Nach dem Einmarsch der Russen ließen die befürchteten Übergriffe nicht lange auf sich warten. Pfarrer Karl Pröhle schrieb dazu: "Plünderungen und Frauenschändungen waren besonders in den ersten Tagen allgemein. Mädchen und junge Frauen hielten sich im Keller auf und mußten sich oft von Hof zu Hof verkriechen." Die junge Wandorferin Frieda Fürst mußte im elterlichen Haus sterben, weil sie sich der Vergewaltigung widersetzte.
 
Zu dieser Zeit kehrten schon Wandorfer Soldaten ins Dorf zurück, die sich nach dem Zusammenbruch des Reichs von ihrer Einheit absetzten, um der Gefangenschaft zu entgehen, oder sie kamen schon aus einer kurzen Gefangenschaft nach Hause.
 
Dienten sie bei einer deutschen Einheit, mußten sie untertauchen, weil sie von den neuen ungarischen kommunistischen Armeesoldaten verfolgt wurden. Viele verkrochen sich in den Wäldern oder wechselten ständig ihr Nachtlager bei der Verwandtschaft, um den Häschern zu entkommen.
 
Einige, die bereits gefaßt waren, konnten sich wieder befreien und sich durch die Höfe im Kastanienwald in Sicherheit bringen. Während ihres Untertauchens im Wald fanden die ehemaligen Soldaten in den gebauten und verlassenen Verteidigungslinien Waffen und Munition. Man hörte oft Schüsse im Wald, wo die Jungs Schießübungen abhielten, nachdem ihnen das friedliche Leben zu Hause verwehrt wurde.
 
Dieses Phänomen merkte bald auch die russische Kommandantur, sie publizierte einen Befehl, in dem sie für den Besitz von Waffen die Todesstrafe androhte. Andreas Schwenk hatte das Pech, erwischt zu werden, konnte jedoch durch den Einsatz und Verwendung mehrerer Persönlichkeiten vor dem Erschießen gerettet werden.
 
Die Verfolgung zwang die Jungs ständig in Bereitschaft zu liegen, miteinander in Verbindung zu sein, alle Fremden zu beobachten, die sich im Dorf bewegten. Dies war zur eigenen Sicherheit notwendig, denn die kommunistischen Behörden ließen es an List und Tücke nicht fehlen, um mit Hilfe von Denunzianten und den Helfern aus Kreisen des "Widerstandes" ihrer habhaft zu werden. Von dem in Wandorf lebenden Fürdös János erschien damals ein Zeitungsartikel, in dem er die ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS-"pribékek" zu deutsch Henkersknechte nannte. Entsprechend beteiligte er sich auch an der Verfolgung der heimkehrenden Soldaten, als hätte die ungarische Vorkriegsregierung keine Schuld an dem Schicksal dieser Menschen. Der damalige evangelische Pfarrer, K. Pröhle, berichtet in seiner Denkschrift vom Oktober 1950 über die erste Begegnung mit russischen Soldaten. Ortskommandant in Wandorf war ein Major Turik, mit dem er folgendes Gespräch führte:
 
1. Frage des Russen: "Was ist ihre Meinung vom Bodenreformgesetz?"
Antwort von H. Pröhle: "Man hätte es schon früher machen müssen."
 
2. Frage des Russen: " Was sagen dazu die Dorfbewohner?"
Antwort: "Sie fürchten sich davor, weil sie durch das Gesetz ihr Vermögen verlieren könnten."
 
3. Frage: "Warum?" Antwort des Geistlichen: "Weil sie Volksbündler sind".
 
4. Frage: "Was halten Sie von den Russen?"
Antwort: "In jedem Volk gibt es gute und böse. So ist es auch bei den Russen."
 
Der russische Offizier verhielt sich verständnisvoll, vermutlich haben ihm die Antworten gefallen. Dennoch war das Mißtrauen der Russen gegenüber der Bevölkerung groß. Das zeigte sich auch im Fall der Kaiser Susi, die von einem fahrenden russischen Lastwagen sprang, um sich danach im Kloster zu verstecken.
 
Die Kaufkraft des ungarischen Pengö hat während des Krieges stark abgenommen. Nach dem Einmarsch der Russen hat er an Wert ganz verloren. Die Geschäfte waren geschlossen, so dass die Menschen gezwungen waren, durch Tauschgeschäfte das Lebensnotwendige zu besorgen. Die russischen Soldaten schätzten den Alkohol. Da Einbrüche in die Weinkeller immer schwieriger wurden und auch mit Strafen geahndet werden konnten, tauschten die Russen Salz gegen Wein. Salz war in. der Gemeinde eine Rarität, aber auch in anderen Gemeinden östlich von Ödenburg. Die Bauern verwendeten das Salz als Zahlungsmittel für den Kauf von Schweineferkeln, die meist nachts in das Dorf eingeschmuggelt wurden. Es bildeten sich regelrechte Schmugglertrupps, die sich schrittweise von Haus zu Haus vortasteten, um den ungarischen Soldaten nicht in die Hände zu fallen. Zu diesem Zweck fuhren sie per Eisenbahn in die östlich von Ödenburg liegenden ungarischen Gemeinden, die begierig Salz für Schweineferkel eintauschten. So wurden Wein und Salz begehrte, neue Zahlungsmittel. Und wer die nicht hatte oder den Tauschweg scheute, mußte in der Tat hungern. So erging es auch Pfarrer Pröhle, der seine damalige Situation in seiner Denkschrift wie folgt beschrieben hatte: "Unser Reservegeld ist wegen der Geldentwertung vollkommen wertlos geworden. Die Getreuen haben jede Arbeit, Ausbesserung, Reinigung kostenlos gemacht. Freilich habe ich auch keine Bezahlung erhalten, sagte aber nichts. Eine Zeitlang ging es so, aber dann mußte ich auch hungern. Als dies die Getreuen erfahren haben, standen sie zusammen und schickten mir von Tag zu Tag das Mittagessen in der feinen Form, dass ich nie erfahren habe, wem ich dies zu danken hatte, weil sie das Essen immer durch. andere schickten."
 
In der Gemeinde jagte eine Hiobsbotschaft die andere. Dafür sorgten die neuen kommunistischen Herren. Scharenweise verhafteten sie die Angehörigen des Volksbundes und steckten sie in Internierungslager. Ehemals an der Hochschule gescheiterte Studenten machten sich zu Offizieren und requirierten das Nutzvieh bei den Bauern. Es herrschten unvorstellbare chaotische Zustände, die immer mehr Unruhe erzeugten und mit den lauter werdenden Stimmen über die Aussiedlung der Deutschen und den Nachstellungen nach den heimkehrenden Soldaten sank die Stimmung bei vielen auf den Nullpunkt. Mehrere zogen es vor, das Dorf, das keine Heimat mehr war, noch vor der Vertreibung zu verlassen.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)