Wie in allen deutschen Dörfern Westungarns, herrschte auch bei uns in Wandorf der Brauch, daß die Kinder am Neujahrstag "wünschen" gingen. Schon in aller Herrgottsfrühe gingen die kleinen Knirpse zu Verwandten und Bekannten und sagten ihr Sprüchlein auf. Dieser "Spruch", den sie schon mehrere Wochen vorher sorgfältig einstudiert hatten, konnte sehr verschieden sein. In meiner Kinderzeit pflegte man den folgenden zu sagen:
 
"s'olti Joa vaganga is
wia danka dia, Hea Jesu Christ,
dass du in Not und in Gefoa
so trei gefiaht uns dieses Joa.
Wir bitt'n die den ew'gen Sohn,
den Vata af den hechsten Thron,
bewahre deine Christenheit
von nunan bis in Ewigkeit"
 
Die kleineren Kinder, die einen längeren "Neijoawuntsch" nicht lernen konnten, sagten folgendes:
 
I bin a kloas Pinkal,
und stöül mi ins Winkal.
Wann i woas kao
fang i woas ao.
Da Wunsch is aus,
mit dem Pengö heraus.
 
Unsere Eltern und Großeltern wünschten noch ganz anders:
 
I wintsch eng an oötn Buglkoaw
und a oöts Schof drei.
Deis sui enga Joa sei.

Am Neujahrstag durfte kein Mädchen als Erste im Hause des Verwandten erscheinen; der "echte Wintscha" mußte ein strammer Bub sein, denn nur ein solcher brachte dem Haus für' s ganze Jahr Glück.

 
Aber auch die älteren Burschen wollten zu ihrem ""Debat" kommen. Sie taten sich zu einem Chor zusammen und brachten den noch Schlafenden musikalisch ihre Neujahrswünsche dar, indem sie folgendes Lied sangen:
 
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Neujahrslied
 
1. Nun ist sie da die schöne Stunde,
/:auf die sich alle Menschen freun :/
Wo wir's gerührt mit Herz und Munde
/:Den Herrn und Frau'n die Wünsche weih'n :/
2. Was das alte, nun entschwunden,
/ :ernst und freundlich nahm und gab,
Heitere Tage, traurige Stunden "-",
/:ruht jetzt in der Zeit und Grab:/
3.Ein langes Leben, frei von Schmerzen /
und reich an freudigem immerdar:/
wünschen wir mit frohen Herzen
/:Euch heut zum lieben neuen Jahr:/
 
Aber nicht nur die Burschen, sondern auch die Musikanten, die ohnehin schon auf dem Silvesterball "okramt" hatten, wollten nicht mit leeren Taschen nach Hause gehen. Auch sie gaben den frohen Leuten ihr Bestes, sie spielten das Neujahrslied "af Plei." Ein Musikant mußte beim Fenster stehen, um die Gabe zu übernehmen, die man vom Fenster herausgab. Bekamen sie nichts, so wurde dann alles Schlechte, was man von der betreffenden Familie wußte, aufgedeckt. Hörte man aber verdächtige Geräusche - stand der Hausvater auf, um den Musikanten Geld zu reichen - so sagte der "Gscheitasti" kleine" Weaschel" auf. Die Schläfer mußten zu- letzt dann doch" voa lauta Rierung" den Geldbeutel zücken und je nach Qualität des Verschens das Geld zum Fenster hinaus geben, wo es mit Holla-Rufen in Empfang genommen wurde. War das "Wintschen" gut ausgefallen, so spielten unsere lieben Musikanten vor heller Freude einige Märsche durch das erwachende Dorf
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)