abb05 Die Festung von Scarabantia wurde offensichtlich bis 568 bewohnt. Die ungarische Forschung ist der Meinung, nach dem Abzug der Langobarden wäre sie zur „Öden Burg“ geworden (Gömöri, Castrum Supron, 2002). Bis 670 sollen die Stadt und ihre Umgebung ein „nur mit einigen Wachen kontrolliertes Gyepü-Gebiet“ des Awarenreiches gewesen sein. Ab 670 wären die Onoguren als militärische Hilfstruppen gekommen und angesiedelt worden. In der Innenstadt hätten sich aber auch die Awaren und Onoguren nicht niedergelassen. Eine dünne slawische Bevölkerung könnte es gegeben haben. An diesem Bild ist - nicht zuletzt auf Grund der Forschungen Gömöris, einiges zu korrigieren.

Ab 21. September 791 begann die Offensive Karls des Großen zur Eroberung des Awarenreiches. Gömöri stellt die Frage, ob die arpadenzeitliche Soproner Gespansburg wirklich an der Stelle einer Burg aus der Karolingerzeit gebaut wurde. Und er beantwortet sie mit dem archäologischen Argument: Aus dem 9. Jahrhundert gibt es in der verlassenen Römerfestung Scarabantia keine Spuren von Siedlungsleben. Und dann eindeutig: „Das Gebiet des späteren Komitates Sopron war – vor der ungarischen Landnahme – hauptsächlich von Awaren und Onoguren bewohnt“. Über die organisatorische Einbeziehung in das Karolingerreich kommt aber auch er nicht hinweg: „Das Grenzgebiet der transdanubischen Ostmark – mit Sopron und Umgebung – wurde nach 828 zur bayerischen Grafschaft umorganisiert“. Das mag – im Hinblick auf die Innenstadt, also auf das befestigte Römerlager – durchaus stimmen. Der Kernbereich der Stadt war wohl nicht „besiedelt“, in dem Sinne, dass die Festung wieder in Stand gesetzt worden wäre und sich dauerhafte, archäologische Spuren aus dieser Zeit erhalten hätten. Die alte These der magyarischen Geschichtsschreibung, dass der Bereich der römischen Stadt in der Karolingerzeit völlig unbesiedelt war, ist heute jedoch ebenfalls ins Wanken geraten. Bei den Ausgrabungen hat man auch dort Keramikreste aus dem 10. Jahrhundert gefunden, also ältere Siedlungsspuren als die der magyarischen Neubefestigung. Dies war natürlich nicht anders zu erwarten. Es ist schwer vorstellbar, dass in einem weiterhin relativ dicht besiedelten Gebiet die römischen Baureste nicht genutzt worden wären. Die Belege für eine karolingerzeitliche Befestigung, für eine militärische Nutzung der Stadt, fehlen freilich. Auch dies ist nicht verwunderlich, denn im gesamten Merowinger- und Karolingerreich sind es zunächst nicht die Städte, die Herrschaftszentren werden. Nur langsam beginnen die Städte als Bischofssitze und Niederlassungen von Händlern und Handwerkern wieder an Bedeutung zu gewinnen.

 

Aber genau das ist auch nicht zu erwarten. Denn im Frühmittelalter waren die Städte eben uninteressant, ihre Wehrfunktion wurde nicht benötigt. Nur dort, wo sie schon früh zu Bischofssitzen wurden, setzte der Wiederaufstieg ein. Keinesfalls unbesiedelt, und zwar zu keiner Zeit, war die fruchtbare Umgebung. Neben awarischen und slawischen Siedlungen dürften auch fränkisch-baierische Dorfgemeinschaften entstanden sein (Ausgrabungen in Steinabrückel-Sopronköhida und auf den Krautäckern). Die ungarische Forschung tendiert dazu, diese als Kriegeransiedlungen, als Militärstützpunkte zu deuten. In der Nähe des Gräberfeldes von Steinabrückl hat Peter Tomka 1998 auch Siedlungsobjekte ausgegraben.(7) Quelle:
Tomka, Peter, A Sopronköhidai 9. századi település. Arrabona 36 (1998), S. 45-84. Jüngste archäologische Funde beweisen die frühe Anlage von karolingerzeitlichen Siedlungen. In Steinabrückl (Sopronköhida) und in Présháztelep wurden – direkt an der nordsüdlichen Hauptstraße – Kriegergräber mit Flügellanzenbeigaben gefunden. Dazu kamen jüngst bei Sandgewinnungsarbeiten in Kisfalud bei Kapuvár neue Grabfunde aus dem 9. Jahrhundert, mit einer Lanze, die mit einem tauschierten Meisterzeichen versehen ist, mit einem Kriegsbeil und einer eisernen Sichel. Zusammen mit den Funden auf burgenländischem Gebiet, darunter etwa die karolingische Kirche von Pilgersdorf, aber auch mit urkundlichen Belegen (Schenkung von 808 an St. Emmeram in Regensburg) ergibt das doch den Hinweis auf eine deutliche Präsenz von Siedlern aus dem Westen. In der ungarischen Forschung ist die Meinung vorherrschend, es wären lediglich entlang der wichtigen Straßen Militärstützpunkte angelegt worden. In einer ähnlichen Situation hundert Jahre später, während der Landnahme der Magyaren (die über ein weit geringeres Potential an Menschen, also potentiellen Siedlern, verfügten) wird hingegen selbstverständlich auch die Anlage von Dauersiedlungen angenommen. Hier wirken noch immer die alten nationalgeschichtlich gefärbten Gegensätze nach. Es geht um die „ewige“ Frage: Wer war zuerst da? Es wäre heute endlich an der Zeit, auch von Seiten der magyarischen Geschichtsschreibung diese baierisch-fränkische Besiedlung – so dünn sie auch gewesen sein mag – anzuerkennen. Siehe dazu: Floiger, M.: Wolfsbach, Winterbach und Wiesach. In Aus der Pforte 3, S. 7–13.

 

Der bedeutendste Fund aus der Karolingerzeit in der Umgebung Ödenburgs ist aber der Cundpald-Kelch. Die Inschrift ebenso wie die Form und Verzierung weisen auf seine westliche, bayerisch-fränkische Herkunft. Die Frage ist, wurde der Kelch von einem westlichen „Missionar“, der unter den noch heidnischen Awaren wirkte hierher gebracht? Diese Interpretation wird in der ungarischen Geschichtsschreibung bevorzugt. Beweisbar ist diese Deutung nicht. Genau so gut ist es möglich, ja um einiges nahe liegender wäre, dass Cundpald ein bayerisch-fränkischer Priester war, der unter den Kolonisten aus dem Westen wirkte.