Als 1532 die Türken erneut herannahten, wurde in Ödenburg wieder eine „mustra“ (Musterung) durchgeführt. 670 wehrfähige Männer wurden erhoben, dazu kamen 196 Mann aus den Stadtdörfern und 19 Priester. Dem Stadthauptmann standen 68 Reiter zur Verfügung. Den 110 000 Mann der Türken hätte die Stadt auf Dauer wohl kaum Widerstand leisten können. Die heldenhafte Verteidigung des noch viel kleineren Güns hielt das türkische Heer aber so lange auf, dass es für eine Belagerung Wiens zu spät wurde. Ganz spurlos ging dieser Türkenzug aber auch an Ödenburg nicht vorüber, die Tataren verwüsteten erneut das Land.

Die große Unsicherheit durch die beiden Türkenzüge von 1529 und 1532, der Tod König Ludwigs II. und der Streit um die Nachfolge trugen dazu bei, dass die Krise der Kirche vertieft wurde. Lutherische Lehren fassten immer mehr Fuß. Vor allem die Königinwitwe Maria trug dazu bei. Der Bischof von Raab war 1526 bei Mohacs gefallen, das Bistum blieb neun Jahre lang unbesetzt. Der nächste Bischof, Franz Ujlaki, blieb untätig. So wurden die Pfarrstellen der Stadt und die Benefizien zum Teil mit Priestern österreichischer Herkunft besetzt, die schon stark von Luthers Lehren beeinflusst waren. Trotzdem wurde Ödenburg damals noch nicht „evangelisch“. Es war ja noch keine klare Trennung zwischen den Konfessionen vollzogen. So wie in vielen Gebieten Mitteleuropas begann eine Art Übergangszeit, in der alte und neue Elemente in der Glaubensauffassung und auch im kirchlichen Leben nebeneinander standen. Die Priester und Pfarrer waren größtenteils verheiratet, so wie etwa Peter Rotfuchs, der 1543 in die Stadt kam. Aus der Steiermark stammte der Pfarrer Gregor Panholz, der offenbar aus religiösen Gründen vertrieben wurde. Er kam mit Frau und sieben Kindern in die Stadt. Auch der Pfarrer von St. Georg, der Archidiakon Janko Benedek Czenki, war verheiratet. Andere deutliche Zeichen für das Vordringen lutherischer Lehren waren der starke Rückgang religiöser Stiftungen für Seelenmessen und Benefiziaten. Von den über 20 Bruderschaften, die das Leben im spätmittelalterlichen Ödenburg geprägt hatten, bestanden in den 1550er-Jahren nur mehr sechs. Ihr Vermögen ging auf die Stadt über. Die Kommunion wurde bereits in beiderlei Gestalt gereicht (Ferdinand hatte den Laienkelch erlaubt), die Fastengebote wurden nicht mehr eingehalten. Das Nebeneinander der verschiedenen Glaubensauffassungen wird etwa in der Michaelerkirche greifbar, wo um 8 Uhr eine „katholische“ Messe gefeiert wurde, anschließend aber eine „lutherische“ Predigt gehalten wurde.

 

Für diese „Übergangszeit“ sind einige herausragende Persönlichkeiten besonders charakteristisch, etwa der Stadtpfarrer Wolfgang Fochter (1557–1666). Er war ein gebürtiger Ödenburger und in der Bevölkerung äußerst beliebt. Er war offenbar der alten Lehre gegenüber kritisch eingestellt, aber keineswegs noch ein lutherischer Prediger. (23)Quelle/Hinweis:
Fochter brachte die übrige katholische Geistlichkeit gegen sich auf. So wird berichtet, dass der Dechant Dalmady im betrunkenen Zustand ihn auf dem Markt mit gezogenem Schwert beschimpfte. Der Probst von Csorna, Imre Kereszturi, erstattete gegen Fochter Anzeige, worauf Fochter, von Bürgern begleitet, in sein Quartier einbrach und den armen Probst fürchterlich verprügelte.

 

Bürgermeister war in dieser Zeit, zwischen 1549 und 1562 mehrmals Christoph Hummel. Auch er neigte noch eher dem „alten Glauben“ zu. Er ließ sich von Fochter nach katholischem Ritus begraben und machte Messstiftungen. Von protestantischer Seite wird Hummel gerne als der Gründer des evangelischen Gymnasiums, das später im Lyzeum eine Fortsetzung fand, in Anspruch genommen. So ganz stimmt das freilich nicht. Er ließ die alte Schule „am Pflaster“ aus kirchlichem Vermögen renovieren und vergrößern und stellte dafür seinen eigenen Garten zur Verfügung. Man wird ihm nicht absprechen können, dass er, ganz im Geiste des Humanismus, den Wert der Bildung erkannt hatte. Die Qualität der Bildung dürfte sich in dieser Zeit erheblich verbessert haben. Rektor der Schule war Balthasar Nusser, als Lehrer sind Andreas Raidel (1554–57) und der aus Bartfeld stammende Lukas Leyringer nachgewiesen. Die Schule stand natürlich ebenfalls im Spannungsfeld der konfessionellen Auseinandersetzungen. In den 1550er- und frühen 1560er-Jahren nahmen die Schüler aber anscheinend noch täglich an der katholischen Messe teil. Das sollte sich bald ändern.
 
abb11Mit dem Studium Ödenburger Bürgersöhne in den Zentren der Reformation, also vor allem in Wittenberg, kündigte sich bereits eine neue Phase intensiverer Durchdringung durch das Luthertum an. Georg Faber, Johann Schreiner und Michael Wirth studierten in Wittenberg. In der Chronik Faut-Klein werden im Jahr 1557 auch noch Jacob Ratt oder Ruffinus und Carolus Rosenkrantz als Wittenberger Studenten aus Ödenburg erwähnt.

Die Türkenzüge, die Zusammenarbeit habsburgfeindlicher Magyaren mit den Türken, hatten auch „nationale“ Spannungen zur Folge. Schon 1529 und 1532 waren zahlreiche geflohene Adelige aus Innerungarn in die Stadt gekommen. Ödenburg weigerte sich zunächst, diese aufzunehmen.

Man misstraute ihnen und unterstellte, dass sie die Stadt auskundschaften würden. Außerdem könne ten diese auf den Märkten Waren kaufen und an die Türken liefern. Später, in den 1550er-Jahren, übertrug sich diese Abneigung auch auf Pfarrer magyarischer Herkunft, da diese entweder katholisch waren oder dem Kalvinismus zuneigten. In den Jahren nach 1555 versuchte der neue Bischof von Raab, Paul Gregoriancz, die Pfarrstellen überwiegend mit Magyaren zu besetzen, da er diese dem Luthertum gegenüber für weniger anfällig hielt. In Ödenburg löste dies bei den Bürgern Hohn und Spott aus. Man machte sich in den Schenkhäusern über die mangelnden Deutschkenntnisse der neuen Pfarrer lustig.