Wie im vorigen Kapitel bereits angedeutet, ist es verwunderlich, daß anfangs des 30jährigen Krieges für die Protestanten und die Ungarn ein solch günstiger Frieden geschlossen werden konnte, wie der von Nikolsburg. Aber Habsburg wußte, daß seine Zukunft und die der röm. kath. Kirche nicht in Restungarn sondern im Deutschen Reich entschieden wird. Sind die Gegner im Reich besiegt, würde auf dem Nebenkriegsschauplatz Ungarn der Sieg Habsburgs kein Problem sein. Während also in Deutschland der 30-jährige Krieg mit all seinen Schrecken wütete, war in Ungarn ab 1622 relativ Ruhe eingetreten. Die friedliche Entwicklung beruhigte die Menschen, zumal die türkischen Machthaber in dieser Zeit sich auch kaum einige Angriffe auf Festungen, Burgen und Städte Ungarns leisteten.
 
1622 war sogar ein Landtag in Ödenburg abgehalten worden. Allerdings war es eher eine Notlösung, da der Habsburger gezwungen war, einen Landtag abzuhalten, auf dem ihm wieder aus der permanenten Geldnot geholfen werden sollte. Kaiser/König Ferdinand II. kam mit seinem ganzen Hofstaat nach Ödenburg. Der Kaiser fühlte sich samt seiner Frau in Ödenburg sehr wohl und blieb fast bis an das Ende des Landtags. Als Anerkennung für die Bewirtung wurde Ödenburgs tüchtiger Bürgermeister, Dr. Christoph Lackner zum Truchseß und Pfalzgraf ernannt (das kostete dem Kaiser nichts!) Zur Erinnerung erhielt der Stadtturm an seiner Spitze den zweiköpfigen (Habsburger-) Doppeladler. Ihre Häupter zierte je eine Krone und an seiner Brust prangten die Buchstaben F. E., die Anfangsbuchstaben von Ferdinand u. Eleonora (Ferdinands Gemahlin!). Da die Unterbringung der vielen Adeligen und Gesandten große Probleme mit sich brachte, kann es durchaus sein, daß auch in Harkau einige Logie gefunden haben. Der spanische Gesandte wohnte sogar in Eisenstadt und fuhr von dort zu den Verhandlungen nach Ödenburg. Sicher hatte die Bevölkerung Harkaus von den vielen und großen Ereignissen in der Stadt vieles mitbekommen. Beim großen Einzug des Kaiser/ Königspaares am 25. Mai 1622 in Ödenburg waren sicher auch alle Harkauer, die laufen konnten, in Ödenburg anwesend, um dem Kaiser zuzujubeln.
 
Da es Ferdinand in Ödenburg so gut gefallen hatte, berief er 1625 schon wieder einen Landtag nach Ödenburg ein. Auch diesmal war der Kaiser/König mit seinem Hofstaat anwesend. Auf diesem Landtag wurde sogar der Sohn Ferdinands II. zum ung. König ausgerufen und am 8. Mai 1625 in der Benediktiner-(Geiß-)-Kirche als Ferdinand III. gekrönt. Anschließend ritt der neu gekrönte König - mit der Krone auf dem Haupt - zum Marktplatz in die Vorstadt. Unterwegs wurde Geld unter die zuschauende und jubelnde Volksmenge geworfen. Wie viele Harkauer mögen da wohl auch "unter dem Volk" gewesen sein? Vielleicht hat der eine oder andere auch ein Geldstück erhaschen können? Auf diesem Landtag wurde auch Nikolaus Eszterházy zum Palatin des Landes gewählt. Sein Gegenkandidat war Paul Nadásdy, der Herr von Deutschkreutz und reichste Magnat Transdanubiens. Der Emporkömmling und nun zum Palatin gewählte Eszterházy benahm sich Ödenburg und Harkau gegenüber durchaus nicht so, wie es sich für den ersten Mann im Lande - nach dem König - geziemt hätte. Seine ersten Untaten gegenüber den Harkauer Handwerkern Stichinger und Foitsberger am St. Veitstag 1613 habe ich schon erwähnt. Es sollte noch schlimmer kommen!
 
Wiederum hatte Eszterhazy Streitigkeiten mit Ödenburg (dessen Bürger er ebenfalls war!) und "besetzte am 28. Januar 1614 eines ihrer Dörfer?" Es war Harkau! Anscheinend reichte ihm die Mitgift der Dersffyschen Güter noch nicht, die er durch Heirat der reichen Witwe erhalten und deren Einwohner er mit Gewalt rekatholisiert hatte. Eine Klageschrift der Harkauer aus dieser Zeit gibt uns Aufschluß, zu welch Zwangsmaßnahmen und Frondiensten er die ihm gar nicht untertänigen Harkauer gezwungen hat. (Ich bringe hier Teile der Klageschrift der Harkauer, den heutigen Sprachgebrauch angeglichen!) Bericht an den ehrsamen, wohlweisen Rat der Königl. Freistadt Ödenburg über die große und leidensvolle Gewalt, die der Herr von Landsee (=Eszterhazy) samt seinen Consorten an dem Richter und den Geschworenen (=Gemeinderäten), sowie an der ganzen Gemeinde, arm und reich, allhier in Harkau geübt hat:
 
Erstens, als der Landispan (= Obergespan des Komitates Ödenburg), Herr Eszterhazy samt seinem Gesinde und seine Husaren uns besetzt hielten (also hatte Eszterhazy Husaren als Besatzung in Harkau einquartiert!), mußten wir ihnen folgendes liefern:
 
Eimer Wein (ca 250 Liter) Kosten: 29 Taler Rheinisch
5)12 Metzen Hafer, der Metzen zu 4 Kr. Kosten> 6 Taler> 4 Kr.
Für Heu, Streu, Brot u. Licht Kosten: 6 Taler  
den Hofrichter verköstigt Kosten: 6 Kr.  
den "Hörwagen" nach Preßburg gefahren und Zeug mitgegeben Kosten: 6 Taler  
durchziehende Soldaten versorgt Kosten: 4 Taler 4 Kr. 5 g
 
Verzeichnis der Robath (= Frondienst), die wir verrichten mußten: Erstlich haben die Husaren des Herrn Eszterházy den Bauern ihre Roß (= Pferde) aus dem Stall genommen, samt Geschirr und sind damit nach Lackenbach gefahren, dann 6 Paar für dauernd genommen. Die anderen haben sie zurückgelassen, jedoch die Stränge, die Riemen und das Geschirr weggenommen, mit dem sie dann nach Preßburg gefahren sind. Zweitens haben wir bei Straf von 32 Talern dem Landspan mit 15 Wagen Steine nach Lackenbach führen müssen (wahrscheinlich zum Aufbau seines zerstörten Schlosses!); drittens haben wir bei gleicher Strafe von 32 R 15 Wagen Steine von Neckenmarkt in das Schloß (nach Lackenbach) fahren müssen. ..; fünftens mußten wir wiederum bei gleicher Strafe mit 15 Wagen Steine zum Schloß fahren; sechstens mußten wir 13 Holzhacker zum Holzfällen schicken; siebtens mußten wir bei 32 R Strafe mit 14 Wagen Steine zum Schloß fahren, achtens mußten wir 10 Hofstätter zum Holzhacken abstellen, wiederum bei 32 R Strafe, neuntens nochmals mit 15 Wagen Steine nach Lackenbach fahren.
 
Weiter wollen wir daran erinnern, als uns der Eszterhazy zum ersten Mal zu sich gerufen hat, da mußten wir ihm erzählen, wieviel Robath wir jährlich der Stadt zu leisten haben. Er hat uns mit Mund und Hand gelobt, uns nicht weiter zu treiben, noch zu zwingen, hat aber mich (den Richter) und meine Geschworenen, sowohl auch die anderen, die mit mir waren, alle ehrliche Leute, in das Gefängnis gesteckt und zwar in die schändlichsten Gefängnisse, die er in Lackenbach hat finden können. Wir bitten demütig den ehrsamen Rat, er möge wie eine Gluckhenne ihre Flügel über uns breiten, und uns Schutz und Schirm sein. Dafür wird dann Gott der Allmächtige (der Stadt) ein treuer Belohner sein?' Aus dieser Eingabe ersehen wir, daß unsere Vorfahren froh waren, Untertanen der Stadt Ödenburg und nicht eines willkürlichen Grafen, Magnaten, wie Eszterhazy ausgeliefert zu sein. Andererseits merken wir auch, wie sie sich um ihr Recht zu wehren wußten. Dabei dürfen wir ihre Sprachgewandtheit bewundern, wenn sie die Stadtväter auf ihre Pflicht, nämlich ihre Untertanen zu beschützen, erinnern und das in gläubiger Überzeugung mit der Sprache der Bibel (Matth. 23,37)
 
Welche (vorsichtige) Reaktion von Seiten der Stadt gegenüber dem Palatin Eszterházy - der zugleich Bürger der Stadt war! - erfolgte, ist uns leider wieder nicht bekannt. Die Harkauer werden wohl für ihre Ausgaben gegenüber den Husaren, ihren Verlust von Pferden und Pferdegeschirr, für die Robath und die Gefängnisstrafe ihres Gemeindevorstandes kaum eine Entschädigung erhalten haben. In den Archiven der Stadt, wo jede Kleinigkeit notiert und jede Notiz aufbewahrt wurde, fand ich über eine evtl. Entschädigung für die Harkauer keinerlei Unterlagen. Jedenfalls waren die Harkauer froh, daß sie Untertanen der Stadt und nicht des Emporkömmlings Eszterhazy waren. Ist er mit den Untertanen der Stadt so umgegangen, wie wird er es erst mit den eigenen Untertanen getrieben haben!
 
Im Jahre 1634, als der 30-jährige Krieg in Deutschland am schlimmsten wütete, wurde von Ferdinand II. nochmals ein Landtag in Ödenburg abgehalten, da lebte aber der große Bürgermeister der Stadt, Dr. Christoph Lackner, nicht mehr, da er schon 1631 gestorben war.
 
Quelle:"Harkau - mein Heimatdorf ",
die Geschichte eines deutschen Bauerndorfes in Westungarn
Andreas Schindler (1987)