Eine äußerst interessante Persönlichkeit war Therese Maria von Artner (1772–1829), deren Familie einer in Ödenburg lebenden evangelischen Offiziersfamilie entstammte. Anscheinend war sie aber nicht mit der alteingesessenen Ödenburger Patrizierfamilie Artner verwandt.

Sie wurde von Lehrern des Lyzeums erzogen und wies eine sehr umfassende humanistische Bildung auf. Die heutige ungarische Literaturgeschichtsschreibung tut sich schwer mit ihr, man sieht sie wegen ihrer stark auf das Haus Habsburg bezogenen, „gesamtösterreichischen“ Gesinnung nicht als ungarische, sondern als „österreichische“ Dichterin. Sie veröffentlichte mehrere Gedichtbände, von denen „Feldblumen auf Ungarns Fluren, gesammelt von Nina und Theone“ (gemeinsam mit ihrer Freundin Marianne Tiell) in Deutschland großen Erfolg hatte. Über ihre adeligen Förderer wurde sie mit Caroline Pichler und deren Kreis bekannt. Sie veröffentlichte auch einige Theaterstücke, eines davon wurde 1821 sogar am Burgtheater aufgeführt. Es gibt in ihren Stücken viele Hinweise, dass sie eine sehr selbstbewusste Frau war. Man sollte ihr auch im heutigen Burgenland mehr Aufmerksamkeit widmen.

Eine einzigartige Position im Ödenburger Geistesleben und weit darüber hinaus im Geistesleben ganz Ungarns hatte János (Johann) Kis, evangelischer Pfarrer, Lehrer am Lyzeum und später Superintendent. Er war gebürtiger Magyare, und er war Prediger an der deutsch-evangelischen Kirche in Ödenburg (obwohl es zu dieser Zeit auch schon eine ungarische evangelische Kirche gab). Schon als Student am Lyzeum gründete er die „Ungarische Gesellschaft“. Er bereiste die evangelischen Städte Ober- und Westungarns, um Gönner für sein Studium in Göttingen und Jena zu finden. Schon während seiner Studienzeit nahm er Kontakt zu den damals maßgebenden Dichtern Ungarns auf und pflegte dieses Netzwerk sorgfältig, als Lehrer in Raab, später am Ödenburger Gymnasium und als Pfarrer von Ödenburg (ab 1808). Kis war einer der wichtigsten Vermittler deutscher Dichtung in Ungarn, in ihr sah er ein wichtiges Vorbild für die sich entwickelnde Literatur in ungarischer Sprache, in der er auch selbst schrieb. Er übersetzte viele Werke, nicht nur aus dem Deutschen, auch aus dem Lateinischen, Englischen und Französischen. Von größter Bedeutung waren seine Übersetzungen und Nachdichtungen von Herder und Schiller, dessen Vorlesungen in Jena er als Student besucht hatte. Die bedeutende Rolle von János Kis wird auch in der ungarischen Literaturgeschichtsschreibung voll anerkannt.

Ganz anders Karl Georg Rumy (1780–1847) , der noch zu Lebzeiten heftige Anfeindungen erdulden musste. Er entstammt einer alten ungarischen Kleinadelsfamilie, die eher bürgerlich lebte. Er wuchs in der Zips auf. Seine Muttersprache war Deutsch und in deutscher Sprache verfasste er auch die meisten seiner unzähligen Werke. Das war es, was man ihm nie verzieh, obwohl er auch das reformierte Kolleg von Debrecen besuchte, um Ungarisch zu lernen. Ab 1800 studierte er drei Jahre in Göttingen Theologie, aber auch Philologie, Politik, Ökonomie, Chemie, Medizin Botanik und Sprachen. Er wirkte 1810 bis 1813 am Ödenburger Lyzeum, wo er Geschichte und Philosophie unterrichtete, später am berühmten Georgicon, der landwirtschaftlichen Hochschule der Festetics in Keszthely. Viele seiner Arbeiten beschäftigen sich mit Landwirtschaft, etwa mit der Pferdezucht oder der Branntweinbrennerei. 1808 erschien in Wien sein zweibändiges, weit über tausend Seiten umfassendes „Populäres Lehrbuch der Ökonomie“, 1816 in Pest die „Gemeinnützige ökonomische Belehrung“. Er veröffentlichte eine dreibändige Quellensammlung zur ungarischen Geschichte und ein weit verbreitetes „Geographisch-statistisches Wörterbuch des österreichischen Kaiserstaates“ (Wien 1809). 1808 veröffentlichte er einen „Musen-Almanach für das Österreichische Kaiserthum. Musen-Almanach von und für Ungarn.“ Schon der Titel zeigt, dass auch für ihn seine Identität als in Ungarn geborener, deutsch sprechender Dichter mit einem Bekenntnis zum Gesamtmonarchie vereinbar, ja selbstverständlich war. Wegen seiner Verwendung der deutschen Sprache und seiner Loyalität zum Gesamtstaat wurde er von den magyarischen Romantikern, besonders von Vörösmarty, heftig angegriffen. Er erkannte das friedliche Nebeneinander der ungarländischen Völker, Sprachen und Religionen als die große Stärke des alten Ungarn.

Einer der Schüler Rumys am Lyzeum war Leopold Petz (1794–1840). Er stammte aus einer Ödenburger Tuchschererfamilie. Auch er war nach seinem Studium Pfarrer, zunächst in Schlaining, dann in Ödenburg und unterrichtete am Lyzeum Theologie und Physik. Er soll insgesamt 15 Sprachen beherrscht haben, darunter auch Sanskrit. Aus seiner Familie stammten weitere bedeutende Persönlichkeiten. Sein Schwiegersohn war Christian Altdörfer, der Gründer und Leiter des Ödenburger Musikvereins, sein Enkel der Komponist Viktor Altdörfer. Ein anderer Enkel, Gideon Petz, war Germanistikprofessor in Budapest. Petz wurde stark von der deutschen Klassik und auch noch von der Romantik beeinflusst. Petz übersetzte zahlreiche Werke aus dem Griechischen, Spanischen, Englischen und Ungarischen ins Deutsche. Besonders bekannt, weit über die Grenzen Ungarns hinaus, wurden seine Nachdichtungen von Shakespeare-Dramen. Sein Denken war neohumanistisch-aufklärerisch, tolerant, mit viel Begeisterung und Liebe zu allen Sprachen und Kulturen. In Ungarn fand er wenig Anerkennung. Boronkai meint, er hätte zu einer selbständigen ungarndeutschen Literatur von hohem Niveau beitragen können“ (a. a. O., S. 110). Das ganze Dilemma, in dem er sich und in dem sich die ungarndeutsche Kultur befand, drückte er meisterhaft in seinem Gedicht über seine Muttersprache aus, zu der er sich leidenschaftlich bekannte:

Hier umgibt uns ein Volk, das der Deutschen Zunge verfolget Endlich vom Schlummer erwacht selbst ein Pantheon baut. Deutschland mag uns als Fremdlinge nicht! Nun sollen wir schweigen? Oder stammeln ein Wort, dem sich die Zunge versagt? Alle Sprachen sind schön, wenn Geist sich in ihrer Bewegung Flüchtig erscheinend verklärt, höhere Bildung verstreut. Aber nur Eine vermag des Herzens Fesseln zu lösen .... Dies ist die Sprache, so dass im Munde liebender Eltern: Die uns aus thierischem Traum freundlich begrüßend geweckt. zitiert nach Boronkay, S. 109.

Moritz Kolbenheyer (1810–1884) war der Sohn eines Tuchfabrikanten aus Schlesien. Er studierte Chemie und dann Theologie in Wien. Seit 1820 war der Besuch deutscher Universitäten untersagt. Mit Hilfe einer Fürstin Hohenzollern-Hechingen durfte er ein Jahr in Berlin studieren. 1836 bis 1846 war er Pfarrer in Epries. Im Frühjahr des Jahres 1848 war er in Wien und sympathisierte mit der Revolution. Noch unter diesem Eindruck kam er Ende März 1848 als Pfarrer nach Ödenburg. Er hielt am 26. März 1848 eine leidenschaftliche Predigt für das freie Wort, also für die Rede- und Pressefreiheit. Im Herbst, nach dem Einmarsch kaiserlicher Truppen in Ödenburg, flüchtete er zuerst aufs Land, wurde dann als „kommunistischer Agitator“ verhaftet und nach Preßburg gebracht. Er war neun Wochen in Untersuchungshaft . Durch Intervention seines Schwagers Oberst Cordon, Bruder des früheren Kriegsministers, kam er frei. Sein Lebensweg spiegelt geradezu idealtypisch für Ödenburger und ungarndeutsche Intellektuelle seiner Generation. Unter dem Eindruck des Freiheitskampfes identifizierte er sich stark mit dem „Ungartum“. Wie für viele andere waren wohl auch für ihn Freiheit und Fortschritt mit seinem ungarischen Patriotismus verbunden. Ob er sich damit auch zum Magyarentum bekannt, ist zumindest in Zweifel zu ziehen. Kolbenheyer war seit 1836 mit der Tochter des Großhändlers István Medgyaszay verheiratet, einer kalvinistischen Ungarin, mit der er acht Kinder hatte. Seine Ehe mag die Vorliebe für die magyarische Sprache verstärkt haben. Als Pfarrer war er äußerst umtriebig. In seiner Zeit wurde der Turm der evangelischen Kirche gebaut. Er organisierte durch Deutschlandreisen und durch die Unterstützung des Gustav Adolf - Vereines den Bau der Lehrerbildungsanstalt. Er verfasste selbst zahlreiche Gelegenheitsgedichte und versuchte durch Übersetzungen die magyarischen Dichter Arany und Petöfi im deutschen Sprachraum bekannt zu machen. Er stand mit Hebbel und Anastasius Grün in Verbindung.

Die Stadt Sopron gedenkt seiner in einer Gedenktafel in der Kirchengasse, während eine solche für andere Dichter und Literaten des deutschen Ödenburg nicht zu finden ist. Dies ist vor allem auf sein Eintreten für die ungarische Unterrichtssprache am Lyzeum zurück zu führen. 1849 verordnete die österreichische Regierung eine Neuordnung des Gymnasialwesens, die mit einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung der Schulerhalter verbunden war. Man konnte zwar staatliche Hilfe bekommen, dann aber bestimmten die Behörden auch die Unterrichtssprache. Diese wäre entsprechend der Bevölkerungsstruktur in der Stadt und in der Umgebung das Deutsche gewesen. Der evangelische Konvent war damit einverstanden. Kolbenheyer aber protestierte, er, der Pfarrer, erklärte den Ödenburger evangelischen Kirchenkonvent für „incompetent“ und für unberechtigt, derartige Entschlüsse zu fassen. Sein Argument war, dass die Mehrheit der Schüler des Lyzeums ungarischsprachig war. Die Schule wurde schließlich vom Kirchendistrikt jenseits der Donau übernommen, Ungarisch blieb Unterrichtssprache. Das Öffentlichkeitsrecht bekam die Schule aber erst 1859 wieder zurück. In den folgenden Jahren kämpfte Kolbenhayer zusammen mit dem Direktor Joseph Paul von Király weiter für die ungarische Unterrichtssprache auch in der Oberstufe.

Boronkai beurteilt dies als ein schönes Beispiel für das ungarisch-patriotische Verhalten eines Ungarndeutschen. Die Aufgeschlossenheit der gebildeten Oberschicht für nationalmagyarische Anliegen wurde aber von weiten Kreisen in der Bevölkerung eher skeptisch gesehen. Tatsächlich hatte die „magyarische Gesinnung“, die sich am Lyzeum dann vor allem nach dem Ausgleich durchsetzte, mit dem Patriotismus der 1848er nichts mehr zu tun. Das Lyzeum und die neu gegründete Lehrerbildungsanstalt erzogen ihre Schüler zu – nicht selten zu fanatischen – Magyaren. Lajos Dóczi (1845–1919), der als Ludwig Dux geboren wurde, dessen Familie während eines Judenpogroms im Jahre 1848 nach Deutschkreutz fliehen musste und der das Lyzeum besuchte, bestätigt das. Dóczi war erfolgreicher Bühnenautor, Journalist und hoher Beamter, 1872–1902 Hofrat und Sektionschef im Außenministerium in Wien. Unter dem Magyarisierungsdruck der beiden Schulen litten vor allem die deutschsprachigen evangelischen Bauernsöhne aus den Dörfern, die im Lyzeum nicht mehr „ihre“ Schule, auf die man einst so stolz war, sehen konnten. Immer mehr führte der Weg zur höheren Bildung und zu einer Karriere über die Assimilierung. Zwar stimmt es, dass dieser Schritt, den etwa die Söhne Kolbenheyers oder anderer Pfarrer-, Lehrer- und Beamtenfamilien aus der Stadt und den Dörfern taten, „freiwillig“ erfolgte. Der Druck wurde aber gegen Jahrhundertende, vor allem in den 1890er-Jahren, immer massiver, in der aufgeheizten Stimmung der Zwischenkriegszeit schließlich Existenz bedrohend. Die eigene Bildungsschicht brach weg, das Bildungsniveau litt darunter erheblich. Edmund Scholz etwa, der Pfarrer von Agendorf, der selbst viel für die Verwendung der ungarischen Sprache in seiner Gemeinde getan hatte, musste dies resignierend erkennen.

Kolbenheyer war dem magyarischen Nationalismus gegenüber durchaus kritisch. Schon früh wandte er sich gegen den wirtschaftlichen Protektionismus und den sprachlichen Purismus, der vor allem deutsche Lehnwörter verdrängen wollte. Nach dem „Ausgleich“ von 1867 übte er in seinen Briefen an Anastasius Grün (Anton Alexander Graf von Auersperg) bittere Kritik an der rasch voranschreitenden Assimilation der Ungarndeutschen und vor allem an jenen, die aus Karrieregründen „sich ganz und gar dem allein selig machenden Magyarismus in die Arme werfen.“ Schwer traf ihn auch das berüchtigte Gedicht Aranys, der in Budapest nur „Dreck und deutsche Worte“ sah.

Kolbenheyers Freund und Mitstreiter Joseph Paul von Király (1810–1887), Magyare und aus Schemnitz als Rektor des Ödenburger Lyzeums berufen, war wohl der letzte in der langen Reihe der zweisprachigen geistigen Autoritäten Ödenburgs, die den Ausgleich suchten. Er selbst schrieb in deutscher Sprache Gedichte und stand in Verbindung zu Grillparzer, Anastasius Grün und Heine, den er in Paris besuchte. Er war auch die treibende Kraft im Ödenburger Männergesangverein.