Nach dem Heiligendreikönigstag folgt bekanntlich die Faschingszeit mit all ihren Lustbarkeiten. Unsere Burschen und Mädl, die ohnehin ein unruhiges Sitzfleisch hatten, tummelten sich in dieser Zeit sonntags auf dem Tanzboden und freuten sich ihrer Jugend. Auch in der Faschingszeit wurde "geburscht", nur mit dem Unterschied, daß diesmal keine Tanzhütte aufgestellt und kein Tanzmeister gewählt wurde. Die "Buasch" fand am Faschingssonntag statt.
 
Am Vortag versammelten sich die Burschen und gingen zu den Mädels "Maschen einsammeln", aber nur dann, wenn es deren Eltern erlaubten, bei der "Buasch" mitzumachen.
 
Das eigentliche Faschingsvergnügen begann Sonntag nachmittag um 2 Uhr. Die Burschen trafen sich im Wirtshaus, wo die Musikanten bereits ihrer harrten und ihnen sofort ihre drei "Stickl" aufspielten. War das erledigt, holte jeder Tänzer seine Partnerin ab, die zu Hause schon ungeduldig wartete. Punkt drei Uhr begann im Gasthaus der Tanz. Die Burschen gaben auch diesmal ihre drei Ehrentänze zum besten, doch heute ohne besondere Rangfolge (Siehe Kirito!). Die Leitung lag in den Händen des Oberkellners, der sich nach den Ehrentänzen mit dem Unterkellner zurückzog, um die weißen Kellnerröcke anzuziehen. Der Unterkellner war so ein Mädchen für alles, er mußte alle "Schundoawat" verrichten und konnte nur hie und da in den Tanzsaal gucken, wo sich sein Mädchen mit anderen vergnügte. Er schnappte sich einige größeren Buben, mit denen er in die Häuser der Mädchen ging und Eier, Schmalz, Mehl, Zucker und Salz sammelte. Bekamen sie die großen Fleischhauertaschen nicht voll, so gingen sie auf "Raubzüge" aus. Gerne wurden die Hühnerställe aufgesucht, wo die Buben oft reiche Beute fanden. Nicht nur die Eier, auch Hahn und Hühner wanderten, wenn man sie gerade dort antraf, in die große Tasche. Die alten Weiber, die abends dann die Eier suchten, fluchten fürchterlich. Jetzt ging ihnen ein Licht auf, jetzt wußten sie, warum der Unterkellner heute nachmittag so freundlich mit ihnen "dischkurierte". Und während dieser sie so nett ablenkte, konnten seine Helfershelfer im Reiche der Hühner sorglos schalten und walten. Doch was getan war, konnte man nicht rückgängig machen. "Wir waren in unserer Jugend ja auch nicht braver", dachte sich das alte Mütterchen, "es sollte ihnen nur gut schmecken!">/div>
 
Auf dem Rückweg mußten unsere Beutesammler viel Neckereien seitens der Passanten über sich ergehen lassen. Die angestellte Köchin nahm schnell das Requirierte in Empfang und bereitete wohlschmeckende Bohnenknödel und Hühnerpaprikas zum Nachtmahl, das mit großem Hallo und Gelächter verzehrt wurde. Auch die Musikanten erhielten ihr Teil ... wenn was übrig blieb. Nach dem Abendessen wurde wieder getanzt, es folgten Polka und Walzer, mitunter auch Galopp, bis in den hellen Morgen.
 
Der Fasching war auch die Unterhaltung für die Alten. Im Gegensatz zum Kirchweihfest behaupteten sie jetzt den Platz. Sie ließen sich nicht von der Tanzfläche drängen, eher mußten die Jungen weichen. "Sie haun um, wia da Michl im Himmü!" war die Devise. Aber unsere Burschen waren gute Psychologen und gingen ganz behutsam vor. Sie bestellten bei den Musikanten die Polka "Olli meini Ripp und Boa", die sehr gemütlich anfängt. Die Burschen, die das Grinsen kaum unterdrücken konnten, holten "hiaz olli oitn Weiwa viera" und tanzten mit ihnen den gemütlichen Walzer, wie es schien. Doch kaum hatten sie einige Runden hinter sich gebracht, spielten die Musikanten auf Teufel komm' raus. Die Burschen lachten. . . die Weiber aber keuchten und wollten in die Ecke flüchten, doch die Tänzer hielten sie fest mit dem Vorsatz: "Hiaz oda nimma!" Die Musikanten aber hielten ihr rasendes Tempo bei, die Burschen pfiffen und alles sang, auch die Opfer im Gedanken. "Olli meini Ripp und Boa!" Endlich erbarmten sich die Musikanten, und aus dem schnellen Galopp wurde wieder ein langsamer Walzer. Doch kaum war der Tanz aus, flüchteten unsere Mütterchen in die Sitzecken und ließen sich auf der Tanzfläche lange Zeit nicht mehr sehen. Arme Weiber! Warum mußtet ihr immer die Gelackmeierten sein? Die Zeit, in welcher die müden Mütterchen keinen Zentimeter von ihrer Sitzgelegenheit wichen, nützten die alten Ehemänner aus und tanzten aus Herzenslust mit ihren Enkelinnen oder mit anderen jungen Mädchen und brauchten keine Angst zu haben, daß ihnen ihre Alte ins Ohr raunte: "Woat Oita!" Gar mancher Großvater dankte es seinem Enkel, daß er ihm half, sich von seinem "Hauskreuz" für eine Zeitlang loszureißen.
 
In der Früh begaben sich die Burschen zu den Burschdirnen zum Frühstück, wo sie dann von einer jeden eine "Sauhamma" (Schinken) bekamen. Dies "Frühstück" dauerte oft bis 2 Uhr nachmittags. Doch jetzt mußte man sich sputen, denn um 3 Uhr begann ja wieder die Tanzunterhaltung und man war ja noch nicht mal umgezogen. Auch Montags wurde wieder bis in die Frühe getanzt. . . Dienstag morgen maskierten sich unsere Helden und zogen von Dirn' zu Dirn' .Nachmittags ging es mit der Gaudi weiter, nur der Oberkellner waltete seines Amtes und erteilte der Köchin die Weisung, wieviel "Sauhamma" sie kochen und wieviel Knödel mit Kraut sie für das Nachtmahl zubereiten sollte. Die Klöße waren nach damaliger Meinung nur dann schmackhaft, wenn sie so hart waren, daß, man sie über zehn Hausdächer werfen konnte. Das "Sauhammaessn" war immer erstklassig, doch aßen immer einige Schmarotzer mit, die dort nichts verloren hatten. Anschließend wurde fleißig getrunken und getanzt. Am Mittwoch vormittag trafen sich die etwas müde gewordenen und nicht ausgeschlafenen Burschen und besprachen, wie sie den Fasching, der seine arme Seele schon langsam aushauchte, begraben sollten. Nach dieser Verabredung zog jeder Bursche seine Maske an. Einer von ihnen, der den Fasching verkörperte, wurde mit Stroh ausgestopft und auf die Totenbahre (Leiter) gelegt. Nun formierte sich der "Leichenzug". Vorne ging der Kreuzträger mit dem aus Stroh hergestellten Kreuz. Dann folgten die Träger mit dem Sarg, welchem sich der Pfarrer mit demütig niedergeschlagenen Augen anschloß. In der einen Hand hielt er den "Weinrauch" (eine dampfende Flasche Wein), in der anderen einen alten, zerbrochenen Spiegel. Auch der "Himmel" fehlte nicht: Zwei "Foschingnoan", wie man die Burschen jetzt nannte, trugen rote und blaue Schirme und hielten sie über des Pfarrers Haupt. Diese Schirme mußten noch aus der Patriarchenzeit stammen, da sie Tausende Löcher aufwiesen. Nach dem Geistlichen folgten die Leidtragenden, die faustgroße Krokodilstränen vergossen. Vor lauter "Schmerz" und Müdigkeit drohten sie auf der Stelle umzufallen und wackelten nach rechts und dann wieder nach links. (Ja, vor lauter Rausch
 
Auch die Musikanten fehlten nicht, sie konnten dem armen Fasching ja nicht abtrünnig werden, gerade jetzt, wo man ihm das letzte Geleit gab! Aber heute verlangte dieser keine lustige Polka und gemütlichen Walzer, nein, es ertönte langsam, schrittmäßig ein dumpfer Trauermarsch. Der verblichene Fasching wurde durch das ganze Dorf getragen, als wollte er von jedermann Abschied nehmen. Schließlich brachte man ihn zu seiner letzten Ruhestätte, vor das Wirtshaus. (Diese Leichenzüge waren in der .Umgebung derart bekannt, daß z. B. am Aschermittwoch fast das halbe Ödenburg auf den Beinen war, um diesen Spektakel mitzuerleben. Die Burschen nutzten die günstige Gelegenheit und schickten einen "Meßner" um, der mit seinem Klingelbeutel Geld sammelte.) Der Sarg wurde nun in das Grab (Schneeloch) versenkt, und der Pfarrer, der ein großes Buch in die Hand nahm, hielt die Leichenpredigt:
 
Wegen der derben, allzu realistischen Ausdrücken, möchte ich mich schon im vorhinein bei den Lesern entschuldigen. Der "Pfarrer", der zu oft ins Weinglas geschaut hatte, vermengte oft das Hochdeutsche mit der Mundart.

 

"Liebe Anwesenden! Mit Göd seins gean gsehn und ohne Göd weans a nit davao gjogt. Dei fia unsa Preidi 5 Kraonan heagibt in die umgehendn Beitln, dea kriagt van Wiat a Foschingsstreissal zruck. Nun geehtn Anwesandn, i moch enk mit schwean Heazn die Trauabaotschaft von den hingeschiedenen Fosching, dea nao schwean 4 weichantlichen Lei'n mit totala Eascheipfung des Gödbeitls und mit lean Fässa ins Ewichi higschiedn iso Nun lobt uns fir ihn bet'n:

 
Im Namen des Bieres und des Weines und des Weichselgeistes. Amen. Ich ersuch den Chor um einige Liada! (Die hochstimmigen Faschingsnarren:) Heil ist's und heil ist's, (die Tiefstimmigen:) im Winta, wan an' Eis is. (Der Pfarrer sprach weiter zu den Anwesenden:)
 
I woas ia Hodalumpm, ia daheagrennt's Gsindl, daß ia via Waucha af niemandn dochtest, wia ia eiri Sindn loswean keints. Hiaz, wo' s schau iwa die Zeit is und koana mea d'Sindn vapocka kao, hiat' s waüts a jeida d'Sindn in die Tuchatziacha eipocka und zum Pfoara heawoözn. (Man stellte dem Pfarrer verschiedene Anträge, ein Paar z.B. wollte heiraten und trat vor den Altar (Kellertor). Der Pfarrer vollzog die Eheschließung).

 

Nun liabs Brautpoa, tretet näha ans Köllatoa! Nun du von mia getrauti Braut, veasprichst mia mit einem kräftigen "Jo" ollas einzuholt'n, wos du von mia hiaz hean wiast? (Braut sagt ja). Nun du, zu iam gherigs Weil Nun besteigt er deinen Leib, nicht um die Wollust zu erfüllen, nein, um des Schöpfers Willen zu erfüllen. Nun lege dich und strecke dich, schlage die Beine über ihn und empfange seinen Samen. Amen.

Nun zu dia geeahta Hea zaussiga, rautziga Breitigao! Vasprich mia mit am kräftign "Jo", daß d'mia den Bescheid van Hozatto aogfanga iwa dei Wei sogst, dei in 9 Maonat nammü sau dick owa nit sau dumm sei suü, i' wia du hiaz mit dein Plutzascheel daustehst. Suü deis nit zuitreffa, Wüst ; hiaz voan hl. Köllatoa vaspraucha haust, daß dein Wei nammü sao dick I ; 1wiat, oös sie hiaz is, sao bist van Kiachnpresbyterium zu 10 Litta vautaöt I : und dei Wei muißt an andan iwalaußn. i ?!' (Ein Ödenburger lachte hellauf!) A saua daheaglafana Stodfrack, traut si ~ untastei und in unsra Haöligkeit locha, wau ea van greßtn Glick rein kunnt, daß ma iam mauchas Stickl ba da Musi mit unsran Diandl ealaubt 1 homo Suü deis nammü viakomma? Dau siachi schau wieda zwoa, drei locha. Laufat za dei drei Stodfrack rumpf Meißna hi und ajeida Beitl muiß nocha hibsch scheppan, aoni Beleidigung. Wan si oaona weichat, is' a va da Gmoa aus an ausgspraochana Schmarautza, dea Wog glaubt, ea kau si ummasumst in Waondoaf ba da Foschingspreidi sein Kotznjaumma gsundlocha.

 
Unsa Wiat, dea wampati und sei Oöti mit ihra Krautwampm, die horn uns dein Kredit eigstaüt, sau wuü oös ma iana Trei gschwuan horn, daß sa sie rot fiachtn braucha, weng unsri Schuüdn, waü wau andas san ma nau vü mea schuüdi und dei horn olli kuan Jamma, daß va uns eippa a muü Göd kriang. Sau brauchat sie dea Wampati anit fiachtn, waö in dein san ma uns eini, daß ma zruckzoön nix man. Fia deis, daß da Fosching gstoam is, via deis kinna mia olli miteinand nix, und froh kann a sei, daß a suüchi Leit gfundn haut, dei eam deis Peidlwossa van an Wei ausgsauffa homo Wann mag da Kotz aufm Schwoaf gschitt haut, sau haut sag goanit au- gschaut, an Hupfa gmocht und fuat woas. D'Wiatin kau froh sein, daß ia Kraupf rot ins Suppmhaifa einigfoön is, sonst wara vaschwundn wia da ~Fosching. Dei haut sie' s song traut, deis is a Schweinsbrautn, dawoö wo woas van an oötn Saubean da Saubrotn. Owa deis macht nix, mia waün iwa unsri Wiatsleit nix Schlecht's song. Suüt ma eippa dau an umechts Weatl gsogt horn, sau reid ma bis zan negstn Fosching nix mea driwa und hauffm, daß dei kloani Z'rechtweisung a bissal WOg ghuüffa haut. A bissal was iwa unsri Deandl! Brav, muiß i song, horn sa sie grad rot aufgfiat. Sei horn sie aufgfiat, oös wia dei Stodfumzan. A jeidi haut gmuat, wann mag , zan Tamzen nimmt, muiß ma a Pugal mocha. A Pugal homa gmocht, owa i deis wiad iana in Earinnarung bleim, wann rot friacha, owa bis in 9 Mau- /: nat wiad sie deis Pugal zan an Punk! vaheen und sei wean deis rot ehnta I los kriang, bis rot dei Nobümadam kommt und eana dein Punk! owa- nimmt und dafia an sauan Foschingsbaunkat gibt. Waö i schau ba dei Weibsbüda bin, so muiß i song, daß dei Stodmenschl ianari Kloda van Judn af Schuüdn homo Fixi Beweise homa, waö af maunchi Kloadln d'Schuüd- zeitln nau drauf sein. I kauns zwoa nit song, owa unsa Leara mit seini Glospotzn und mit seini Aung hauts gseng. Suütn sie sie am Eind belei- digt ruhn, sau Gautt sei Dank homa jo a G'richt im Doaf, wau ma song kau, mit ruhign Heazn, daß ma bestimmt die Olladummstn im Laund ausgsuicht horn. Mia sein rot nau da Greß ganga, mia horn dein Richta gwaüt, waö ea die greßti Potschn und in greßtn Scheel khobt haut. Va die Gschwona wülli enk rot mea song, oös daß bada Woö a Zigeina sie valon haut. Unsri Weiwa deaffa sie a rot rian. Sei sein ganz liawi Greln. Wann ma za sei ins Haus kimmt, sa schanas oan an, oös wanns east nauan Fosching af d'Wöt keimma wan. Sei kanns zwoa schau, waö narisch is a jeidi, föt ia wau da waü, owa föhn tuits ia wau. Mia waüns rot aussong, waö drecki und gschmiat is' in an jeidn Haus. Und kriagt homa ban Grofschuista sauri Eadeipfü mit eigepoatzti Nosntreipfü. Ban Prausl mit iena Krenkal- nosn kinna oön Leitn ins Lau eini blausn. Ban Wuümuith scheißn olli in Fingahuit. Loßt uns betn: 111m Namen des Vaters, des Sohnes und da Mutta und da Tochta. Amen
 
(Chor:) Heil ist's und heil ist's, im Winta, wann a Eis is. (Wollte ein Ödenburger während der Predigt fortgehen, so rief ihm der Pfarrer von der Kanzel zu:) I1Schuüdgn Mau, geht's Grausn au!" Und wollte der sich nicht bloßstel- len lassen, mußte er bezahlen. Die Predigt war schließlich aus, alle Teilnehmer weinten Krokodilsträ- nen, und die Musikanten intonierten den rührenden Trauermarsch: "Hauzn eini, hauzn eini, hauzn eini in das kühli Grow!"
 
Nachdem sich die Leidtragenden gefaßt und von dem jetzt schon im Grabe liegenden Fasching Abschied genommen hatten, zogen sie ins Wirtshaus, um dort die noch vorhandenen Schinken und Knödeln zu vertilgen und das gesammelte Geld zu verputzen.
 
War das geschehen, so hatte die liebe Faschingszeit ein Ende gefunden.
 
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Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)