Der aufgeklärte Regent Josef II. regierte in Ungarn von 1780 bis 1790. Als Kind der Aufklärung nahm er sich den Preußenkönig, Friedrich den Großen, den Widersacher seiner Mutter, Maria Theresia, als Vorbild. Auch sein Ziel war, die Menschen glücklich zu machen, eben durch Aufklärung. Auf religiösem Gebiet hielt er es auch mit seinem Vorbild: "jeder soll nach seiner Fasson selig werden?" Darum führte er zahlreiche Reformen zum Wohle des Volkes ein, z.B. die Befreiung von der Leibeigenschaft. Im Oktober 1781 erließ er das "Toleranzedikt" Laut dieses Erlasses wurden in seinen Ländern auch die Protestanten beider Konfessionen geduldet ("Duldungserlaß"). Er besagte:

  1. Wo in einem Dorfe wenigstens 100 evang. Familien wohnen, und diese wirtschaftlich in der Lage sind, einen Pfarrer und einen Lehrer zu erhalten, können sie eine evang. Kirchengemeinde bilden.
  2. Sie dürfen eine Kirche, ein Bethaus, erbauen. Allerdings mit der Einschränkung:
    Die Kirche darf keinen Eingang von der Straße haben, muß also in einem Garten stehen und sie darf keinen Turm und keine Glocken haben.
  3. Die neu errichtete Gemeinde ist berechtigt, ein Pfarr- und Schulhaus zu errichten.
  4. Die Kinder dieser Familien dürfen eine neu zu gründende evang. Schule besuchen.
 
Als die Harkauer von diesem Toleranzedikt erfuhren, erwachte auch in ihnen gleich der Wunsch, eine evang. Kirchengemeinde zu gründen. Sie unternahmen sofort die nötigen Schritte.

Über die Vorgänge und Geschehnisse, die zur Neugründung der evang. Kirchengemeinde in Harkau führten, haben wir sehr ausführliche Berichte von Matthias Eckl, einem damaligen Gemeindegeschworenen. In seiner "Chronik" berichtet er sehr treuherzig und genau über die Initiativen, die ergriffen wurden, und über die Widerstände, die überwunden werden mußten, bis eine evang. Kirchengemeinde in Harkau gegründet werden konnte. Leider ist seine "Chronik" verschollen. Ob sie erst 1945/46 oder schon früher abhanden kommen ist, konnte ich nicht feststellen. Zum Glück hatte der Harkauer Pfarrer, Samuel Schiller, um 1800 große Teile seiner Chronik wortwörtlich abgeschrieben und in einem Kirchenbuch verewigt, so daß uns, den nachgeborenen Harkauern, die wichtigsten Teile der Chronik bekannt sind.

  Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)