Diese Zeit ist gekennzeichnet durch die Volkstumskämpfe. Die Gemeinden, die durch ihr Votum für Österreich den Willen bekundeten, ihr Deutschtum zu bewahren, gerieten in Widerspruch zur ungarischen Staatsidee, die ein national einheitliches Staatsvolk zum Ziele hatte.
 
Dies um so mehr, als das nach dem Kriege verbliebene Rumpfungarn kaum noch völkische Minderheiten hatte. Die größte Minderheit bildeten die Deutschen, die versuchten, im Deutschen Volksbildungsverein ihre völkischen Traditionen zu wahren. An ihrer Spitze stand der Universitätsprofessor und Parlamentarier Dr. Jakob Bleyer. Sein politisches Leben war ein ständiger Kampf gegen die ungarischen Nationalisten, die mit ihrer erfolgreichen Madjarisierungspolitik auch die deutschen Dörfer in Westungarn ihres Deutschtums berauben wollten. In diesem Ziel waren sich alle Gesellschaftskreise in Ungarn einig, einschließlich der kirchlichen Institutionen. In dieser Frage entwickelte sich eine einheitliche innenpolitische Front, die immer mehr chauvinistische Züge annahm.
 
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Prof. Dr. Jakob Bleyer (1874-1933), Vorkämpfer und Erwecker des Ungarländischien Deutschtums
 
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Mädchengruppe in der Volkstracht mit Lehrer und
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In Wandorf kam zu dieser völkischen Frage noch eine sozialpolitische hinzu. Der überwiegende Teil der Wandorfer Bevölkerung hing dem sozialdemokratischen Gedankengut nach, was für die ungarische rechtskonservative Gesellschaft wie ein rotes Tuch wirkte. Diese Abweichung vom offiziellen Kurs belegte man in Ungarn mit dem abschätzigen Begriff "Kommunismus". So lebten die Wandorfer in einem doppelten Spannungsfeld, zwischen der deutschen, sozialdemokratischen Republik Österreich und der ungarischen rechtskonservativen Regierung.>/div>
 
Da für die damalige ungarische Regierung die Lösung sozialer Fragen letztrangig war, konzentrierte man die nationalen Kräfte für die Madjarisierung der deutschen Bevölkerung.
 
Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung war die Verstaatlichung der evangelischen Schule in Wandorf. Dadurch verlor die Gemeinde das Recht, die Lehrer selbst auszuwählen und anzustellen. Dasselbe galt auch für Kindergärtnerinnen. Dieses Recht ging auf den Staat über, der in zu- nehmendem Maße ungarische Lehrer einstellte, die der deutschen Sprache unkundig waren. Damit war in Wandorf eine Situation eingetreten (deutsche Kinder, sprachunkundige Lehrer), die zum Absinken des Unterrichtsniveaus führen mußte.
 
Die deutschen Lehrer wurden angehalten, ihre deutschen Namen gegen ungarische zu tauschen. Andere Staatsbedienstete zwang man, einen ungarischen Namen anzunehmen. So wurde 
 
  • Lehrer Guhr = Guranyi
  • Lehrer Schrantz = Sümegi
  • Lehrer Tiefbrunner = Melykuti
 
Von den Staatsangestellten bzw. Arbeitern erhielten folgende einen ungarischen Familiennamen: 
 
  • Militärmusiker Böhm = Baranyai
  • Ung. Gendarm Schwenk = Sümegi
  • Eisenbahner Schwenk = Kerti
  • Eisenbahner Kalbantner = Köfalvi
  • Eisenbahner Kalbantner = Keledi
  • Eisenbahner Kalbantner = Keleti
  • Forstwart Schneider = Banfalvi (Träger einer Tapferkeitsmedaille)
  • Trafikant Münnich = Vashegyi (Träger einer Tapferkeitsmedaille)
  • Trafikant Hiertz = Deakuti
  • Trafikant Münnich = Mezödi
 
Ungarische Lehrer wurden allmählich richtungsweisend in den örtlichen Vereinen, wie Gesangverein, Feuerwehrverein, Sportclub, Pfadfinder. Sie übernahmen die Aufgaben der fehlenden deutschen Intellektuellen. Doch diese Entwicklung wurde nicht von allen widerspruchslos hin- genommen. Widerspruch regte sich auch im Gesangverein, da immer mehr ungarische Lieder einstudiert wurden, die die Sänger nicht verstanden (Unkenntnis der ungarischen Sprache). Das führte zu dem Protestlied:>/div>
 
Deutsch sind wir allweil noch,
das wär' nicht schlecht und
was ein Deutscher ist, taugt
nicht zum Knecht, taugt nicht
zum Leid umtragn, haut lieber
drein, lIimmelkreutzsackra
deutsch wolln wir sein,
Himmelkreutzsackra frei
wolln wir sein.
 
Die Wandorfer nahmen auch daran Anstoß, dass man ihnen bei ungarischen Behörden immer den Vorwurf machte: "Magyar kenyeret eszöl, de magyarul nem tudsz", zu deutsch: Ungarisches Brot ißt du, doch ungarisch kannst du nicht. Dies stimmte insofern nicht, als der deutsche Bauer auf eigener Scholle sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdiente, der deutsche Arbeiter durch seiner Hände Arbeit zumeist in österreichischen Fabriken (auch wenn sie in Ödenburg angesiedelt waren) sein Brot verdiente.>/div>
 
Den "sanften" Druck der Madjarisierung spürten auch die deutschen Burschen, die zum ungarischen Wehrdienst eingezogen wurden. Es gab Kommandeure und Kompaniechefs, die unter Androhung von Strafen junge Rekruten zur Annahme eines ungarischen Familiennamens zwingen wollten. Der Ungarländische Deutsche Volksbildungsverein stand diesen Vorkommnissen machtlos gegenüber, schließlich stand die gesamte ungarische Öffentlichkeit hinter dieser Politik. So nimmt es nicht wunder, dass der Unmut bei den deutschgesinnten Bürgern wuchs und eine wirksamere völkische Vertretung herbeisehnte. Selbst Dr. Bleyer, der deutsche Volkstumsführer, war verzweifelt und drückte dies mit folgenden Worten aus:
 
"Ungarn wird nie die deutsche Frage lösen, niemals aus sich selbst heraus. ... Ich glaube klar zu sehen, dass es für das ungarländische Deutschtum nur zwei Wege gibt: entweder sich den ungarischen Assimilationsbestrebungen zu fügen oder aber an das große Deutschtum zu appellieren. ... Von Bedeutung könnte nur eine Diskussion zwischen Berlin und Budapest sein".
 
Der Vorsitzende des Ungarländischen Deutschen Volksbildungsvereins verstarb am 5. Dezember 1933, in der Zeit, als in Deutschland die Nationalsozialisten an die Macht kamen.
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer , Matthias Ziegler (1991)