Eine sehr alte, aber zugleich auch sehr schlechte Sitte war es, dass man des einen oder anderen Menschen schlechte Eigenschaften oder Schwächen auf Papier brachte und dasselbe dann an den Haustoren befestigte oder auf der Gasse verstreute. Einen solchen Zettel nannte man "Puschkawü", was aus dem französischen Pasquill (Spottgedicht) stammte. Der Verfasser dieses Pamphlets blieb immer unbekannt; die gelesenen Puschkawü wurden sofort verbrannt, denn jeder Leser fürchtete, wegen Ehrbeleidigung vor Gericht zitiert zu werden. Selbstverständlich wurde ein solcher Fall von der ganzen Dorfbevölkerung weit und breit diskutiert und der Betroffene ausgelacht.
Ein solches Puschkawü konnte ich leider nur in Bruchstücken besorgen. Damit es besser verstanden wird, muß ich eine kurze Erklärung vorausschicken. Vor langer Zeit - der Name tut nichts zur Sache - nannte man einen Richter "Nogi" und seinen Schwager "Nigi". Der letztere war der "Zehmoasta", der Gemeindekassierer. Damals gab es noch kein Notaramt, die Steuern wurden beim Kassierer entrichtet. Diese zwei Gevattern, die das Geld von Herzen liebten, achteten sehr darauf, daß ihre Taschen immer mit blanken Talern gefüllt waren. Woher das Geld stammte, darüber erzählte das Puschkawü folgendes:
"Da Nigl und da Nogl
Holt'n zamm wia Eis'n und Stogl,
Dei sein hiazt guiti Schwocha,
Beide der Gemeinde Betriacha."
Holt'n zamm wia Eis'n und Stogl,
Dei sein hiazt guiti Schwocha,
Beide der Gemeinde Betriacha."
Dieser Richter "Nogi" hatte eine Schnapsschenke. Da er einen schlechten Ruf in der Gemeinde besaß, wollte kein Mensch mehr sein Kunde sein, nur die zwei aller schlechtesten Gestalten des Dorfes, mit den Spitznamen "Ampül" und "Forster", verkehrten bei ihm. Das Puschkawü fährt fort:
"Da Voastand sitzt in der Schnopskantin,
Koan Repräsentant geht mea hin;
Ampül und Forster sein die Hean,
Dei schaun ols wie die Bean."
Koan Repräsentant geht mea hin;
Ampül und Forster sein die Hean,
Dei schaun ols wie die Bean."
Schließlich schrieb der Dichter - selbstverständlich wußte man nie, wer es war - von sich
I ols Dichta moch den Schluß.
Bitt' meine Hean, hobt af mi koan Vadruß.
Ja seid mia jo gua liebi Hean,
I hob eng recht von Heazn gean."
Bitt' meine Hean, hobt af mi koan Vadruß.
Ja seid mia jo gua liebi Hean,
I hob eng recht von Heazn gean."
Dem an den Pranger Gestellten ließ man freilich auch ein Exemplar zu- kommen. Man schickte es ihm per Post, damit er sich daran ergötzen konnte.
Diese Puschkawü waren eine gefährliche Angelegenheit. Fand man eins, so las man es schnell und vernichtete es sofort. Nicht einmal dem besten Freund traute man sich es zu zeigen, denn man wollte nicht in des Teufels Küche geraten. Auch ich konnte nur mit größter Mühe ein Originalexemplar auftreiben, mußte aber hochheilig versprechen, dass ich unter keinen Umständen den Namen des Gebers erwähne. Es stammt aus meines Vaters Jugendzeit. Da inzwischen ein halbes Jahrhundert vergangen ist, werde ich wohl niemandes Ehre mehr abschneiden. Der kaum verständliche Originaltext:
"Meine lieben Nachbarn, In Markt hab ichs erfahren, dass die Brandin wieder hats krikt von den Finzinger Narn. Sie soll sie aber nix machen draus. Ich hof die Brand Leudt sind doch ehrlich und das wird das große Brieftaschen Haus (??). Der Schwarze Brand, das is schon ein Ehrenman, wo er schon war Das er wieder komen kan. Aber der reiche Finzinger mit seiner weißen Haut den habns wegen sein greiln auf mehr Örter zusikhaut. Liebe Nachbarn, es sind schon 11 bis 12 Jahr vergangen, wo ich nichts hab wollen anfangen, aber jetzt iss grat noch zeit, bevor sich die Brieftaschn ganz ausbreit. Der Finzinger hät das Geldt solln hergebn, 500 Gulden dafür wer auch genug gewesen, das wer ein Ehrliches gelt gewesen. Und wan der Nar hät von der Brandtin dfozn ghalten, hät ich mein Papier dahalten. Aber weils glaubn des kan nit sein, und so lang die nit krikt an Ruh kommt noch immer was dazua. Meine lieben Leut, der Finzinger Nar glaubt i bin auch so wie sie, 0 nein i bin heit besser wie morgen, dann thu ich noch ihn leuten alles offenbaren. Meine lieben Lesser, der alten Köppelmoam und der Brandin müstas lesen laßen, das a wissen was drin is gwesn, dan duts es in a Anteres Kuwert hinein und schickts ihnen behr stafet hinein, dass sie sieh alesen köna gnua. Ich hab in Aschermitwoch schon so hart bast, ich wer schon in Schöll Karll mitn Schukarn holngfarn, nur das wa mit den Zetl ausa gfahm, den die Finzingerin hat a schon geschaut mit aukn und Maul wia der gröste Gaul. Er hätt nur von den SOll was machen, das ich auch hätt können a bisl lachen, den ich bin der trokene Bruder von nassen Land, bei mir wird der nur der schwintel meister genant." Mag daraus klug werden, wer's kann, ich hab nicht alles verstanden.
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)