Senior Edmund Scholz starb am 8. Juli 1948 im 79. Lebensjahr. Er wurde am evangelischen Friedhof in Ödenburg begraben. Im Jahr 1948 wurde ich geboren. Ich konnte also Scholz nicht kennenlernen. Trotzdem war er in meinem Leben allgegenwärtig. Wann immer in Loipersbach über die Vergangenheit Agendorfs, über Anschluss an Österreich, die Ödenburger Volksabstimmung, Zwischenkriegszeit und Vertreibung gesprochen wurde, fiel sehr bald der Name Scholz. Wann immer vertriebene Agendorfer, unzählige Verwandte und Bekannte aus Deutschland, in den 1960er und 1970er Jahren zu Besuch kamen, getrieben vom Heimweh und mit der Absicht, während der Fahrt mit dem Korridorzug nach Deutschkreutz zumindest einen Blick auf Agendorf werfen zu können, war Scholz Gesprächsthema. Schon als Kind faszinierte mich die Ambivalenz, mit der Scholz gesehen und beurteilt wurde: Scholz, der allseits geachtete Pfarrer, der Herausgeber und Autor der Zeitschrift „Gotthold“ und des beliebten „Gotthold-Kalenders“ - und Scholz der Politiker, der Anschlussfeind, der „Magyarone“. In der eigenen Familie prallten die Meinungen nicht selten aufeinander. Meine Großmutter, eine geborene Rath und Tochter des Agendorfer Richters in der Zeit nach der bolschewistischen Räteregierung, war mit Scholz proungarisch, mein Großvater Michael Grössing entschieden für Österreich. Aber auch für ihn war Scholz als Pfarrer eine Respektsperson. Dass Scholz mit seiner positiven Einstellung zum ungarischen Staat hoffnungslos gescheitert war, haben sie aber beide schon in der Zeit nach der Volksabstimmung geahnt und dann endgültig in der Zeit der gnadenlosen und gewaltsamen Magyarisierung, vor allem ab 1933, in der Gömbös-Ära, erkannt.