Nach der Niederlage zogen sich die Ungarn 40 km östlich von Ödenburg auf eine neue Verteidigungslinie zurück. Sie bestand aus dem Waasen (hanysag) ein Sumpfgebiet und dem Grenzverhau (gyepü). Bei Kapuvtir und Wieselburg ließen sie das feindliche Vorfeld beobachten. Die Ungarn selbst betrachteten dieses Vorfeld als deutsches Reichsgebiet, in dem immer noch Siedlungen aus der Karolinger-Zeit existierten. Es kann als sicher gelten, dass die Ungarn bei ihrer Neuorientierung auch ihre Zeltniederlassungen hinter die neue Verteidigungslinie zurückgenommen haben.
 
Der Sieg über die heidnischen Ungarn brachte dem deutschen Kaiser einen gewaltigen Machtzuwachs. Beim Italienzug im Jahre 962 wurde von Papst Johannes II. zum Kaiser gekrönt. Mit seiner weltlichen Macht verband er auch die Sorge um das Seelenheil der Völker. Deshalb förderte er die Missionstätigkeit bei den Ungarn. Noch zu seinen Lebzeiten begann dort die Christianisierung. Aus deutschen Klöstern machten sich zahlreiche Mönche auf, organisiert oder auf eigene Faust, um den Ungarn Heilsbotschaft zu überbringen und sie zu bekehren. Manche suchten, des Klosterlebens überdrüssig, in der Abgeschiedenheit und Romantik der Westungarischen Landschaft, eine neue Erfüllung ihres christlichen Auftrages. Zu ihnen gehörte auch ein Mönch aus Einsiedeln namens Wolfgang (näheres über ihn in der besonderen Klostergeschichte Wandorf). Ein besonderes Anliegen des deutschen Kaisers war die Neuordnung seiner Marken. Er unterteilte sie in Burgbezirke, sog. Burgwar. Über die Missionstätigkeit wachten die bayerischen Bistümer: Salzburg und Passau.
 
Der deutsche Kaiser, Otto I. (der Große genannt), starb 973. Ihm folgte sein Sohn Otto II. auf dem Thron (973-983). Nach diesem regierte v 983-1002 der Enkelsohn Kaiser Otto I., Kaiser Otto III. Er führte die Politik seines Großvaters fort. Während seiner Regierungszeit wurde der Ungarnfürst Waik (später König Stephan I.) getauft und mit der bayerischen Prinzessin Gisela vermählt. Bei der christlichen Taufe erhielt er den Namen Stephan (Istvan). Er war der erste König von Ungarn. Gisela war die Tochter des Bayernherzogs Heinrich der Zänker und die Schwester des später deutschen Kaisers, Heinrich II. König Stephan verhandelte mit dem deutschen Kaiser Otto III. über die Errichtung eines ungarischen Bistums Gran (Esztergom), das in der Synode von Ravenna im Jahre 1001 genehmigt wurde. Erster Bischof in Ungarn wurde ein Freund Kaiser Otto III. der deutsche Ascharius. - Nach dem Tode Kaiser Otto IlI. wurde der Bruder der ungarischen Königin, Heinrich II., Herrscher in den deutschen Landen. Wegen anfänglich Schwierigkeiten wurde er erst im Jahre 1014 zum Kaiser gekrönt, schenkte seiner Schwester als Mitgift die Komitate Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg. Nach der Schenkung vermerkte der bayerische Annaleschreiber Aventin: "Das Land jenseits der Leitha ist jetzt ein Teil Ungarn Von der Schenkung zeugen auch", laut Aventin, "alte Urkunden und Briefe unserer Kaiser und Päpste".
 
Bei dieser geistigen Wende der Ungarn und der neuen verwandtschaftlichen Beziehungen zum deutschen Kaiserhaus, kehrte eine friedliche Epoche ein, in der viele deutsche Rittersfamilien sich insbesondere in Westungarn niederließen. Mit ihnen kamen deutsche Handwerker und Priester, die den gewohnten Lebensstandard und die Lebensgewohnheiten der jungen ungarischen Königin gewährleisteten.
 
Der deutsche Kaiser schickte seinen Kanzler namens Heribert nach Ungarn, der mithalf, die Grundlagen für den staatlichen Aufbau anzulegen. Die neue Entwicklung leitete eine Welle völkischen Zustroms aus Deutschland und der Ostmark ein. Deutsche Ritter mußten dem ungarischen König Stephan I. gegen seine heidnischen Widersacher Koppdny und Vasul zu Hilfe eilen, denen das Christentum verhaßt war. Erst durch drakonische Mittel konnte die Christianisierung endgültig durchgesetzt wer- den. Dieser geistige Bruch in der ungarischen Gesellschaft zeigte sich noch im 20. Jhdt. in der Gestalt des Turanismus (Gemeinschaft der asiatischen Völker), dessen exponierter Vertreter der ungarische Lyriker Ady Endre war.
 
König Stephan wußte, dass er sein Werk auf Dauer nur sichern kann, wenn er die zugewanderten Fremden (hospites) in sein innenpolitisches Programm mit einbezieht. Dieses Programm gibt er als Vermächtnis seinem Sohn weiter. Es hat folgenden Wortlaut: "Wie nämlich aus verschiedenen Teilen der Provinzen Gastfreunde (hospites) kommen, so führen sie verschiedene Sprachen und Gewohnheiten, verschiedene Lehren und Waffen mit sich, die das Königreich schmücken, den Glanz des Hofes vermehren und den Übermut des Auslandes schrecken, deshalb befehle ich Dir, mein Sohn, daß Du jene mit gutem Willen nährst und in Ehren hältst, damit sie es lieber mit Dir halten, als anderswo hausen." Der Verfasser dieser weitsichtigen Worte soll ein bayerischer Mönch am Hofe Stephans gewesen sein.
 
Zur Frage der Besiedlung Westungarns sollen auch Ungarn zu Wort kommen. Sümeghy-Rozsondai behaupten in ihrer Wandorfer Topographie: "Dieses Gebiet ist durch die Schlacht bei Preßburg im Jahre 907 für die Deutschen verloren gegangen. Die Ungarn haben bis zum Wiener Wald alles erobert, aber nicht besetzt. Die ungarische Landnahme (honfoglalas) war keine Vernichtung: Der deutsche Adel, die Geistlichkeit und die Soldaten flüchteten vor ihnen, aber die "vielen" slawischen und die "wenig" bayerischen Bauern haben ausgehalten. Die ungarischen Beobachtungsanlagen konnten über den Grenzverhau (gyepü) auch nach Österreich hinüberlangen (Ungarstein, Ungarbach). Wenn auch wenige Franken und Schwaben hier waren, diese haben sich aber total verstreut und wurden aufgesogen. Die Zeit der Raubzüge konnte die geringe Zahl der Deutschen in den Bergen von Eisenburg (Vasvar) und von Ödenburg (Sopron) zwar überleben, aber die heute hier wohnenden Deutschen begannen erst in der Zeit Giselas erstmals einzusickern." Soweit Sümeghy-Rozsondai.
 
Dazu muss folgendes vermerkt werden: Man läßt gelten, daß vor Ankunft der Ungarn aus Asien in Westungarn bereits fränkische und bayerische Siedlungen vorhanden waren. Das "wenig" muss hier sehr relativ gesehen werden. Vor allem: Es sind nur Vermutungen, die Sümeghy-Rozsondai anstellen, ein Beweis dafür fehlt! In diesem Zusammenhang muss aber daran erinnert werden, daß Westungarn unter den karolingischen Herrschern 115 Jahre lang ein ungestörtes Siedlungsgebiet für fränkische und bayerische Siedler war. Warum sollen also hier "viele" slawische und "wenig" deutsche Siedlungen gewesen sein? Die Vorgänge der fränkischen Eroberungspolitik widersprechen diesen Vermutungen (siehe oben).
 
Sümeghy-Rozsondai geben auch zu, dass nach dem Ungarntum deutsche Siedlungen erhalten geblieben sind. Stellt man die Herrschaftsdauer der Franken (115 Jahre) der ungarischen von 48 Jahren (907-955) gegenüber, kann jeder Leser selbst erkennen, welche der beiden in unserem Raum die nachhaltigere völkische Prägung hinterlassen hat.
 
Aber auch das "Einsickern" von Deutschen in der Zeit König Stephan kann nicht widerspruchslos stehen bleiben. Wir wissen, daß König Stephan die deutschen Ansiedlungen begrüßt und gefördert hat. So hatten die zugewanderten Deutschen keinen Grund in Westungarn lautlos einzusickern. Und was die Dichter der damaligen Siedlungen betrifft, kann die Behauptung von Sümeghy-Rozsondai nur als nationaler Wunsch definiert werden, denn es gibt dafür überhaupt keine urkundlichen Beweise. Für alle Siedlungsorte der damaligen Zeit kann angenommen werden, daß ihre Zahl im Verhältnis zum vorhandenen Siedlungsboden gering war.
 
In einem Punkt kann Sümeghy-Rozsondai zugestimmt werden: Die in Westungarn ansässig gewesenen Familien waren zur Zeit König Stephan II. noch nicht da. Es waren aber andere Deutsche, die im Laufe von Jahrhunderten durch kriegerische und sonstige Katastrophen (Feuersbrünste, Epidemien) aber auch durch natürliche Abgänge (Aussterben, Wegzug) verschwunden sind. Der Bevölkerungsaustausch ist ein permanenter Prozeß der nicht zum Stillstand kommt, wobei Familiennamen untergehen und neue auftauchen.
 
Sümeghy-Rozsondai behaupten auch, daß der ungarische Name des Neusiedler Sees - "Fertö" - ungarischen Ursprung hat, worin sie den Beweis sehen wollen, daß unser Heimatgebiet ursprünglich von Ungarn besiedelt war. Doch dafür liegen keine Beweise vor. Allein das Erscheinen des Namens in lateinischen Urkunden des 11. Jahrhunderts in der Schreibweise "Vertowe", "Verteu" läßt diesen Schuß nicht zu. Das Wortbild läßt eher einen fränkischen Ursprung vermuten und zwar einen fränkisch-französischen. Dafür spricht, dass zum damaligen Zeitpunkt zum großen Frankenreich auch erhebliche Teile des heutigen Frankreich gehörten (Westfranken) und die deutsch-französische Sprachgrenze sich bereits unter den Nachfolgern Karls d. Großen herausgebildet hat. Und es ist auch unwahrscheinlich, daß die fränkisch-bayerischen Truppen während ihrer 115-jährigen Herrschaft für den See keinen eigenen Namen gehabt haben sollten. Die Vermutung spricht also eher dafür, daß die ursprüngliche fränkische Namengebung später von den Ungarn übernommen wurde. Für derartige Vorgänge gibt es in der Geschichte zahlreiche Beispiele (Kelten-Römer=Saarbantia). Zugegeben: Diese These ist ebenso wenig bewiesen, wie die Behauptung von Sümeghy-Rozsondai.
 
Zu dieser Zeit regierte in der Ostmark das Geschlecht der Babenberger, die in ihrem Bemühen in die pannonische Mark vorzudringen von den deutschen Kaisern unterstützt wurden. Nach dem Tode Heinrich II. (1024) traten zwischen Ungarn und dem deutschen Reich wieder Differenzen auf. Die verwandtschaftlichen Bande waren erloschen. Grund der Verstimmung war, daß König Stephan einer deutschen Deputation die Durchreise nach Byzanz (Kostantinope1) verweigerte, weil der deutsche Kaiser, Konrad II. mit dem Neffen Stephans keinen Verlängerungsvertrag abgeschlossen hat. Die Strafexpedition des deutschen Kaisers im Jahre 1031 endete für ihn verlustreich und ergebnislos. Der Friedensschluß brachte zwar die Befriedung, der deutsche Kaiser mußte aber das Gebiet westlich der Leitha bis zur Fischa abtreten.
 
König Stephan, der im Jahre 1038 verstorben ist, folgte auf dem ungarischen Thron sein Neffe Peter. Er umgab sich mit Ratgebern deutscher Herkunft und war in seiner Amtsführung gewalttätig. Die ungarischen Fürsten setzten ihn deshalb ab und wählten Aba Samuel zum König. Um sein Ansehen zu mehren, fiel dieser mit drei Heerhaufen im deutschen Reich ein. Das veranlaßte den deutschen Kaiser Heinrich III. (Konrad war am 4.6.1039 verstorben) zu einem Gegenstoß. Trotz Friedensangebote der Ungarn drang er bis zu den ungarischen Befestigungsanlagen vor und erzwang einen Friedensschluß, in dem die ursprüngliche Grenze wieder hergestellt wurde. Dann schickte er bayerische und böhmische Truppen gegen die rebellierenden Ungarn und vernichtete ihre Armee bei Menfö. Dies führte zur Absetzung Aba Samuels und zur Wiedereinsetzung König Peters in Stuhlweißenburg (Székesfehervár). Peter verpflichtete die ungarischen Fürsten zur Treue, die nicht lange währte. Der Haß gegen die deutschen Königsberater, gegen die Geistlichkeit und das Christentum führten wieder zum Sturz Peters, der auch noch geblendet wurde. Sein Nachfolger wurde Andreas aus dem Hause der Arpaden. Politisch stützte er sich auf den deutschen Kaiser, der dabei war, seine Marken zu Böhmen und Ungarn neu zu ordnen. Er vergab Königshufe und ernannte Ministerialen (Beamte), die Verwalter und Verteidiger seiner Marken wurden.
 
Die Unruhen bei den ungarischen oppositionellen Kräften zeigten immer wieder, dass sie mit dem vom König Stephan eingeschlagenen Weg, der Öffnung zum Westen nicht einverstanden waren. So mußte der deutsche Kaiser Heinrich IV. (sein Vater starb am 5.10.1056) in die Wirren eingreifen. Nach kurzer Regentschaft seiner Mutter Agnes verhalf er Salama auf den ungarischen Thron, wodurch er die Lehensabhängigkeit der Ungarn wieder herstellte. Als Dank dafür erhielt er das Gebiet von der Leitha bis zum Neusiedlersee. Der deutsche Kaiser schenkte diesen Landstrich an die Kirche von Freysing (1074), die dafür die Verpflichtung übernahm, die Miesenborc (Wieselburg) zu befestigen und zu verteidigen. So kam dieser Landstrich wieder in den unmittelbaren Einfluß der Bayern. (In der Schenkungsurkunde wird die deutsche Siedlung "Novendorf" erwähnt.)
 
In dieser Zeit finden wir in unserer Gegend die "Petschenegen", ein Volksstamm der von den Ungarn besiegt wurde und an der Westgrenze Verwendung fand. In Ödenburg hausten sie auf dem Löver-Hügel, dessen Namen die Ungarn auf die Bogenschützen dieses Volkes zurückführen. Andere behaupten dagegen, dass die Bezeichnung Löwer auf das Mittelhochdeutsche zurückgeht, in dem "Lewer" Hügel bedeutet. Und in Tat war das Gelände zwischen Wandorf und Ödenburg ein Hügel.
 
Den Petschenegen wurde die Aufgabe übertragen, den nach Preßburg geflüchteten ungarischen König Peter dort in Schach zu halten. Dabei hatten sie eine vernichtende Niederlage hinnehmen müssen, bei der viele von ihnen in den Sümpfen des Neusiedlersees umgekommen sind. Dort verlieren sich ihre Spuren. Im Volksmund aber lebte ihr Name als Schimpfwort fort.
 
Nach sorgenvollen weltpolitischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen endete die lange Regierungszeit Heinrich IV. (1056-11), seinem Nachfolger, Heinrich V. verweigerten die Ungarn die Lehensabhängigkeit. Die darauf einsetzenden kriegerischen Auseinandersetzungen verliefen für die deutsche Seite erfolglos. Mit dem Tode Heinrich V. (1125) stirbt das deutsche Kaiserhaus der Salier aus.
 
Die größte Leistung seines Nachfolgers, des Welfen Lothar II. war die Befriedigung der östlichen Nachbarn. In Ungarn verhalf er als Schiedsrichter König Bela II. auf den Thron. Er rief die deutschen Fürstengeschlechter auf, in den Grenzgebieten verstärkt Siedlungsarbeit zu betreiben. Für die Besiedlung unseres Raumes (Burgenland) herrschten besonders unter den deutschen Kaisern Heinrich II.-IV. günstige Voraussetzung, man nimmt an, dass in dieser Zeit die "Heanzen" ins Burgenland gekommen sind. Die Bezeichnung soll auf den Kaisernamen Heinrich zurückgehen. Eine andere Version sieht in den "Heanzen" die Nachkommen der zurückgebliebenen Ostgoten. Für die Wahrscheinlichkeit der ersten Theorie spricht die lange Oberhoheit der deutschen Kaiser aufgrund ihrer militärischen Erfolge über die Ungarn (1295-1125 = 170 Jahre) und die verwandtschaftlichen Bindungen zu Ungarn, die eine Atmosphäre für eine friedliche Siedlungsarbeit garantierten. Die in diesem Zeitabschnitt entstandene staatsrechtliche Grenze zwischen Ungarn und dem Deutschen Reich (March, Leitha, Lafnitz) blieb im wesentlichen bis 1921 erhalten, wenn auch im späten Mittelalter und der "Neuzeit" größere und kleinere Grenzkämpfe stattgefunden habe: Sie hatten nur vorübergehende Grenzänderungen zur Folge.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer , Matthias Ziegler (1991)