Loipersbach wird Muttergemeinde
Zu der Zeit, da Heinrich Trost als Pfarrer in Agendorf und Ödenburg wirkte, setzte unter Leopold I. die Gegenreformation in Ungarn mit den unmenschlichen Mitteln ein und verursachte auf kirchlichem Gebiete große Änderungen, so auch in unserer Kirchengemeinde. Das erste wichtige Ereignis dieser Zeit war die Umwandlung der Filialgemeinde Loipersbach in eine Muttergemeinde, die rechtmäßig im Jahre 1662, also unter Heinrich Trosts Amtszeit erfolgte. Die eigentliche Veranlassung wird dazu die Vertreibung des ev. Pfarrers von Walbsersdorf, namens Michael Marquardus, gegeben haben. Der für die verfolgten Evangelischen besorgte Grundherr, die königl. Freistadt Ödenburg, setzte daher in ihre am weitesten nach Westen vorgeschobene Dorfschaft Loipersbach einen eigenen Prediger ein, damit die verwaisten Lutheraner aus Walbersdorf und seiner damaligen Filiale Pöttelsdorf je näher wieder kirchliche Bedienung finden konnten. Es wird daher am Platze sein, hier auch aus der Geschichte Loipersbachs einiges mitzuteilen.
Loipersbach gehört mit zu den ältesten Gemeinden unserer Gegend. Es ist urkundlich beiwesen, dass für diesen Ort schon im Jahre 1253, und zwar in dem auch noch jetzt benutzen Friedhof, eine Kirche erbaut wurde. Sie wurden den hl. Aposteln Peter und Paul geweiht und hieß deshalb Peter-Paulskirche. Doch wird den Leuten der Weg zu dieser auf einem hohen Hügel und vom Orte entfernt gelegenen Kirche besonders im Winter beschwerlich gewesen sein, weshalb sie sich im Jahre 1466 im Dorfe selbst, am Ufer des durchfließenden Bachs, im damals dort befindlichen Obstharten des Pfarrers, zu Ehren des hl. Martinus die so genannte hl. Martinskriche erbauten, so dass Loipersbach damals zwei katholische Kirchen besaß, sie zur Zeit der Reformation .lals sich die ganze Gemeinde zum Luthertum bekannte, in den Besitz und Gebrauch der Evangelischen übergingen. Jedenfalls bildete Loipersbach bis zur Reformationszeit eine selbständige röm.-kath. Pfarrgemeinde, wurde dann nach der Durchsetzung des Luthertums als Tochter der nahen Muttergemeinde Agendorf angeschlossen, um zur Zeit von Pfarrer Trost auf kurze Zeit abermals, diesmal jedoch eine evangelische Muttergemeinde zu werden.
Der erste ev. Pfarrer in Loipersbach hieß Georg Müllner. Er legte daselbst am 16. Februar 1661 ein Kirchenbuch an, in welches die Taufen und Begräbnisse eingetragen und das er mit dem Jesuswort einleitete: "Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werden, kann er das Reich Gottes nicht sehen". Georg Müllner kann jedoch nur kurze Zeit in Loipersbach gewesen sein, denn am 17. Mai desselben Jahres (1661) taufte schon "seine Ehrwürden Melchior Gartner", der am 28. Juni desselben Jahres mit seiner Ehefrau Maria Salome auch als Taufpate eines Kindleins bezeichnet ist. Er kam oder stammte aus Chemnitz und ging von hier nach kaum einem Jahr nach Güns, wo er gelegentlich der Wegnahme der ersten Kirche das Amt eines deutschen Predigers bekleidete.
Diese beiden Geistlichen dürften sich - vielleicht als Flüchtlinge - nur freiwillig in Loipersbach aufgehalten haben, denn am 18. Juni 1662 wurde der aus Ödenburg gebürtige Matthias Rosner zum Nachfolger Gartners von der königlichen Freistadt Ödenburg eingesetzt, wie er dies im oben erwähnten Taufbauch eigenhändig aufzeichnete. daher datiert sich die volle Selbständigkeit Loipersbachs vom Jahre 1662. Da in dem Kirchbuch von da an eine Menge Taufen auch von Walbersdorf und Pöttelsdorf verzeichnet sind, ist klar ersichtlich, dass diese ihres Pfarrers schon früher beraubten Gemeinden in der damaligen gewitterschwangeren Zeit sich zu Loipersbach hielten und von Loipersbach aus kirchlich versorgt wurden. Matthias Rosner kam jedoch schon im Jahre 163 nach Agendorf und sein Nachfolger in Loipersbach wurde der ebenfalls in Thüringen zu Gotha gebürtige Hieronimus Christophorus Foman, der seine Stelle daselbst als "gewester, nun aber vertriebener und verfolgter Diener Christi zu Kobels- und Wepersdorf" am 16. Dezember 1663 antrat. Seine Gattin hieß Eva Regina Schmid und war von Frehof gebürtig. In Loipersbach wurden den Eltern zwei Kinder geboren, von welchen das Söhnlein Mattias starb, was der Vater eigenhändig folgendermaßen bezeichnete: "Mattias Foman, mein dritter, hoffnungsreicher Sohn, ist am 4. Februar 1673 eingeschlafen und wurde am 6. Februar in unserer Peterskirche beerdigt". So befand sich damals die im Friedhof gestandene Peter-Paulskirche nicht nur im Besitz der Evangelischen in Loipersbach, sonder diente ihnen in besonderen Fällen auch als Beerdigungsstätte.
Am 26. Februar 1666 erschienen bei der Taufe seines Söhnleins des Loipersbacher Lehrers Benedikt Olram und Gattin Justina, namens Mattias, die Pfarrer Rosner und Foman samt Gattinnen als Taufpaten, woraus ersichtlich ist, welch vertrauensvolles Verhältnis zwischen dem Lehrer und den Geistlichen bestand. Und in welcher Liebe und Treue damals die Geistlichen selbst den geringsten unter ihren Gemeindemitglieder zugeneigt waren, beweist, dass Pfarrer Foman und Gattin unter anderen bei einem Söhnlein des Ochsenhalters Sebastian Esel und seiner Gattin Maria am 29. Januar 1673 Taufpaten waren, welches Knäblein in der heiligen Taufe die Namen seines Taufpaten, Hieronymus Christophorus, erhielt.
Wegnahme der Kirchen in Loipersbach
und wirklich wurde zu den entscheidenden Schlage der Anfang im Jahre 1673 mit der Wegnahme der Kirche in Loipersbach gemacht, dessen Grundherr inzwischen der Bischoff von Raab wurde. Der Prediger H. Chr. Foman wurde durch den Erzbischof Szelepcsiény schon am 4. Juli 1672 vor das so genannte außerordentliche Gericht nach Pressburg zitiert, konnte aber der schweren Krankheit wegen, an welcher er daniederlag, nicht erscheinen. Da glaubte der Bischof, die Krankheit sei nur Verstellung gewesen und er wäre vorsätzlich vom Richter und den Geschworenen der Gemeinde zurückgehalten worden. Er ließ daher die letzteren nach Kroisbach fordern, da selbst ins Gefängnis werfen und darin bis zum letzten April des folgenden Jahres (1673) schmachten. Da wurde ihnen ihr neuer Pfarrer, der Franziskanermönch Stefan Rosenitz, ein Kroate, vorgestellt und anbefohlen, mit demselben nach Hause zu ziehen. Sie weigerten sich und wurden abermals mit dem Kerker geschreckt. Rosenitz reiste indes allein ab und am folgenden Tage musste ihm auf Befehl des Erzbischofs die Kirche geöffnet und die Schlüssel übergeben werden. Pfarrer Foman taufte zuletzt am 16. Februar 1673 das Söhnlein Matthias der Pöttelsdorfer Eltern Matthias und Anna Pauschenwein; darauf verschwindet seine Spur. Er wird - wohl auch in seiner Heimat - ins Exil gewandert sein. Die Kirche und das Taufbuch aber wurden am 17. Dezember 1673 vom röm.-kath. Pfarrer Stefan Rosenitz "zur Ehre Gottes", der hl. Jungfrau Maria und aller Heiligen in Besitz genommen.
in Agendorf
Am 22. Dezember 1673 ereilte Agendorf das gleiche Schicksal. Es erschienen an diesem Tage die Beamten des Raaber Bischofs in Begleitung eines kaiserlichen Hauptmannes und etlicher Kriegsknechte im Dorfe, nahmen die Kirche gewaltsam in Besitz und untersagten Pfarrer Rosner bei Todesstrafe, dieselbe je wieder zu betreten. Er nahm seinen Wanderstab und ging. Doch am hl. Christtag trieb es ihn zurück, mit unwiderstehlicher Gewalt. Als seine Gemeinde ihn wieder erblickte, da erhob sie sich wie ein Mann und nahm die entrissene Kirche wieder in Besitz. Trotzdem über Matthias Rosner die Todesstrafe verhängt war, predigte er doch am zweiten Weihnachtsfeiertage vor der vollzählig versammelten Gemeinde: dann blieb er noch bis zum 7. Januar 1674 hier, hielt noch 2 Taufen und schloss das von ihm angelegte und so schön geführte Kirchenbuch mit den ergreifenden Worten: "bis hierher Matthias Rosner, gewesener ev. Prediger, abgesetzter beiden Gemeinden, itso aber exul. Christi, so lang Gott will!". Hierauf ergriff er den ihm mit roher Gewalt in die Hand gedrückten Pilgerstab und verließ mit Weib und drei kleinen Kindern, von welchen das jüngste erst 2 Monate alt war, in der ärgsten Winterkälte, unter den Segenswünschen seiner gläubigen Agendorfer, um nie wieder zurückzukehren. Er zog nach Deutschland und fand dort später einen glänzenden Wirkungskreis, er wurde nämlich 1679 Hofpriester des sächsischen Herzogs zu Altenburg.