fleischhacker karl-1a) Persönliches
Nach Pfarrer Gamaufs Tod wählte die Kirchengemeinde Agendorf-Wandorf-Loipersbach nicht seinen Sohn, der ihm als Kaplan 14 Jahre treu zur Seite gestanden hatte, sondern den aus Ödenburg gebürtigen Karl Fleischhacker zum Pfarrer und Seelsorger.
 
Er wurde daselbst als Sohn des Kürschnermeisters Paul Fleischhacker am 22. Juli 1821 geboren. Seine Studien begann er in seiner Vaterstadt, wo er das evangelische Lyzeum besuchte. Dann zog er zur Ergänzung und Vollendung seiner Studien nach Basel. Von dort kaum heimgekehrt, erhielt er die Berufung nach Agendorf, worauf er am 16. April 1847 vom Superintendenten Matthäus Haubner in Raab ordiniert und am 2. Mai bereits feierlich installiert wurde. Er hielt seine Antrittspredigt über 2. Tim. 2,2-5.
 
Dem jungen Pfarrer Fleischhacker ging ein guter Ruf voraus. Er war ein vorzüglich gebildeter Theologe und ein ausgezeichneter Kanzelredner. Er wirkte 46 Jahre lang in Agendorf, aber er betrat nie Kanzel und Altar, ohne sich auf die Predigt nicht immer schriftlich vorbereitet zu haben.
 
b) Bau des neuen Pfarrhauses
Das Leben im alten, feuchten Pfarrhaus war wenig angenehm. Der junge Pfarrer litt schwer an rheumatischen Schmerzen. Dazu waren die Zimmer wegen der kleinen Fenster auch noch finster und zur Anfertigung schriftlicher Arbeiten ungeeignet. Darum verlangte der Pfarrer auch auf ärztlichen Rat von der Gemeinde zunächst nur die Vergrößerung der Fenster. Doch auch dies half nicht viel, und es musste daher bald zum Bau eines ganz neuen Pfarrhaus geschritten werden. Es wurde für diesen Zweck zehn Jahre hindurch sonntäglich von jedem Agendorfer Hausvater der Betrag von je 3 Kreuzer eingesammelt. Als sich daraus schon ein beträchtliches Baukapital angesammelt hatte, fasste man den Beschluss, in unmittelbarer Nähe der Kirche unverzüglich zum Bau des neuen Pfarrhauses zu schreiten. Die Filialen Wandorf und Loipersbach wollten jedoch zu den Baukosten nichts beitragen und übernahmen von den 7749 fl erst nach langwierigen Verhandlungen nur je 1000 fl. So hat denn Agendorf das neue Pfarrhaus, außer den von den beiden Filialen gespendeten 2000 fl, ganz aus eigenen Mitteln erbaut und im Jahre 1857 ihrem Geistlichen zur Verfügung gestellt. Es war zu jener Zeit im wahrsten Sinne des Wortes ein Prachtbau. Bei der Durchführung des Pfarrhausbaues hat sich der damalige Richter Paul Wödl bleibende Verdienste erworben.
 
c) Feuersbrunst in Wandorf
Am 27. April 1856 brach in Wandorf ein furchtbares Feuer aus, welches die Hälfte der Gemeinde in eine Brandstätte verwandelte und dem auch das evangelische Schulgebäude mit Glockenstuhl und Glocke zum Opfer fiel. Nachdem die Schule wieder aufgebaut war, ließ man 3 neue Glocken in der Glockengießerei Friedrich Seltenhofer in Ödenburg gießen, die dann am 2. Februar 1857 durch den Harkauer Pfarrer Gottlieb Krausz feierlich eingeweiht wurden.
 
d) Bau der neuen Schule in Wandorf
Es dauerte aber nicht lange, da wurde auch diese Schule zu klein. Da sich die Seelenzahl und folglich auch die Schülerzahl von 32 auf 200 ver- mehrte, musste zur Erweiterung der Schule geschritten werden. Bau und Einweihung derselben siehe beim Abschnitt Schule! Die neuerbaute Schule wurde am 11. September 1887 eingeweiht. Seither wird das Kirchweihtest, der "Kirito", jährlich am Sonntag nach dem Fest "Maria Geburt", d. h. am Sonntag nach dem 8. September gefeiert.
 
Im Erdgeschoss des Schulgebäudes befanden sich 2 Lehrerwohnungen mit je 3 Zimmern, im ersten Stock 2 große Schulsäle, von denen der eine mit einem Chor (Empore) versehen war. Er diente von Anfang an Sonn- und Feiertagen als Betsaal. Im schönen Turm befanden sich Turmuhr und 3 Glocken, nachdem schon am 28. August desselben Jahres die angeschaffte dritte Glocke eingeweiht worden war.
 
Nun gab es einen stattlichen Gottesdienstraum, doch der Pfarrer aus Agendorf kam jährlich bloß viermal, um hier Gottesdienst zu halten. An den übrigen Sonn- und Feiertagen sollten die Gemeindeglieder nach Agendorf zum Gottesdienst gehen. Auch der Konfirmandenunterricht und die Konfirmation, sowie die Trauungen und Taufen wurden in Agendorf abgehalten. Bei den Beerdigungen in Wandorf waren immer viele Gemeindeglieder zugegen, da sie dieselben sozusagen als Ersatz für die raren Gottesdienste empfanden.>/div>
 
e) Turmbau - neue Glocken - Turmuhr in Agendorf
Am 7. September 1862 stellte Pfarrer Karl Fleischhacker den versammelten Gemeindegliedern Agendorfs die Frage, ob sie geneigt wären, einen Turmbaufonds zu gründen und zur Sammlung eine Kommission einzu- setzen. Es wurde beschlossen, für diesen Zweck mindestens 1 500 000 Kreuzer zu sammeln und mit dem Bau nicht früher zu beginnen, bis die Hälfte der Summe gesammelt war. Am 6. März 1869 konnte der erste Spatenstich zur Aushebung des Grundes in feierlicher Weise vorgenommen werden. Unter Aufsicht des Mauererpoliers Sebastian Hofbauer, der den ganzen Bau leitete, wurde die Ausmauerung der Grundfeste bis 6. Mai vollendet, an welchem Tage, dem Himmelfahrtsfeste, die Gemeinde die Feier der Grundsteinlegung beging. Die Festpredigt hielt Pfarrer Josef Graf von Kobersdorf, die Grundsteinweihe vollzog Senior Johann Gradt von Stoob. Nun wurde auf den Grundstein weitergebaut und der Bau in diesem Jahre bis zu den Giebeln fertig. Der Giebelbau samt der Turmspitze blieb für das nächste Jahr.
 
Inzwischen feierte die Muttergemeinde am 26. September 1869, also am üblichen Kirchweihfest, auch noch Glockenweihe. Die drei neuen Glocken, bei der Ödenburger Firma Friedrich Seltenhofer gegossen, kosteten 3823 fl. Tausende von Fremden kamen aus diesem Anlass nach Agendorf und feierten mit den Einheimischen das schöne Fest. "Herzergreifend war es", so lesen wir im Kirchenbuch, "Agendorfs Gemeindeglieder von den zum ersten Mal gehörten hehren Glockenklängen gerührt, mit Freudentränen im Auge in ihrem verherrlichten Gotteshause einziehen zu sehen."
 
Im Frühling 1870 konnte dann mit dem Weiterbau begonnen werden. Am 30. Juli erfreute die von der Uhrenfabrik Gebrüder Rösch in Wien gelieferte Turmuhr zum ersten Mal die Gemeindeglieder. Sie wurde von dem opferfreudigen Gemeindeglied Johann Holzhofer der Gemeinde als Ge- schenk gewidmet. Das Turmweihfest am 25. September 1870 lockte aber- mals viele der fremden Gäste herbei. Den Weiheakt vollzog wieder Senior Johann Gradt, die Festpredigt hielt über 1. Petri 2,5-9 der überglückliche Ortspfarrer Fleischhacker. Er konnte im Hinblick auf all das, was die Kirchengemeinde seit der Herausgabe des Toleranzediktes bis zu diesem Tage geschaffen hatte, begeistert ausrufen: "Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich."
 
f) Fleischhackers Lebensende und seliger Heimgang
Mit Hilfe seiner treuen Mitarbeiter wirkte Pfarrer Fleischhacker am Aufblühen der Gemeinde, die sich allgemeinen Ansehens erfreute. Auch er selbst erfreute sich sowohl in der Kirche als auch im gesellschaftlichen Leben allgemeiner Verehrung. Zweiundzwanzig Jahre lang war er bis an sein Ende auch Senior des Oberen-Ödenburger Seniorats. Und als er am 10. Juli 1887 sein 40jähriges Jubelfest beging, wurde er nicht nur von seiner ihn schätzenden Gemeinde, sondern auch von der Kirchenbehörde, sowie von den Vertretern der königlichen Freistadt Ödenburg und des Komitates wärmstens begrüßt. An seinem Jubelfeste wurde er mit dem von Kaiser Franz Josef I. verliehenen goldenen Verdienstkreuz mit Krone dekoriert. Auch nachher versah er sein schweres Amt in seinen drei Gemein- den trotz seines zunehmenden Alters noch immer allein, bis der schon 70jährige Greis am 1. Oktober 1891 den von der Berliner Universität eben heimgekehrten Kandidaten der Theologie Edmund Scholtz als seinen ersten und einzigen Kaplan berief. Seine durch Überarbeitung untergrabenen Nerven versagten bald den Dienst und schon am 16. Juli 1893 ist der treue Diener Gottes, schwach und müde, eingegangen zu seines Herrn Freude. Pfarrer John Brunner aus Ödenburg hielt die Leichenpredigt über den Spruch:
 
Er hat getragen Christi Joch,
er ist gestorben und lebet doch!
 
Quelle: Wandorf - Geschichte und Entwicklung
Die Geschichte und Entwicklung eines ehemaligen Stadtdorfes Ödenburgs
Hans Degendorfer, Matthias Ziegler (1991)