Teil 2: Alle wollen den Erfolg des Schulprojektes in Agendorf

„So eine Möglichkeit wird die Agendorfer Schule nicht wieder bekommen“

Es scheinen sich alle wohlwollenden Bürger darüber einig zu sein, dass das Schulprojekt eine Möglichkeit darstellt, die eine Gemeinde alle 100 Jahre nur einmal bekommt. Damit es verwirklicht werden kann, muss die Gemeinde nun alles Mögliche unternehmen und braucht Hilfe, um in der verbleibenden Projektzeitlaufzeit bis zum 13. August 2022 die alte Schule abzureißen und die Neue mit einer entsprechenden Klassenanzahl - samt der neuen Sporthalle - aufzubauen. Solange werden die Schüler in Containerklassen untergebracht.

Die Vorgeschichte:

Agendorf (c) Rozman; GrundschuleNach dem politischen Systemwechsel und den ersten freien Wahlen wurde 1990 mit dem Gesetz Nr. LXV. , das nach sowjetischem Muster aufgebaute Rätesystem durch die kommunalen Selbstverwaltungen ersetzt. Die bisher übermächtigen Komitate verloren an Bedeutung, Ziel war die Schaffung und Ausübung der Demokratie durch freie und geheime Wahlen auf lokaler Ebene.

Steuergelder fließen also jetzt nur mehr zu den Gemeinden und in die zentralistisch verwaltete Staatskasse. Die Einnahmen der Gemeinden belaufen sich ungarnweit auf ca. 10% der gesamten Steuereinnahmen, wirtschaftlich günstiger gelegene Gemeinden sind auch „reicher“. Da die mittlere Ebene (jene der Bundesländer oder in Ungarn Komitate) diesbezüglich fehlt, gehen 90% an die Staatskasse. Somit kommt der Neuverteilung des Geldes seitens des Staates eine besondere Bedeutung zu. Auch die Minderheiten-Selbstverwaltungen können hier eine wichtige Rolle bekommen.

Diese wurden 1994 aufgrund des Gesetzes über die Rechte der nationalen und ethnischen Minderheiten eingerichtet, die Ungarndeutschen haben als zweitgrößte Minderheit nach den Roma in 406 Gemeinden lokale Minderheiten-Selbstverwaltungen aufgestellt. Diesen wurden dann im Nationalitätengesetz vom Jahre 2011 viele Rechte zur Erhaltung von Kultur und Sprache sowie zur kulturellen Autonomie, d.h. zur Übernahme von ungarndeutschen Institutionen in eigene Trägerschaft eingeräumt.

Am 1. Januar 2013 wurde die Agendorfer Schule, wie alle anderen kommunalen Schulen Ungarns, vom ungarischen Staat (Klebelsberg-Institut) übernommen. Da es aber für Kirchen und Minderheiten-Selbstverwaltungen die Möglichkeit gab, selbst Träger von Schulen zu werden, entschloss sich unsere Gemeinde diesen Schritt zu wagen. Ab 1. September 2015 ist die Deutsche Selbstverwaltung Agendorf (im Weiteren: DSVA) Trägerin der Schule. Dies Bedeutet, dass die gewählten Vertreter der DSVA die Schule beaufsichtigen und für sie auch Verantwortung tragen. Eine solche Minderheiten-Selbstverwaltung hat neben der erhöhten Pro-Kopf-Unterstützung gleichzeitig viel bessere Möglichkeiten an Fördermittel für Investitionen vom ungarischen Staat zu kommen. Angesicht dieser Chancen reichte man ab 2017 Förderanträge zur totalen Neugestaltung der Schule ein. Tatsächlich flossen in der Folgezeit bis heute dann Unterstützungen in einer Höhe von etwa 900 Millionen HUF (ca. 2,6 Millionen Euro) nach Agendorf. Mit Auflagen natürlich.

Phasen der Umsetzung – der Beginn einer langen Geschichte

Nicht alle Dokumente sind öffentlich aufzufinden (obwohl die Gemeinde verpflichtet wäre, alle Beschlüsse zu veröffentlichen). Folgendes lässt sich rekonstruieren:

  1. DSVA (Deutsche Selbstverwaltung Agendorf) unter dem Vorsitz von János Skala

    • Förderantrag durch das Beratungsbüro Impulzus erstellt (beauftragt im März 2017), erfolgreich, 500 Millionen HUF werden staatlich zugesagt.
    • Auflösung des Vertrages mit dem Beratungsbüro, 5 Millionen HUF an das Büro ausbezahlt
    • Neues Projektmanagement beauftragt am 2.01.2019 (4 Personen je 50.000 HUF pro Monat).
    • Die Kinder gehen oft auch samstags zur Schule, damit mit dem Bau schon im Mai 2019 begonnen werden könnte.
    • Öffentliches Vergabeverfahren wird veröffentlicht: 28.08.2019 und verläuft erfolglos.


  2. Kommunalwahlen in Agendorf am 13. Oktober 2019: Die Bürgermeisterin wird im Amt bestätigt, neue DSVA unter Vorsitz von Ilona Plöchl, dann Elvira Amring.
    • Wirtschaftsleiterin kündigt Anfang 2020.
    • Bei der öffentlichen Anhörung in der Gemeinde am 27.02.2020 äußert sich die Bürgermeisterin:
      „A legnagyobb összeghez a Váci Mihály Általános Iskola infrastruktúrafejlesztésével kapcsolatban kaptuk: 500 000 000 + 200 000 000 + 65 000 000 + 100 000 000Így mindösszesen 868.000.000 forint támogatásban részesültünk.”
      [Den höchsten Betrag erhielten wir bezüglich der Infrastruktur-Entwicklung der Mihály-Váci-Grundschule: 500 000 000 + 200 000 000 + 65 000 000 + 100 000 000, also insgesamt 868.000.000 HUF.“]
    • Die DSVA gibt die eigenen Enscheidungskompetenzen für die Schule an das Bürgermeisteramt ab,
    • zwei Vertreterinnen der Deutschen Selbstverwaltung treten nacheinander zurück -nach Ermahnung der LdU wird der Beschluss zurückgenommen.
    • Alle Mitglieder des Projektmanagements kündigen den Vertrag nacheinander bis zum 17.04.2020.
    • Die Schuldirektorin kündigt zum Ende des Schuljahres 2019/2020
    • 8 weitere Lehrer kündigen ebenfalls, zahlreiche Schüler-Abmeldungen.
    • neue Pläne zum Schulumbau werden in Auftrag gegeben (Kostenfaktor: über 10 Millionen HUF)
    • 10. Juli 2020: Krisengespräch zwischen der Gemeindeleitung, der DSVA, Vertretern der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen und dem Parlamentsabgeordneten für Minderheiten, Emmerich Ritter
    • Zusage weiterer Unterstützung unter der Auflage, dass das Projekt bis August 2022 beendet sein muss.
    • neue Direktorin, neue Lehrer, Container für Schüler aufgestellt

 

Ein neues öffentliches Vergabeverfahren steht noch aus, aber die Zeit drängt, außerdem müssen weitere Auflagen noch erfüllt werden.

Schwierige Zeiten und viele Fragen

  • Auslastung der Schule?
  • Wo bleibt das „ungarndeutsche Profil“ der Schule?
  • Warum kündigen so viele Lehrer, obwohl sie gar keine bessere Stelle in Aussicht haben?
  • Warum wechselt die Leitung der dt. Selbstverwaltung so schnell?
  • Geht es um ungarndeutsche Kultur oder handelt es sich nur um eine Nische zur Beschaffung von Fördermitteln von der EU und vom ungarischen Staat? (Folklore statt Kultur)
  • Rolle der Aufsichtsbehörden?
  • Einzelschicksale der „Gegangenen“, die sich verdient gemacht hatten?
  • Große und kleine Selbstverwaltung?
  • Informationen über die Geschehnisse nur bis zum 11.03. nachvollziehbar belegt
  • Welcher „Druck von außen“? Welche „Behinderung?
  • deutsche Kulturangebote (Blaskapelle, Deutscher Chor Morgenröte),
  • Es geht nicht darum, hinter verschlossenen Türen Pläne zu schmieden, sondern eher darum, als Gemeinschaft Probleme gemeinsam anzugehen.

  Weiterlesen in Teil 3: - Demokratie - Informationsfluss - Personen - Gremien

 

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