thumb fig 01Ein Ruhepol in all dem Chaos der Welt –
Der Rezitationsbewerb der Nationalitätenschule 2016 in Sopron/Wandorf

Wie jedes Jahr gegen Ende des ersten Monats, also diesmal am 29. Jänner 2016 wurde es Ernst für alle die Kinder, die für diesen Bewerb Energie und Freizeit bereitstellten. Diese vielen Kinder, die die Schule am Fenyö tér an diesem Tag mit Leben füllten, kamen vom Norden, Süden und Osten des Komitats. Aus Györ eine Gruppe Mädchen, die scheinbar die Elite der Vortragenden bildete, so schien es zumindest in der Kategforie IV, der 12-14Jährigen.

Doch auch in den anderen Kategorien, es gab insgesamt vier und die Gruppe der Mundart, waren hervorragende Leistungen zu bestaunen.

Ich wurde wieder einmal eingeladen, die Jury der Gruppe IV, also der Mundart und der 12-14jährigen, zu verstärken. Mit vier weiteren Kritikern waren wir gespannt, was wir heute geboten bekommen.

Waren am Anfang des Bewerbes die Teilnehmer noch etwas zurückhaltend in ihren Vorträgen, so änderte sich das schlagartig, als ein Mädchen aus Györ diese Mauer durchbrach und einen herrlich emotionalen Vortrag von Wilhelm Busch‘s „Maikäferstreich“ darbot. Von da an ging es Schlag auf Schlag. So hatten wir nun die Qual der Wahl, alle diese Leistungen, und es waren ausnahmslos sehr gute Leistungen, auch gerecht zu beurteilen. Wir hatten dann schlußendlich in dieser Kategorie zwei erste Plätze, schade, dass es nur die ersten vier in den nächsten Ausscheidungsbewerb schafften. Wir hätten am liebsten alle geschickt.

Nun möchte ich ja nicht nur eine „Reportage“ über diesen Bewerb schreiben, sondern auch ein wenig meine persönlichen Eindrücke weitergeben.

Es wird in diesen Wochen öfter an Auschwitz gedacht, Erinnerungen werden geweckt und nie mehr soll diese Zeit vergessen werden. Ein Mädchen wühlte mich auf mit dem Vortrag der „Todesfuge“ von Paul Celan. Er beschreibt in dieser Ballade einen Tag im KZ! Ich möchte sie nicht in voller Länge zitieren, doch einen Ausschnitt möchte ich doch bringen:

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr anderen spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Tief berührt hat mich dieser Vortrag, Veronika brachte ihn mit verhaltenen Emotionen, doch man merkte, es riß sie mit und sie wollte uns mitreißen. Das ist ihr wunderbar gelungen.

Doch vorher wurde ich plötzlich in die Zeit meiner Kindheit zurück geschleudert, als ich das Gedicht vom Duft des Brotes hörte. Da stieg die Jugendzeit auf, die ich in der Südsteiermark bei meinen Großeltern verbrachte. Und ich sah meine Großmutter, wie sie die herrlichen knusprigbraunen Brotlaibe, die so wunderbar rochen, aus dem Ofen holte und in der Speisekammer in einem extra dafür angefertigen Hängeregal unterbrachte. Und so ein Laib hatte schon an die fünf Kilo.

 

Zur Heimat zieht der Brotgeruch

Sinnend die Häuserreih’ entlang
mach ich auch heute meinen Gang,
da trifft mich frischer Brotgeruch,
ein lang vermißter Duftgenuß.
Wohl achtzig Jahre sind es her,
es dünkt als Wahrheit gar nicht mehr,
daß ich einst am Backofen stand
und knieend die Großmutter fand.
Still betend spricht Großmutters Mund:
Ich dank dir Herr aus Herzensgrund,
daß du in Not uns niemals läßt
und immer schaffst zu unser Best!
Die Ofenschüssel nimmt zur Hand
Großmutter schnell und ganz gewandt,
zieht dann die bräunend’ Laib heraus
und Brotduft zieht durchs ganze Haus.
Dies alles ging mir durch den Sinn,
zog mich zur alten Heimat hin,
wurd nicht gewahr, wie weit ich lief,
bis mich die Mittagsglocke rief.

Wilhelm Knabel

Wenn wir nun in diesem Jahr, im April 2016, der 70-Jahr-Feier der Vertreibung gedenken, so wird uns dann vielleicht dieses Gedicht einfallen, welches uns doch auch, mir hier und vielen anderen da draußen, die Erinnerung an etwas Verlorenes wiedergab.

So hat dieser Bewerb wieder wesentlich mehr erreicht, als eigentlich beabsichtigt war. Trotz Wettbewerbsstimmung war es ein friedlicher Wettbewerb, ausgetragen mit Geist, Können und viel Emotion. Für diese Stunden dankten wir alle, die wir ja nur in der Jury unseren Beitrag leisteten, diesen herrlichen Kindern, die Zeit und Energie für uns bereit stellten.

Auch dem Organisationsteam der Schule ein herzliches Dankeschön dafür, dass wir bei solchen schönen Stunden dabei sein dürfen. Vielen Dank auch für die köstliche Bewirtung während der Pausen und zum Abschluß.                      

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Euer rasender Reporter