Im Mai 1893 wurde das jahrhunderte alte Rathaus der Stadt Ödenburg abgerissen, um an seiner Stelle ein größeres, weiträumigeres zu bauen.
 
Als das alte Rathaus abgebrochen und die Grundfeste für das neue ausgehoben wurde, fand man in der Baugrube bis zu 3 m Tiefe sehr viele, geschichtliche Gegenstände aus dem 17. bis rückwirkend in das 9. Jahrhundert. Tongefäße, Krüge, Eisen- und Metallstücke wurden gefunden. Beim tiefer graben kamen nur Gegenstände aus der Römerzeit zum Vorschein. In der Baugrube, die bis zu 6 m tief war, fand man 27 Mauerreste, die 2,5 bis 3 m mächtig waren (nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Mauerreste zwischen Rathaus, Vordertor und unter dem ehemaligen städtischen Kino freigelegt, ebenso ein Teil der Römerstraße, die noch zu besichtigen sind). In 4,2 m Tiefe entdeckten die Arbeiter unter dem heutigen Rathaus einen Raum, der 9,8 Meter breit war. Von den drei Mauern war die eine aus besonders schönen Quadern gebaut. In deren Mitte befand sich eine Nische, darin entdeckten sie 23 große Marmorblöcke und unzählige kleine Marmorstücke. Nach Reinigung der Blöcke erkannte man - zwar beschädigte - drei römische Götterstatuen: Jupiter, Juno und Minerva.

 

Wie kamen diese Göttersteine dorthin?
Bekanntlich hatten die Römer viele Götter, schon unter den Königen (753-509 v. Ch.) wurde die Religion Staatsreligion. Darum waren die Priester Staatsdiener. Während der Kaiserzeit war der jeweilige Kaiser der höchste Vertreter der Religion, dem die Bürger an bestimmten Altären Weihrauch streuen mussten. Dieses Opfern, Weihrauchstreuen verweigerten die ersten Christen, wofür sie nicht selten den Märtyrertod erleiden mussten. Bei den Römern änderte sich die Zahl ihrer Götter ständig. Oft nahmen sie auch Götter der besiegten Völker in ihre Staatsreligion auf, wie z. B. den persischen Gott Mythras, dessen Kultstätte u. a. in der Gemarkung Kroisbach gefunden wurde und seit neuestem wieder zugänglich ist.

 

Nach jetziger Erkenntnis wurde die Stadt Ödenburg imn zweiten Jahrhundert v. Christus gegründet. Es ist aber sicher, dass die Umgebung, Burgstall usw. schon 2.000 Jahre vorher besiedelt war. Im 1. Jh.n.Chr. besiegten die Römer die hier wohnenden Kelten und nannten unser Gebiet NORIKUM. Ein Großteil der Besiegten blieb dort wohnen, ja, die Römer übernahmen den Namen der keltischen Stadt und nannten sie Scarbantia. Die Römer beherrschten das Gebiet bis ins 4. Jh. n. Chr. und wurden von den Germanen zurückgedrängt. Aus diesen 250-300 Jahren der Römerzeit wurden bisher sehr viele "Römerfunde" entdeckt. Sicherlich gibt es noch mehr unter der Erde, das bei Bauarbeiten zum Vorschein kommen könnte.

 

Nach Dr. Ernst Lauriger war Scarbancia schon unter dem röm. Kaiser Flavius (69-96 n. Chr.) eine Stadt mit Selbstverwaltung, an deren Spitze ein Consul, Senatoren und Räte standen. Die Stadt lag an der berühmten "Bernsteinstraße", die Rom mit den reichen Bernsteinlagern an der Ostsee verband. Auf dieser Straße wurden Waren nach Norden transportiert. Es herrschte ein reger Handelsverkehr, bei dem die hier Angesiedelten - meist ausgediente römische Legionäre - auch nicht leer ausgingen, sondern reich wurden. Die Blütezeit der Stadt dürfte die Zeit 117-161 n. Chr. gewesen sein. Die in Ödenburg gefundenen Göttersteine stammen aus dieser Zeit; denn Anfertigung und Aufstellung solcher Monumente setzte großen Reichtum und hohen Wohlstand voraus, der sicher in unserer Heimatstadt damals vorhanden war.

 

Die gefunden 5.15 Doppelzentner schweren Marmorblöcke stellten die drei Hauptgottheiten der Römer dar: Jupiter, Juno und Merva, darum der Titel "Trias".

 

Jupiter
war nach römischem Glauben der Vater der Götter, Wächter des Rechts, Verteidiger der Ordnung, politischer Schirmherr des Römischen Reiches. Die vornehmste und höchste Kultstätte der Römer stand am Kapitol in Rom. Auf dem Kapitol, vor den Statuen Rupiter, Juno und Minerva leisteten die Regierenden in Rom ihren Amtseid, zu ihnen zog zuerst der heimkehrende, triumphierende Feldherr und weihte den Göttern einen Teil der Kriegsbeute. Sein Symbol war: Blitz, Zepter, Adler.

 

Juno
war die Frau Jupiters, Königin des Himmels, als "Frauengöttin" stand sie allen Vorgängen des weiblichen Lebens vor. Ihre Attribute waren: Schleier, Tasse und Königsstab.

 

Minerva
war die Göttin des Handwerks, der Dichter, der Bildhauer, Ärzte, Lehrer, Musiker. Ihr Symbol: die Eule.

 

Die gefundenen Göttersteine in Ödenburg wurden anfangs im Hofe des neuen Rathauses unter freiem Himmel aufgestellt. 1913 wurden sie zum Schutz gegen die Witterungseinflüsse im Ödenburger Stadtmuseum untergebracht.  Viele Fachwissenschaftler aus dem In- und Ausland besuchten die großen Marmorblöcke; jeder vertrat die Auffassung, dass sie zu einer Einheit zusammengestellt werden sollten, jedoch jeder war sich bewußt, dass diese Arbeit sehr viel Fachkenntnis, langwierige und schwere Arbeit verlangt, mit sehr hoher Verantwortung verbunden ist und enorme Kosten verursachen wird.

 

Unter den Professoren der Wiener Universtiät für Altertumsforschung waren deren Leiter: Kubischtek, Schober und nach dem ersten Weltkrieg besonders Paschniker so sehr an diesen Römerfunden interessiert, dass sie fast jährlich mit Studenten der Wiener Uni nach Ödenburg kamen, um an Ort und Stelle diese Götterstatuen mit den anderen Römerfunden im ehemaligen Norikum zu vergleichen. Dazu wurden die einzelnen Teile genauestens vermessen und abgezeichnet. Nach diesen Vorbereitungen und nach Einverständnis der Stadt wurde unter Leitung von Professor Paschniker die Restaurierung der Götterstatuen in Angriff genommen. Das Verdienst der Zusammenstellung gebührt in erster Linie der unermüdlichen, fachmännischen und uneigennützigen Arbeit des Wiener ordentl. Universitätsprofessors Dr. Camillo Paschniker, schreibt Dr. Ernst Lauringer, der damalige Leiter des Ödenburger Museums. Die Zusammenstellung der Statuen, der Bruchstücke, wurde vom Ödenburger Bildhauer und Steinmetzmeister Adalbert Baumann mit roßer Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit durchgeführt. Nur durch mündliche Anweisungen und der genauen Zeichnungen und Vermessungen des Professors konnten die Arbeiten so meisterhaft durchgeführt werden. Die Arbeiten wurden im Sommer und Herbst 1935 vollendet.

 

Die Jupiterstatue hat eine Höhe von 2.95 m, die der Juno 2,61 m und die der Minerva 2,75 m. Sie sind die größten römischen Statuen nördlich der Alpen. Die Zusammenstellung der Statue geschah, indem man Bruchstücke in Kunststein einfügte, ohne jede Ergänzung, so dass die ursprünglichen Teile genau zu sehen sind. Eine nachträgliche Ergänzung war nur am Gesicht, bzw. am Helm der Minerva aus ästhetischen Gründen nötig, schreibt Dr. Lauringer.

 

Der Marmor, aus dem die Statuen gefertigt sind, stammt aus Marburg in Kärnten. Die Verstümmelung und Verheerung der Statuen mochte auf gewaltsame Weise wohl gegen Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. geschehen sein, als die Römer von den anstürmenden Germanen zur Zeit der Völkerwanderung gzwungen waren, sich aus unserem Gebiet zurückzuziehen.

 

Die Götterstatuen stehen jetzt im Keller des Fabricius-Hauses und sind mit vielen anderen Römerfunden im Lapidarium zu besichtigen. Wir empfehlen allen unseren Freunden, wenn sie wieder in die alte Heimat kommen, dieses "Kapitoium Trais" im Fabricius-Haus zu besichtigen!