Die Stadt als Grundherr legte genau fest, nach so und so viel Grund mit Haus, "Lehen" genannt, muß der Untertan jährlich so und so viele Tage mit Vieh oder mit Handarbeit unentgeltlich für die Stadt arbeiten, "Robath" oder "Frondienst" leisten. Außerdem mußten sie jährlich bestimmte Abgaben an die Stadt entrichten. Die Abgaben waren an Martini, den 11. November (Martinsgans!) und am Georgitag, 24. April jedes Jahr fällig. So notierte z. B. der Stadtkämmerer Thomas Schadendorfer im November 1427: "Item das wizgelt zu Harka daz macht XXII phünt alle jar pankharter gelt", das heißt, daß die Harkauer an Martini 22 Pfund Zins (Steuer) an die Stadt bezahlten.
 
Derselbe Stadtkämmerer notiert auch: "von Jorg Lang 212 tal. den pankharten von eines hofs wegen, den hat ihm der richter zu Harka zu kaufen gegeben:' Also kaufte Georg Lang einen Hof in Harkau, wofür er 212 Taler Pankarten (=Geldeinheit) an den Kämmerer der Stadt zahlen mußte." (Aber der Hof wurde nicht sein Eigentum!). Der Stadtkämmerer notierte auch seine Ausgaben, denn er mußte ja jährlich bei der Wahl des Bürgermeisters die Rechnung vorlegen. So notierte er, daß er dem Paul Lang aus Harkau "VI. sol. u. X. den" (=Geldart, römische Zahlen!) als Wegzehrung ausbezahlt habe, da dieser P. Lang einen Brief der Stadt an den König nach "zschirna" (=Tirnau, jetzt Slowakai) bringen sollte, oder daß er dem nachrichter Laurenz von Hargha VI. wiener den (Geldart) als Wegzehrung gegeben habe, als dieser einen Hirsch, der in Harkau gefangen wurde, "zu graff Wilhelben" (wohin?) fahren mußte.
 
Die Stadt ließ auch das Vermögen, den Grund und das Haus ihrer Bürger aufschreiben. Dieses erste Grundbuch Ungarns wurde 1375 in deutscher Sprache in Ödenburg angelegt und ist bis heute erhalten. Selbstverständlich ließ die Stadt auch von ihren Untertanen eine "Untertanenliste" aufstellen, in der die Eigentümer der Lehen eingetragen waren, denn nach der Größe ihres "Lehens" richtete sich die Höhe der Abgaben und die Anzahl der Frondienste, der "Robath". Für Harkau wurde im Jahre 1451 solch eine "Untertanliste" vom Stadtkämmerer Johann Ziegler angefertigt Laut dieser Liste gab es in Harkau 1712 Lehen.
 
Aufgrund dieser uns erhalten gebliebenen "Untertanenliste" aus dem Jahr 1451 können wir die Namen der Lehensinhalter von damals in Harkau genau feststellen. Ich will sie interessehalber hier aufzählen. (Die originale Schreibweise wird beibehalten).
 

1. Simon Niclas

13. Zocker (Zacker) Gängel

25. Zogger (Zacker) Michl

2. Rot (Rat) Steffan

14. Rot (Rat) Peter

26. Rot (Rat) Jorg

3. pfarrhof

15. Graf Steffan

27. Laurenz Wagner

4. Herb Kristan

16. Herbst Peter

28. Gross Michel

5. Rot (Rat) Ulreich

17. Lang Thoman

29. Fidler Mert

6. Unger Thoman

18. Schmid Jorg

30. im Erlach Hans

7. Lesch Niclas

19. Zogger (Zacker) Mert

31. Haberler Kristan

8. Laurenz Lienhart

20. Dorner Mert

32. Ruprecht Wolfl

9. Nepaur Zirmos

21. Dorner Oswald

33. Peter Ulreich

10. Hauspekh Mert

22. Stemphel Hans

34. Haberler Peter

11. Stiffter Tibolt

23. Dekher faul

35. Tumshyren Steffen

12. Rostauscher Gänngel

24. Rumphel Stephan

 

 
Hinter jedem dieser Namen steht: "besitzt ein halbes Lehen", nur bei Stiffter Tibolt (Nr. 11) heißt es: "besitzt ein ganzes Lehen". Außerdem ist 1451 noch vermerkt: "Summa XVIII Lehen. Vermerkt yedes lehen zu Harka dint 11. taler den. (Pfarrhof zahlt nichts!) Vermerk der luß zu Harka sind mit süm XXVI luß I. quartail facitjärlich XXVI tal. den VI den". Das bedeutet, daß für die Lehen 34 Taler und für das Bergrecht (nach dem Weingärten!) 26 Taler, zusammen 60 Taler an Steuern an die Stadt abgeliefert werden mußten. "Laut dieser Untertanenliste" gab. es zwischen 1451 und 1475 in Harkau 34 Lehensfamilien mit je "eineinhalb" und eine Familie mit einem "ganz Lehen". Pfarrer Fiedler schreibt in seinem Buch über Mörbisch für diese Zeit: "Wenn wir eine Familie durchschnittlich mit 7 Köpfen (Vater, Mutter u. 5 Kinder) berechnen, so ergibt das eine Einwohnerzahl von 120 Seelen. Für Mörbisch mit 20 Lehensfamilien". Ich finde die Zahl von sieben Köpfen pro Familie etwas zu hoch, besonders wenn man die hohe Kindersterblichkeit berücksichtigt. Nach diesem Berechnungsschlüssel müßte Harkau um 1451 etwa 34x7 = 238 (Pfarrer war unverheiratet) Einwohner gehabt haben.
 
Wir können heute, nach 500 Jahren sogar noch feststellen, wo diese Lehensbauern in Harkau wohnten. Nach Aussage des Archivars der Stadt Ödenburg, Dr. Horvath, ist das sicher in Ungarn, vielleicht sogar in ganz Mitteleuropa, eine einmalige Möglichkeit.
Zwei Anhaltspunkte ermöglichen uns diese Rekonstruktion:
 
1. Die Bauweise des Ortskerns hat sich während der über 500 Jahren kaum geändert; sie hat sich innerhalb des Ortskerns nur verdichtet. Die einzelnen Bauernhäuser standen auch schon im 15. Jahrhundert dort, wo sie bei der Aussiedlung der Deutschen, Mitte des 20. Jahrhunderts standen, trotz der wiederholten Einäscherungen während dieser langen Zeit. "Hofstätter" gab es 1451 in Harkau noch nicht. Die Häuser der "Unteren und Oberen Hofstatt", die von den beiden "Gasseln" südwestwärts und vom Anger nordöstlich stehen, sowie der "Zipf" wurden erst später erbaut, und die "Neuhäusl" erst recht, wie es ihr Name schon bezeugt.
 
2. Auf der "Untertanenliste" steht der "pharrhof" (Pfarrhof) an dritter Stelle. Nun steht dieser (kath.) Pfarrhof auch heute noch auf demselben Platz, gegenüber der Kirche. Wenn wir also von Ödenburg kommend nach dem Anger links das Haus mit Nr. 1 bezeichnen (Hof: Schrammel-Ruiß-Tremmel), den Hof: Buchhaas-Reitter-Reidl mit Nr. 2, so steht auch heute noch der kath. Pfarrhof unter Nr. 3. Ich habe den Lageplan von Harkau aus dem Jahre 1914 kopiert. (Ein aus späterer Zeit stammender stand uns nicht zur Verfügung. Darum fehlen auf meinem Plan Häuser, Häuserteile, Kammern, Ställe und Scheunen, die erst nach 1914 gebaut wurden und darum in diesem Lageplan nicht eingezeichnet sind). Ich habe auf dem Plan die Hausplätze von 1451 stärker umrandet und numeriert, wobei ich die Numerierung von den Hauseigentümern von 1451 übernommen habe. Wir können also feststellen, wo die damaligen Inwohner Harkaus wohnten, oder anders ausgedrückt, die letzten Einwohner Harkaus vor der Vertreibung können anhand dieses Lageplans feststellen, welcher Harkauer Untertan 1451 auf ihrem Hausplatz wohnte. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Stiffter Tibold, der 1451 als einziger Untertan ein ganzes Lehen besaß, hat die laufende Nr. 11. Er wohnte auf dem Hausplatz Nr. 11, also wo 1945 die Familien Predl-Kress-Ulreich wohnten, zwischen Kammer Mathias (Hes) und Predl Tobias.
 
Wir sehen also, daß die Häuser, der dazugehörige Hausgrund und der sehr lange sich hinziehende dazugehörige Garten die ursprünglichen "halben Lehen" von 1451 waren.
 
Als die Bevölkerungszahl zunahm, wurde anfangs auf demselben Hausgrund noch ein zweites Wohnhaus mit Wirtschaftsgebäuden errichtet. Der eine Sohn erhielt das eine, der andere das zweite Haus mit den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Da bei der Realteilung - wie es in unserer Gegend üblich war - auch die Felder, Wiesen, Weinberge geteilt wurden, besaßen bei- de dann aber nicht mehr ein halbes, sondern nur ein "Viertel-Lehen". Später, nach 1767, wurden diese "Viertelbauern" genannt. Wenn nochmals geteilt und die Wohnungen auf demselben Hofplatz erweitert wurden, gab es Achtelbauern".
 
Diese "Untertanen-Listen" dienten der Stadt als Steuerlisten und mußten immer wieder erneuert, ergänzt, neu aufgestellt werden. Wir besitzen noch solche Untertanenlisten aus den Jahren 1558, 1587 usw. Sie sind im Abschnitt "Familiennamen und ihr Vorkommen in Harkau" aufgearbeitet. Aus diesen Listen ist ersichtlich, daß während der 100 Jahren (1451-1558) mehrere Familiennamen verschwunden sind, vielleicht durch Aussterben der Familie als Folge von Epidemien, die ja oft einen Großteil der Bevölkerung dahinrafften oder durch Kriegseinwirkungen, in Harkau etwa um 1511 (durch die Brandschatzung und Plünderungen der Landseer, oder 1529 durch die Angriffe und Belagerungen des türkischen Heeres, als fast ganz Kolnhof vernichtet und anschließend mit Kroaten besiedelt wurde). Dieses Verschwinden von Familiennamen kann aber auch nur Folge des Fehlens der männlichen Nachkommen sein.
 
Quelle: "Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)