzögerungen.

92 berzsenyigymnasiumDas Gymnasium in Ödenburg erlebte eine neue Blütezeit. 1785 wurde eine Schulkommission eingesetzt, unter Konventspräsident Ludwig Gabriel. Diese überreichte dem Konvent Vorschläge für eine Schulreform, besonders in den Bürgerschulen, die in einem miserablen Zustand waren. Sie kamen aber nicht durch, die Kirchengemeinde sparte. Man beantragte auch an Stelle der beiden oberen Klassen des Gymnasiums die Einrichtung eines Lyzeums mit drei Klassen. Einer der drei Professoren sollte Rechtswissenschaft und Geschichte, Geographie Statistik, Ökonomie und Technologie unterrichten, ein zweiter Philosophie und Mathematik, Naturgeschichte und Physik, ein dritter Theologie. Der Kurs sollte 5 Jahre dauern. Die klassischen Studien sollten weiterhin in den vier Klassen des Gymnasiums unterrichtet werden. Auf die zwei oberen Klassen des Gymnasiums folgte das Lyzeum mit drei Klassen (zu je drei Semester). Insgesamt wurden 31 verschiedene Wissenschaften vermittelt. Das ging schief, zumal die Lehrer nicht das Format eines Schwartner hatten. Der Distriktskonvent wurde einberufen, fand aber keine Lösung. Der neue Direktor Raics ging noch weiter, er wollte aus dem Lyzeum eine Universität machen. Erst 1843 kam es dann zu einer Vereinheitlichung aller Lyzeén durch den Zay - Ugróczer Stundenplan, mit Betonung der Naturwissenschaften auf Kosten der klassischen Sprachen.

Martin Schwartner1786 wurde Martin Schwartner berufen, ein außerordentlicher Glücksfall. Schwartner war ein exzellenter Wissenschaftler und Lehrer. Er gilt als der Vater der ungarischen Rechtswissenschaft, der Statistik, der Landesbeschreibung. Der gebürtige Käsmarker blieb nur zwei Jahre. Diese waren aber der Höhepunkt in der Entwicklung des Ödenburger Gymnasiums. Er wurde schließlich als Professor - als erster Protestant - an die Universität Pest berufen. Auf sein Anraten ließ man von den hochfliegenden Plänen ab, das Lyzeum wurde etwas bescheidener verwirklicht. Auch Karl Georg Rumy war für einige Zeit Lehrer, 1813 ging er nach Kesthely, in die berühmte landwirtschaftliche Hochschule der Festetics. Pfarrer war in dieser Zeit Gottlieb Gamauf (bis 1841), ab 1807 Johann Kis. Gamauf schrieb eine Geschichte der evangelischen Gemeinde zu Ödenburg und unter anderem auch ein Lehrbuch der Erdkunde. Kis wurde 1812 Superintendent, 1817 wurde er geadelt. Er wurde königlicher Rat und erhielt in Jena die Doktorwürde. Beide lehrten auch erfolgreich am Lyceum.

1790 wurde auf betreiben von Johann Kis – Pfarrer der deutschen Gemeinde - die „Magyarische Gesellschaft“ gegründet, die sich zur Aufgabe machte, die magyarische Sprache und Nationalliteratur zu fördern. 1805 wurde dann als Gegenstück eine „Deutsche Gesellschaft“ gegründet. Anfangs war das Verhältnis der beiden Vereine zueinander gut, viele Persönlichkeiten gehörten beiden an. Später allerdings wurde die „Magyarische Gesellschaft“ zu einem Hort des ungarischen Nationalismus.

1825 erhielt das Lyceum ein neues Gebäude. Es kostete 25 800 Gulden. Der Betrag wurde nur von der Ödenburger Kirchengemeinde aufgebracht. In dieser Zeit wurde Leopold Petz an das Gymnasium berufen – nach Schwartner wohl die bemerkenswerteste Persönlichkeit dieser Anstalt. Er war gebürtiger Ödenburger, Rektor und Prediger in Raab. Er sprach 15 Sprachen und leistete unendlich viel durch Übersetzungen der griechischen, deutschen, englischen Klassiker ins Ungarische und ungarischer Werke ins Deutsche. Ein Denkmal hat er – anders als der Dichter Berszenyi - bis heute nicht bekommen, denn er wandte sich gegen die allmählich einsetzende Magyarisierung. Petz war auch Pfarrer (seit 1831), blieb aber Professor der Theologie und Physik. (gestorben 1840)

Ab 1829 gab es schon eine Art Schullehrerseminar.

1841 wurde der Mörbischer Matthias Müllner Direktor. Im gleichen Jahr wurde Ungarisch als Unterrichtssprache eingeführt. Bisher (seit 1828) wurde in jeder Klasse nur ein Gegenstand in Ungarisch unterrichtet. Die Schüler der Anstalt waren zu dieser Zeit schon überwiegend Magyaren.

Dann kam das Jahr 1848, die Revolution unter Kossuth. Die evangelische Kirche Ungarns stand überwiegend auf Seiten der Revolution. Die Rolle, die Wimmer in Oberschützen spielte, ist allgemein bekannt. Er war es, der den Aufruf Kossuths ins Ungarische übersetzte und so überarbeitete, dass die nationalistischen Parolen auch für die Deutschen akzeptabel wurden. Wimmer kostete seine Aktivität sein Amt, beinahe auch sein Leben. Er konnte im letzten Augenblick fliehen und verbrachte den Rest seines Lebens in Amerika. Auch der damalige Superintendent Matthäus Haubner rief in einen Hirtenbrief zur Unterstützung der magyarischen Sache auf. Er wurde nach dem Scheitern der Revolution in den Kerker geworfen (Festung Kufstein). In der Zeit danach, in der Bachära, wie die Ungarn sagen, im Neoabsolutismus, wurde nicht nur Ungarn, sondern besonders auch die evangelische Kirche unter staatliche Aufsicht gestellt. Der neu eingesetzte Superintendent Wohlmuth wurde boykottiert. 1860 wurde dann Haubner wieder eingesetzt.

Über die Ereignisse in den Dörfern des Ödenburger Landes wissen wir wenig.

Anders als unter dem Einfluss Wimmers im Südburgenland scheint der Einsatz für die Revolution nicht allzu groß gewesen sein. Einige Männer – in Mörbisch waren es drei – wurden zur Nationalarmee eingezogen. Ansonsten schweigen die Pfarrchroniken, wohl auch um niemandem zu diskreditieren. Bei Neueinstellungen wurde von den Behörden untersucht, wie sich die Betreffenden 1848/49 verhalten hatten. In Ödenburg hingegen – weniger in der Bürgerschaft als unter den Studenten vor allem des Lyzeums und hier wiederum unter den Theologen - war die Aufregung groß. Hier gab es schon längere Zeit einen „Geheimbund“ der magyarisch gesinnten Studenten, der sich „Komitat am Studentenbrunnen“ nannte. Die Mitglieder trafen sich im Wald zu Kundgebungen mit ungarischen Liedern und Literatur. Müllner schreibt von einer „fieberhaften, leidenschaftlichen Aufregung, besonders unter den oberen Classen. In kürzester Zeit wurde „alle Ordnung und alle Bande frommer Scheu und kindlicher Pietät“ gelöst. Die Studenten verfassten eine Reformforderung, in der sie sehr scharf eine Neuorganisation, ja sogar „einen vollständigen Abriss des alten Gebäudes“, verlangten. Der Nationalismus kochte hoch und gipfelte in der Forderung, die „Deutsche Gesellschaft“ aufzulösen. Auf diese Forderungen in ungarischer Sprache antwortete die Professorenschaft zweisprachig, zeigte sich reformbereit, wehrte sich aber gegen die respektlose Vorgangsweise der Studenten. Der Unterricht kam zum Erliegen. Der Spuk. Das „wilde Treiben“ (Müllner) hörte bald auf, als die österreichischen Truppen in die Stadt einmarschierten und sich die radikalen Elemente zu Kossuth begaben. Die Schülerzahl ging stark zurück, auf ein Drittel, auch weil nunmehr Deutsch wieder zur Unterrichtssprache wurde. Müllner, der zu beruhigen versuchte, hatte wenig Erfolg. Er wurde 1850 Professor der Theologie und der Physik.

Die folgenden Jahre waren für das Lyzeum schicksalshaft. Trotz Neoabsolutismus und strikter Kontrolle verlor das Lyzeum endgültig seinen Charakter als deutsche Anstalt und als Einrichtung der Ödenburger Kirchengemeinde. Auf Betreiben des Pfarrers Moritz Kolbenheier, der 1848 wegen einer Predigt verhaftet worden war (mit Hilfe eines einflussreichen Verwandten aber bald wieder freikam), wurde das Lyzeum der Stadt entzogen und dem Kirchendistrikt jenseits der Donau unterstellt. Auf diese Weise konnte man die magyarische Unterrichtssprache wieder einführen.

1849 erließ das Unterrichtsministerium einen Organisationserlass für alle Gymnasien, der auch in Ödenburg durchaus begrüßt wurde. Die meisten evangelischen Gymnasien konnten aber die Vorgaben in finanzieller Hinsicht nicht erfüllen. Es wurden 8 Klassen und mindestens 12 Lehrer vorgeschrieben (bisher 4). Der Konvent sah sich nicht in der Lage die hohen Mittel aufzubringen. Damit hätte das Lyceum das Öffentlichkeitsrecht verloren. Tatsächlich wurde dieses den Lehranstalten 1851 abgesprochen. Die Regierung bot an, die fehlenden Mittel zur Verfügung zu stellen, beanspruchte dafür aber Einfluss auf die Direktoren- und Lehrerwahl. Der Konvent war damit einverstanden, nicht aber der Kirchendistrikt (der auch bisher schon eine Professorenstelle bezahlte). Der Kirchendistrikt erklärte sich bereit, sowohl das Gymnasium wie die theologische Lehranstalt zu übernehmen. Die Anstalten kamen damit unter unmittelbare Aufsicht des Kirchendistriktes. Der Stadtkonvent zahlte aber weiterhin einen beträchtlichen Teil der Aufwendungen (etwa ¼, laut Vertrag), stellte ein Viertel der Schulkommission. Die evangelische Kirchengemeinde durfte also weiterhin zahlen, hatte aber keinerlei Einfluss auf das Lyzeum.

1851 wurde die Neuorganisation im Sinne des Ministerialentwurfes beschlossen Für das Gymnasium wurden 12 Lehrer, für die Theologie zwei Professoren eingestellt. Der Theologiekurs umfasste zwei Jahrgänge, die Absolventen sollten danach mindestens ein Jahr an einer ausländischen Universität studieren. 1853 wurde ein Kurs für die Ausbildung von Volksschullehrer eingerichtet. Das Ziel war eine eigene Lehrerbildungsanstalt, für die man vor allem im Ausland sammelte (Gustav Adolf – Verein).

Große Probleme gab es noch wegen der Unterrichtssprache. Die neuen Betreiber der Schulen hatten vom Anfang an das Magyarische als Unterrichtssprache festgelegt, der deutschen Sprache sollte „gebührend Rechnung getragen werden“. Die Regierung war damit nicht einverstanden und verlangte, dass einige Gegenstände in deutscher Sprache gelehrt werden sollten. Man musste sich widerwillig fügen. Im März 1855 erhielt das Gymnasium wieder das Öffentlichkeitsrecht. Kolbenheyer hat übrigens sein Eintreten für die ungarische Sprache später zutiefst enttäuscht bedauert, in einem Privatbrief an Anastasius Grün.

In allen Lyceen und theologischen Akademien gab es auch Kurse in Pädagogik und Methodik – in Tschapring, in Preßburg, in Ödenburg Was dort im ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert gelehrt wurde mutet heute außerordentlich modern an. Es zeigt die ständige Verbindung zu den Universitäten Deutschlands und zu allen modernen Strömungen – besonders zu Jena und Halle, den Hochburgen des Pietismus und dessen neuen Strömungen in der Pädagogik, zu Göttingen, zum Rationalismus und Neuhumanismus usw.

Es entstanden eine reichhaltige pädagogische Literatur und viele Organisationsentwürfe, etwa von Mathias Bel in Preßburg, ganz im Geiste des Pietismus (Führung von Klassenbüchern, kindgerechter Unterricht, „väterliche Güte“ statt Prügelstrafen …) Haynocsy übernahm in Ödenburg viel von Bel. Er verlangte eine pädagogische Ausbildung am Lyceum, die Anlage von Lehrmittelsammlungen, von Schulbüchereien…) Es entstanden viele kindgerechte Lehrbücher. So etwa schrieb Theophil Gamauf 1819 ein Lehrbuch der Erdkunde.

Neben dem Gymnasium bzw. Lyceum sollte auch die Bürgerschule beachtet werden. 1798 kam Samuel Bedetzky aus Jena nach Ödenburg und übernahm die Leitung einer neuen Bürgerschule, die sich zu einer Musterschule entwickelte. Er erkannte die Bedeutung der Motivation im Unterricht, weckte gezielt die Neugier der Schüler, verwendete Schaubilder, gute kindgemäße Bücher. Im Religionsunterricht lehnte er das Nachplappern von Bibelsprüchen ab. Es sollte den Kindern nichts eingeprägte werden, was sie nicht verstehen. Den Kindern sollte Achtung und Aufmerksamkeit entgegen gebracht werden. Viel Wert legte er auf Ordnung und Reinlichkeit, Pünktlichkeit und Fleiß.

Bredetzky hielt am Lyceum pädagogische Vorlesungen, ebenso Ludwig Schedius, dessen Lehrplan besonders interessant ist. Er verlangte praxisnahe Bildung. Die Methoden muten sehr modern an.

Um die Jahrhundertmitte bereiteten dann die die Bürgerschulen große Probleme. Die Schülerzahl stieg etwa von 1841 auf 1853 von 439 auf 932 an. Immer mehr Klassen und Lehrer waren erforderlich und verursachten hohe Kosten. 

 

Die Schulen in den Stadtdörfern

Die evangelischen Schulen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren gekennzeichnet durch ständig steigende Schülerzahlen, durch wachsenden Raumbedarf und damit Neubauten von Schulgebäuden, die allerdings oft lange hinausgezögert wurden, da die wirtschaftliche Situation vor allem nach dem Auftreten der Reblaus nicht besonders rosig war. In den Dörfern wirkten unter zumeist tüchtigen Pfarrern Lehrerpersönlichkeiten, die mit ganzer Kraft ihre Pflicht erfüllten. Nur selten hört man in dieser Zeit Kritik oder Beschwerden über die evangelischen Lehrer. Sie genossen ja auch – zumeist in den Ödenburger Anstalten – eine hervorragende Ausbildung, auch in didaktischer und methodischer Hinsicht. Dass die die Vorgaben der pietistisch geprägten Unterrichtslehre nicht immer voll erfüllen konnten war bei meist über hundert bis zu zweihundert Schüler nicht weiter verwunderlich. Ihre Belastung und die der Lehrerfrauen, die nicht selten zahlreiche Kinder hatten – der langjährige Mörbischer Lehrer Hafenscher hatte neun Kinder - , war groß, da zum Unterricht noch der Kantorendienst und die Tätigkeit als Ortsnotär dazu kam.

Es war vor allem die Aufgabe der Lehrerfrauen, etwas zur kargen Entlohnung dazu zu erwirtschaften. Die Bezahlung des Schulgeldes erfolgte oft schleppend. Es musste zunächst vom Lehrer selbst eingehoben werden. Auch die Wein- und Fruchtkollekten, die Teil der Entlohnung waren, wurden nicht immer gegeben. Man darf dabei nicht vergessen, dass viele Menschen, vor allem die Inwohner, am Rande des Existenzminimums lebten und einfach nicht in der Lage waren, zu zahlen.

In vielen katholischen Schulen wurde der Lehrer als Diener des Pfarrers missbraucht (Läuten der Glocken, Betreuung der Turmuhr, Waschen der Messgewänder, Backen der Hostien und vieles mehr) und lebte nicht selten in einem Spannungsverhältnis zum jeweiligen Pfarrer, der ja auch der Leiter der Schule war. In den evangelischen Schulen bestand zwar auch das Abhängigkeitsverhältnis vom Pfarrer, der Lehrer hatte aber ein höheres Ansehen, nicht zuletzt wegen ihrer gediegenen Bildung, und es sind kaum Konflikte überliefert. Im Normalfall zog man an einem Strang. Manche der Lehrerpersönlichkeiten wurden legendär und man erinnerte sich bis in die Zwischenkriegs- und Nachkriegszeit an sie, etwa an Paul Hafenscher in Mörbisch, die Lehrerdynastie Purt in Agendorf, Johann Benedek in Loipersbach. Streng, aber gerecht und auf einen entsprechenden Bildungserfolg bedacht - lautet meist das Urteil über sie. Gegen Ende des Jahrhunderts sollte sich dies freilich ändern. Die „Kirchenzucht“, die manchmal recht massive Einmischung in das „Privatleben“, wurde immer weniger akzeptiert.

Häufiger kam es zu Konflikten mit den Hilfslehrern und später mit dem notgedrungen angestellten zweiten oder dritten Lehrer. Die Kantorlehrer wehrten sich nicht selten gegen deren Anstellung, obwohl sie sicher überlastet waren. Dabei ging es vor allem um die finanzielle Seite, um das Schulgeld, um das Holzdeputat (etwa in Agendorf) und ähnliches. Die Lehrergehälter waren ja in den evangelischen Schulen – verglichen etwa mit den Staatsschulen – sehr gering, Altersversorgung oder Versorgung von Witwen und Waisen waren ein riesiges Problem. Gegen die Jahrhundertwende wurden dann auch um unterschiedliche politische Ansichten, etwa zwischen Purt und Weber in Agendorf, zunehmend wichtig. Zu einem Machtkampf um die Schule zwischen Pfarrer und Lehrer, man könnte sagen zu einem Kulturkampf, artete die Situation in Wandorf aus.

Der Unterricht erfolgte natürlich in deutscher Sprache. Die Einführung der magyarischen Unterrichtssprache erfolgte trotz der Zusicherung kultureller Autonomie durch das Gesetz von 1867 schrittweise. Zunächst wurden vier Stunden Ungarisch unterrichtet. Die Schulen konnten zwischen drei Typen wählen, wobei die Schulen im Ödenburger Land sich für den Typ A entschieden. Der Großteil des Unterrichtes wurde in der Muttersprache gehalten. Der Staat griff aber immer stärker in die Autonomie ein, mit einheitlichen Lehrplänen, approbierten Lehrbüchern usw. Auf die Lehrer wurde Druck ausgeübt, vor allem nachdem der Staat die Bezahlung der Lehrer in den 1990er Jahren übernahm. Es war ein ausgeklügeltes System von Zuckerbrot und Peitsche. Lehrer und Schulen, die Erfolge im Ungarischunterricht vorweisen konnten, wurden belobigt und auch finanziell belohnt. Andere mussten während der Ferien an Ungarischkursen teilnehmen usw. Die Mörbischer Lehrer wurden bei Schulinspektionen immer wieder belobigt – wegen der großen Fortschritte, die der Ungarisch – Unterricht machte. Ich würde allerdings alle diese Maßnahmen nicht zu sehr überschätzen, auch wenn die meisten Lehrer – autoritätshörig wie Lehrer nun einmal sind – durchaus ungarische Patrioten waren und auch die Kinder in diesem Sinn erzogen. Georg von Horvath etwa, lange Zeit Lehrer in Loipersbach, anscheinend selbst magyarischer Herkunft, brachte den Kindern etwas Ungarisch bei. Sie konnten das Vaterunser ungarisch aufsagen und auch einige „Reime“ zur Geographie Ungarns. Die Schulinspektion war allerdings der Meinung, es wäre schön, wenn die Kinder das gelernte auch verstehen würden. Das war offenkundig nicht der Fall. Scholz und die Agendorfer Lehrer, wohl auch die der anderen Stadtdörfer, waren natürlich keine magyarischen Nationalisten. Ihr Einsatz für das Ungarische resultierte aus einem komplexen Bündel an Motiven, die weit über die gesetzlichen Vorschriften hinausgingen. Da war zunächst die Erkenntnis, dass es Vorteile im Umgang mit den Behörden, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht brachte, wenn man neben der Muttersprache auch die Staatssprache beherrschte. Manche Familien schickten ihre Kinder zum Ungarischlernen in magyarische Gemeinden. Das Erlernen der deutschen Sprache war übrigens auch ein Hauptgrund, warum viele ungarische Familien der Oberschicht bis zum Ende der Monarchie ihre Nachkommen an die Ödenburger Schulen, besonders an die vielen dortigen privaten Erziehungsanstalten (etwa das Lähne-Institut) schickten. Unter vielen anderen war auch der spätere Reichsverweser Nikolaus von Horthy in einer Ödenburger Erziehungseinrichtung. Neben praktischen Erwägungen waren viele auch der Ansicht, dass ein sozialer Aufstieg nur mit der perfekten Beherrschung der ungarischen Sprache möglich war, wozu freilich auch das Bekenntnis zur ungarischen Staatsnation kommen musste, eventuell auch die Namensmagyarisierung. Scholz und seine Gesinnungsgenossen vertraten ja die Ansicht, dass diese Aufsteiger aus dem deutschen Bürger- und Bauerntum der magyarischen Nation gehörten. Er selbst nannte seinen ältesten Sohn Arpad und war sichtlich stolz auf seine Verwandten, die Söhne des Agendorfer Notars Blickle, die unter dem neuen Namen Bartfay hohe staatliche Funktionen in Budapest erreichten. Das hinderte ihn freilich nicht daran, sich für seine deutsche Muttersprache und die seiner Gemeinde einzusetzen. In der Atmosphäre des hoch kochenden magyarischen Nationalismus vor allem während der Milleniumsfeier 1896 war man immer weniger bereit, diese Einstellung zu verstehen. Scholz wurde später als „Pangermane“, ja sogar als Landesverräter diffamiert. Zur bildungspolitischen Katastrophe wirkten sich erst die Apponyischen Schulgesetze von 1907 aus, die ausschließlich Ungarisch als Unterrichtssprache erlaubten. Aus vielen Dokumenten der Zeit, aus Briefen etwa, kennen wir die Auswirkungen. Die Menschen konnten weder ungarisch noch deutsch schreiben. Scholz stellte erschüttert den Bildungsverfall fest und konnte die Ursache nur in der Verdrängung der Muttersprache finden. Diese Erkenntnis wird ihm nicht leicht gefallen sein, da er ja selbst einiges dazu beigetragen hatte.

Ein kurzer Überblick über die einzelnen Volksschulen soll deren Entwicklung aufzeigen, wobei über die Gemeinden – mit Ausnahme von Wolfs- ausreichende Informationen vorliegen.

Der erste evangelische Lehrer in Loipersbach war Unger Samuel, der 1791 bestellt wurde und bis 1799 blieb. Er war gebürtiger Agendorfer und wurde noch während seines Studiums in Ödenburg zum Lehrer und Notär nach Loipersbach berufen. Er unterrichtete im Gemeindehaus 35 Kinder. Er ging dann nach Agendorf, wo er die Lehrerswitwe Ehnel heiratete. Sein Nachfolger wurde Georg von Horvarh aus Nagyzsenye im Eisenburger Komitat. Er konnte bereits in der neuen Volksschule unterrichten, die in den Jahren 1798 bis 1800 um 691 Gulden errichtet worden war. Ihm gelang es, besonders die Knaben nach der Konfirmation noch zu einem weiteren freiwilligen Schulbesuch von zwei Jahren zu überreden. Im Cholerajahr 1832, als es den Loipersbachern verboten war, nach Agendorf zu gehen, hielt Horvath in Loiperbach Gottesdienst. Er erlebte noch den Bau und die Einweihung des neuen Schulhauses im Jahre 1847. Da er 97 ludwig purt der aeltereschon sehr alt war erhielt er in Ludwig Purt eine Hilfskraft. Purt blieb bis 1850 Lehrer in Loipersbach, gefolgt von Franz Peter bis 1857 und Wilhelm Süßmann 1958. 1859 trat dann Johann Benedek seinen Dienst an und blieb bis 1903. Er gründete einen Schul- und Turmbaufonds. 1888 konnte die „Neue Schule“ mit einem Turm und einer sehr schönen Lehrerwohnung verwirklicht werden. Die Schule wurde auch für Gottesdienste genutzt und schließlich nach der Abtrennung von der Muttergemeinde Agendorf zur Kirche umgestaltet. 1903 wurde Franz Josef Schwarz, ein gebürtiger Pinkafelder, als Kantorlehrer berufen. 1907 wurde mit Rudolf Hutter ein zweiter Lehrer eingestellt. Die beiden waren miteinander heftig zerstritten, wobei auch politische Gegensätze eine Rolle spielten. Schwarz blieb bis 1937, Hutter wurde 1938 pensioniert.

In Agendorf war die Errichtung einer Schule mit einigen Problemen verbunden. 1785 verbot der Oberstuhlrichter die evangelische Schule. Erst als sich die Gemeinde verpflichtete, den katholischen Lehrer weiterhin zu bezahlen, konnte der Kantor Johann Ehnl 1786 mit dem Unterricht beginnen, 1789 wurden Pfarr- und Schulhaus nebeneinander gebaut. Der 1810 neu bestellte Pfarrer Josef Kalchbrenner legte auf den Ausbau des Schulwesens in Agendorf und in den beiden Filialen besonderen Wert. Er hielt mit allen drei Schulmeistern eine Konferenz ab, in der ihnen ihre Pflichten eingeschärft, die Lehrgegenstände festgesetzt und jährlich zu Ostern öffentliche Prüfungen beschlossen wurden. Das den Lehrern gezahlte Schulgeld wurde in allen drei Ortschaften verdoppelt und das Jahresgehalt des Agendorfer Lehrers Unger beträchtlich erhöht. Der Pfarrer führte 1813 eine Abendschule im Winter ein, in der er oder Lehrer Unger Vorträge (Physik, Naturbeschreibung, Oekonomie usw.) hielten. Eine Schulbibliothek wurde eingerichtet. Kalchbrenner, dessen Sohn Karl ein bedeutender Naturforscher (Begründer der ungarischen Pilzkunde, Pflanzengeograph) war, wurde schließlich als Pfarrer nach Pest berufen. Die Schule war inzwischen längst zu klein geworden und wurde dem Lehrer Unger als Wohnung überlassen. Der Unterricht wurde in das Gemeindehaus verlegt, das jedoch kalt und feucht war. 1842 wurde daher der Beschluss gefasst, eine neue Schule mit Lehrerwohnung zu bauen. 1850 berief die Gemeinde Ludwig Purt den Älteren als Lehrer. Er stammte aus Güns und war mit Josephine, der Tochter des Mörbischer Lehrers Paul Hafenscher, verheiratet. Schon 1864 gründete er den Männergesangsverein „Liederstrauß“, einer der ersten derartigen Vereine in ganz Ungarn. Während der Choleraepidemie erkrankte auch Pfarrer Fleischhacker und Ludwig Purt führte 47 Begräbnisse durch. Die Zahl der Schulkinder erreichte inzwischen nahezu 200, das Gesetz von 1866 schrieb aber 70 als Obergrenze vor. Man musste also 1871 die Frage derAnstellung eines zweiten Lehrers und eines neuen Schulbaues erörtern. 1872 wurde Michael Röh als zweiter Lehrer gewählt, der aber schon nach einem Jahr nach Wolfs ging. Die Stelle wurde sieben Jahre lang nicht besetzt, da es sofort einen Streit um das Schulgeld und das Holzdeputat ging. Purt war nicht bereit, auf einen Teil zu verzichten, zumal er zehn eigene Kinder zu versorgen hatte. Die Verhältnisse wurden allmählich untragbar und Kirchen- sowie Komitatsbehörden drängten auf eine Lösung. 1879 wurde der aus Mörbisch stammende Friedrich Kappel als zweiter Lehrer angestellt. Der alte Streit brach sofort wieder auf und konnte bis zu Purts Tod nicht beigelegt werden. Kappel wurde nach einigen Jahren als Kantorlehrer nach Pöttelsdorf berufen. Sein Nachfolger wurde der Lehramtskandidat Samuel Weber aus Güns. 1888 wurde endlich der Bau der zweiten Schule mit einer bequemen Lehrerwohnung beschlossen und im folgenden Jahr vollendet. 

In Wandorf wurde so wie in Loipersbach 1791 mit Johann Lux ein Student des Ödenburger Gymnasiums als Lehrer berufen. Er unterrichtete in einem angemieteten Haus 32 Schüler. Nach ihm wurde Matthias Halwachs Lehrer und Notär. Er musste zunächst noch ermahnt werden, da er nur deutsch unterrichtete. Bald aber zeigte er sich auch im Ungarischen besonders eifrig und wurde belobigt. 1856 brannten Schulgebäude und Glockenstuhl ab. Die Schule musste neu aufgebaut werden. Nach Halwax wurden für kurze Zeit Johann Rauner und Karl Sonntag Lehrer, 1884 wurde der aus Mörbisch stammende Johann Hafenscher berufen. Da in Wandorf die Schülerzahl besonders stark stieg musste 1887 ein neues Schulgebäude mit zwei Lehrsälen, mit zwei Lehrerwohnungen und einem Turm errichtet werden. Die zweite Lehrerstelle wurde mit Philipp Nitschinger besetzt. Er war als Lehrer und später Direktor durchaus geeignet, aber als Freidenker nicht eben nach den Vorstellungen der Kirchengemeinde.  1901 wurde die Gemeinde aufgefordert, einen dritten Lehrsaal zu schaffen und einen dritten Lehrer anzustellen. 1904 wurde die Gemeinde dazu verpflichtet. Die Schülerzahl war inzwischen auf 263 gestiegen. Die Gemeinde sah sich nicht mehr in der Lage, die hohen Kosten aufzubringen. Auch Nitschinger arbeitete auf eine Verstaatlichung der Schule hin. Scholz konnte die Verstaatlichung nicht verhindern, die schließlich 1906 erfolgte. Der Staat übernahm die Personalkosten, die Kirchengemeinde hatte weiterhin für die Sachausgaben aufzukommen und hatte das Recht, die Schule außerhalb der Unterrichtszeit zu nutzen. Die Kosten für die Gemeinde waren weiterhin sehr hoch, da neue Schulsäle gebaut werden mussten. Nitschinger versuchte immer stärker, die Schule dem Einfluss der Kirche zu entziehen. Der Lehrer Josef Bernath musste sein Kantorenamt niederlegen. Der neue Lehrer Ignaz Ritzinger „führte seine gegen Gott gerichtete und antikirchliche Tätigkeit unter der Dorfbevölkerung und den Schulkindern aus“. Offenbar fand der neue Geist, geprägt durch Materialismus und Sozialismus in der Gemeinde beträchtlichen Widerhall. 1909 wurden gegen Nitschinger und Ritzinger Disziplinarverfahren eingeleitet, wobei man Nitschinger Übermäßiges Schlagen der Kinder und die der Kirche verweigerte Benützung der Schule vorwarf. Ritzinger behauptete die Abstammung des Menschen vom Affen und behauptete, dass die Bibel die Unwahrheit sage. Das Verfahren endete 1911 mit der Amtsenthebung der beiden Lehrer. In der Folgezeit verbesserte sich zwar das Verhältnis Schule – Kirchengemeinde, die Stimmung in der rasch durch Zuzug wachsenden Gemeinde war jedoch nicht sehr kirchenfreundlich und auch die Bemühungen, aus Wandorf eine eigene Pfarre zu machen und eine Kirche zu bauen kamen nur zäh voran.

In Harkau gab es 1588 einen Lehrer, der im Pfarrhaus wohnte. In den 1630er Jahren ist ein Lehrer namens Johann Berlamoser belegt, anschließend ein Johann Ritzinger. Nach dem Beginn der Gegenreformation bestand die berühmt – berüchtigte „Kalblschul“, in der ein Viehhirte den Knaben das Lesen in der Bibel beibrachte. 1755 bestand in der Heidemühle eine evangelische Winkelschule, in der die Müllerstochter Catharina Predl unterrichtete. 1774 befand sich in Harkau eine vierklassige katholische Schule.

1783 brachte der erste evangelische Pfarrer Georg Nagy einen seiner Schüler am Ödenburger Gymnasium, Johann Schopf, als Lehrer mit. 1786 wurde der Harkauer Johann Georg Reitter Lehrer, 1789 Michael Bodendorfer, ein gebürtiger Ödenburger, dann Johann Reiter, später Organist in Preßburg. Es folgten kurzfristig weitere Lehrer. Erst 1807 bis 1831 kehrte mit Johann Wedel (Wödel), aus Agendorf gebürtig und Absolvent der Ödenburger Lateinschule, Kontinuität ein. Da die Schülerzahl stark anstieg musste eine Lösung für das Raumproblem gefunden werden. Der Konvent entschied sich mehrheitlich für die Unterbringung der Schule im Parterre des neuen Pfarrhauses. 1830 wurde die neue Schule eingeweiht. Von 1831 bis 1872 war Samuel Neuberger Lehrer. 1865 wurde eine neue Lehrerwohnung gebaut. Seit 1870 Hilfslehrer und anschließend Kantorlehrer Paul Paur aus Kobersdorf, der schon 1876. Unter ihm war Friedrich Kappel vom Ödenburger Seminar Hilfslehrer. Nach Pauers Tod verzögerte die Gemeinde die Anstellung eines zweiten Lehrers. Pfarrer Renner übernahm neben dem Religionsunterricht auch den Unterricht in ungarischer Sprache, Geographie und Naturkunde im Ausmaß von 6 Stunden. Bis 1889 war Josef Krug Lehrer und Kantor. Nach seinem Tod gab es schon weit über 100 Schüler und es mussten nun zwei Lehrer angestellt werden, Alexander Nico und Samiel Pauß. 1890 wurde auch in Harkau eine neue Schule gebaut. Weitere Lehrer waren Otto Benedek, Leirer und ab 1900 Samuel Neubauer, der das Lehrerseminar in Oberschützen besucht hatte. Er heiratete eine Harkauerin und ging 1937 in Pension. 1946, kurz vor der Vertreibung der Harkauer, starb er. Benedeks Nachfolger war der Agendorfer Rudolf Feiler, der aber 1932 nach Ödenburg ging. Nach der Vertreibung war er Lehrer in Vilshofen und starb 1983 als Konrektor in Nürnberg. Feilers Nachfolger wurde Rudolf Schwahofer, so wie seine Vorgänger ein begabter Musiker und leitete den Chor „Concordia“. Schwahofer und seine Familie wurden 1946 ebenfalls vertrieben.


 Schulen und Lehrer im „Anschlusskampf“

Eine heile Welt, wie sie Edmund Scholz in seinen Erinnerungen schildert, war das Ödenburgerland um die Jahrhundertwende längst nicht mehr. Er behauptete, die Menschen in den Dörfern würden so denken, wie es ihre Obrigkeiten taten – Pfarrer, Lehrer, Richter, Notär und die wohlhabende bäuerliche Oberschicht, die dank des strikten Zensuswahlrechtes auch in der Dorfrepräsentation saßen. Das war Wunschdenken und ging an der Realität weit vorbei. Die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen hatten sich in den rasch wachsenden Dörfern längst geändert. Die kleinbäuerlichen Wirtschaften waren trotz allen Fleißes nicht mehr überlebensfähig und wurden ständig weiter geteilt. Immer mehr Menschen waren im Brennberger Bergwerk, bei der Bahn, als Fabriksarbeiter oder als Wochenpendler in Österreich beschäftigt. Die dörfliche Gesellschaft war in jeder Beziehung mobiler geworden, vor allem in geistiger Hinsicht. Der Geist des „Materialismus“ war eingezogen, die Ideen der Sozialdemokratie, vereinzelt auch des Kommunismus, des Liberalismus der „Radikalen“ war eingedrungen. Pfarrer und Lehrer verloren zwar kaum an Ansehen, ihre Autorität war aber nicht mehr unangefochten. Die Dorfhonoratioren beklagten immer häufiger das Nachlassen der Moral, die Kirchenzucht wurde nicht mehr uneingeschränkt hingenommen, die Zahl der „unehrlichen“ Hochzeiten nahm ständig zu, ebenso die der Mischehen, der Gottesdienstbesuch ging vor allem in Wandorf stark zurück, vereinzelt wurden Taufe und Konfirmation verweigert. Die Abgaben an die Kirche flossen spärlich und wurden vor allem in Wandorf recht brutal eingetrieben.

Die politischen Gegensätze wurden in die Pfarrgemeinden und Schulen hineingetragen – in Wandorf in der Form eines regelrechten „Kulturkampfes“ um die Schule, in Agendorf im Gegensatz zwischen den Lehrern, wobei Lehrer Weber, später Direktor, auf der Seite der Opposition gegen die Dorfhonoratioren stand und diese, die „Radikalen“, die mit ihrem regionalen Führer Geza Szombor, für Minderheitenrechte, Agrarreformen, gegen den rabiaten Antisemitismus der Christlichsozialen unter Scholz und dem katholischen Pfarrer und Domherrn Huber auftraten und – früher als in der Gemeinde, wo das Zensuswahlrecht die kleine Gruppe an Dorfhonoratioren schützte- im Presbyterium die Mehrheit erlangten. Dazu kam dann das traumatische Erlebnis der Räteregierung, die zwar nur kurze Zeit dauerte, aber eine tiefe Kluft hinterließ. Es blieb ja nicht bei der Enteignung der Kirchen, der Verstaatlichung der Schulen, der Eintreibung von „Abgaben“ mit Gewalt. Auch Menschenleben waren zu beklagen. In Ödenburg schoss die „Rote Garde“ in eine Bürgerversammlung, drei Menschen starben. In Agendorf wurden zwei Eisenbahner unter nichtigem Vorwand hingerichtet usw. Dazu kam dann der Kampf um den Anschluss an Österreich.

So wie in ganz Deutschwestungarn gab es kaum Pfarrer und Lehrer, die für Österreich eintraten. Pfarrer Kirchknopf in Bernstein, ein geborener Loipersbacher, war eine Ausnahme. Er wurde verhaftet, kam mit Hilfe des Superintendenten frei und konnte einer neuerlichen Verhaftung durch die Flucht entgehen. Pfarrer Michael Bothar in Harkau war der einzige im Ödenburgerland, der vehement für Österreich eintrat. Die Freischärler hatten seinen Tod beschlossen. Er wurde aber gewarnt und konnte fliehen. Nachdem Harkau dann bei Ungarn blieb konnte er nicht zurückkehren. In Harkau war nahezu die gesamte Bevölkerung für Österreich. Pfarrer Danielisz war – ähnlich wie Scholtz, zwar deutschbewusst, aber ungarischer Patriot. Er hätte 1946 in Harkau bleiben dürfen, ging aber freiwillig mit seiner Gemeinde nach Deutschland. Ganz anders Dr. Pröhle, der als „Magyarone“ galt und der den Wandorfern schwere Vorwürfe wegen ihrer prodeutschen Haltung machte. Nach dem Krieg galt er als Widerstandskämpfer und machte Karriere als Hochschulprofessor. In Mörbisch gab es laut Fiedler kein Engagement, weder in die eine noch in die andere Richtung. Nach mündlichen Berichten soll Pfarrer Breyer proungarisch gewesen sein, ebenso wie die Lehrer Raiger und Kantner. Raiger wurde 1922, nach dem Anschluss außer Dienst gestellt, wie einige andere der alten Lehrer, wobei die offizielle Begründung ihr hohes Alter war. Dass sie Vertreter des alten Systems waren dürfte aber zumindest ein Hintergedanke gewesen sein. Kantner ließ sich – ziemlich verbittert - 1938 pensionieren, nachdem man einen jungen Nationalsozialisten zum Direktor gemacht hatte. Pfarrer Scholz und – zumindest nach außen hin – auch die Agendorfer Lehrer – waren „proungarisch“, anders als die Bevölkerung der Dörfer. Lange vor Beginn der Auseinandersetzung regte sich Scholz maßlos auf, weil zwei junge Agendorfer im Wirtshaus die Meinung vertraten, dass die Grenze „dort unten, bei Kohlhof, hingehöre. Verwundert war er, dass die Bevölkerung weiterhin ihren Ort Agendorf nannte und den Gebrauch der offiziellen Bezeichnung Agfalva verweigerte …

Ein besonders kompliziertes Kapitel ist die Entwicklung der Ödenburger Schulen und der Lehrer in dieser Zeit. Die höheren Schulen waren längst zu „Magyarisierungsmaschinen“ geworden, wie Lajos Dóczi (Ludwig Dux) anschaulich beschrieben hat. Für deutschbewusste Lehrer war kein Platz mehr, der Druck auf die deutschen Schüler war enorm und nahm dann in der Zwischenkriegszeit bis zur Unerträglichkeit zu. Sie mieden dann auch bald die höheren Schulen, was zu ihrem weiteren sozialen Abstieg in der städtischen Gesellschaft beitrug. Eine Ausnahmeerscheinung war der Ödenburger Volksschullehrer Johann Reinhard Bünker, der zur volkskundlichen Erforschung seiner Heimat unendlich viel leistete.

 

Literatur: